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und ein tieferer Ton des Sonometers hiermit verglichen wird, die Entscheidung darüber: welche Oberoctave bildet denn der Longitudinalton N vom tieferen Vergleichston n, oder umgekehrt; welche Unteroctave ist denn der letztere Ton von ersterem? Mit dieser Frage kommt Jeder in Verbindung, der z. B. den Längenelasticitätsmodulus aus Longitudinalschwingungen von Stäben oder Saiten bestimmen will. Die Unsicherheit, welche hier eintreten kann, existirt etwa nicht blos, wenn man es mit Verschiedenheiten von 2, 3 oder 4 Octaven zu thun hat, sondern sie kann auch schon bei Tönen eintreten, welche factisch nur um eine Octave verschieden sind, ja, selbst bei Unisonolongitudinaltönen wird es, falls sie höher und höher werden, vielleicht Manchem schwer, mit Bestimmtheit zu erkennen, dass sie wirklich Unisonotöne sind. Bei der Bestimmung von Elasticitätsmodulis, wobei bekannte Körper, Metalle, Glas u. s. w. verwendet werden, über deren Elasticitätsmodulus man schon im voraus ziemlich unterrichtet ist, verfährt man bekanntermassen so, dass man zunächst einmal eine plausibele Octavenhöhe dem Vergleichston gegenüber annimmt und die Berechnung mit dieser Tonhöhe durchführt. Hat man sich dann um ein oder zwei Octaven geirrt, so zeigt sich dieser Irrthum bald, indem man z. B. bei Stahl für den Elasticitätsmodulus 5000 km anstatt 20000 km erhält, wonach offenbar zu schliessen ist, dass man den Longitudinalton um eine Octave zu tief geschätzt hat und somit gemäss der Formel für den Elasticitätsmodulus erst noch das 5000 mit 22 = 4 zu multipliciren hat. Hat man es dagegen mit einem, bezüglich seiner Elasticitätsverhältnisse, vorläufig ganz unbekannten Körper zu thun, so ist es meist unmöglich, mit einer angenommenen Octavenhöhe zum Ziele zu gelangen. Es bleibt dann zunächst nichts anderes übrig, als neben dem festzustellenden Longitudinalton einen zweiten Longitudinalton von einer Saite oder einem Stabe zu etabliren, von der oder von dem man den Elasticitätsmodulus kennt. Man kann dann die Saite oder den Stab so lange verkürzen, bis sie mit dem fraglichen Longitudinalton unisono klingt, was immer bei nicht zu hohen Tonlagen unschwer zu erkennen ist. Hiernach wird es nicht schwer sein, die richtige Tonhöhe des fraglichen Tones festzustellen, bez. zu berechnen.

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In einer solchen Lage befand ich mich als ich die Lösung der vorliegenden Frage über die Schallgeschwindigkeiten in membranösen Körpern in Angriff nahm. Der erste Körper, welchen ich untersuchte, war gewöhnlich einseitig schwarzes Buntpapier, welches nach den Angaben von Antolik, unter der Bezeichnung,,Satiné - Papier" sich sehr zu Membranschwingungen und den hierbei in Betracht kommenden Klangfiguren eignen sollte. Ich grenzte z. B. eine Länge L = 1/2 = 381 mm ab. Der Vergleichston des Sonometers hierzu war die Nummer a = 15. Es war mithin n = = 316 und somit (v) 316.0,762, da λ = 762 mm = 0,762 m war. Dies gab also (v) 240,8. Nun entstand aber die Frage, welche Unteroctave ist denn dies n = 316 von dem Longitudinalton N der Lamelle? Um dies zu entscheiden, nahm ich eine dünne Glasröhre und schnitt von ihr nach und nach so viel ab, bis auch sie einen Ton gab, den ich möglichst als im Unisono mit dem Lamellenton erkannte. Die so erhaltene Länge der Röhre war 1030 mm = 1,03 m. Sie gab auch ihren Grundton, mithin war bei ihr (v) = 316.2,06 650,9. Da nun die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles im Glase nahe 5000 m beträgt, so kann (v) nur mit 8 multiplicirt werden, um v = 5207,2 m für Glas zu erhalten. Ebenso musste dann auch das (v) für das Papier mit 8 multiplicirt werden, d. h. der Streifenton war die dritte Oberoctave von unserem Ton a = 15 oder n = 316 des Sonometers; wonach v = 1926 m erhalten wird.

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Da der Streifenton im Vergleich zum Tone des Glasstabes jedoch schwach war, so konnte es bei geringer Aufmerksamkeit einem ungeübten Beobachter erscheinen, als wäre ersterer noch um eine Octave höher als der letztere, d. h. die 4. Oberoctave. Demgemäss wäre aber die Schallgeschwindigkeit im Streifen gleich 3852 m herausgekommen, d. h. eine Schallgeschwindigkeit gefunden, welche noch über die für Kupfer hinausginge, was wohl sofort als sehr unwahrscheinlich angesehen werden durfte. Doch ich liess eine solche Annahme einmal zu und wandte eine neue Controle an, nämlich einen Vergleich des Streifentons mit dem Longitudinalton einer dünnen Kupfersaite. Die letztere wurde am Weber'schen Monochord in einer Länge von 1 m durch die nöthigen

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Gewichte gespannt und gab einen Longitudinalton N als eine Unteroctave von a 55 des Sonometers, und demgemäss von n = 476 Schwingungen. Dieses n mit der doppelten Länge der Saite = 2 multiplicirt, gab für Kupfer (v) = 952 und offenbar musste dieses (v) erst mit 4 multiplicirt werden, um für die richtige Schallgeschwindigkeit in der Kupfersaite v = 3808 m zu finden. Es war demgemäss der Saitenton die 2. Oberoctave von α = 55 oder n = 476 des Sonometers. Wenn nun aber doch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Papierstreifen nicht 1926 m, sondern 3852 m gewesen wäre, dann wäre der Streifenton bei einer Streifenlänge von 381 mm nicht die 3, sondern die 4. Oberoctave von a = 15 des Sonometers gewesen, d. h. wir müssten die Schwingungszahl n 316 nicht mit 8, sondern mit 16 multipliciren, um N zu erhalten. Dies gäbe N = 5056. Da nun die Kupfersaite bei 1000 mm Länge nothwendig ein N 4.476 1904 gab, so lässt sich sofort berechnen, bei welcher Länge sie 5056 Schwingungen gegeben hätte. Man findet aus einer einfachen Proportion diese Länge gleich 377 mm. Als ich diese nun von der Kupfersaite wirklich abgrenzte, konnte ich mit der grössten Bestimmtheit erkennen, dass der Streifenton der tiefere war und somit nothwendig jetzt die 1. Unteroctave von dem Saitenton bilden musste. Ferner musste der Streifenton dann genau denselben Eindruck wie der Saitenton machen, wenn man den Streifen mit einer Länge von 381/2-190,5 mm einspannt; geschah dies, so konnte ich mit der grössten Bestimmtheit erkennen, dass die beiden Longitudinaltöne, deren Tonstärke nunmehr als völlig gleich erschienen, vollkommen unisono waren. Ferner musste dies Unisono auch erkannt == 754 mm und den

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= 1131 mm und

werden, wenn man die Saite gleich 2.377 Streifen wie ursprünglich gleich 2.190,5 381 mm abgrenzte, oder auch, wenn man die Saite gleich 3.377 den Streifen gleich 3.190,5 571,5 mm lang nahm. Alle diese tieferen Unisonos konnten mit der grössten Bestimmtheit als solche erkannt werden. Hiermit wird die Bedeutung von Toncontrolen, wie ich sie bei meiner Untersuchung mitunter anwenden musste, vollkommen erkannt werden.

(Fortsetzung folgt.)

XI. Nachtrag zu meiner Arbeit: Theorie der Lösungswärme und des osmotischen Drucks; von C. Dieterici.

In einer im December 1891 in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaft zu Berlin erschienenen Abhandlung über die Theorie der Lösungen erhebt Hr. Lothar Meyer Einwände gegen van't Hoffs Theorie des osmotischen Drucks. Ich bedauere es lebhaft, diese Arbeit erst Anfang Februar 1892 unmittelbar nach Lesung der Correctur. meiner Arbeit über den osmotischen Druck in diesen Annalen kennen gelernt zu haben, da ich sonst noch beim Lesen der Correctur einige jener Einwendungen, welche Hr. Meyer gegen van't Hoff geltend macht, und welche in gleicher Weise auch meine Ableitung der van't Hoff'schen Sätze treffen, berücksichtigt hätte.

Hr. Meyer hebt hervor, dass der osmotische Druck, wie er beobachtet wird, wesentlich abhängt von der Natur der halbdurchlässigen Membran. Das ist zweifellos richtig, und die von ihm mitgetheilten Beobachtungen beweisen diese Thatsache. Wir müssen also fragen, wie müssen die Membranen beschaffen sein, für welche van't Hoffs Ueberlegungen und meine strengere Ableitung jener Sätze gelten. Die Antwort ist sowohl aus van't Hoffs Arbeit, wie auch aus meiner sofort abzulesen und desshalb auch nicht besonders herausgehoben: die Membran muss eine derartige sein, dass sie eine völlig reversible Ueberführung von Wasser an Salz bez. umgekehrt ermöglicht. Das heisst also, dass, wenn wir durch sie eine Lösung vom reinen Lösungsmittel scheiden, auf erstere durch einen Stempel einen solchen Druck ausüben, dass die Diffussion gerade aufgehoben wird, und wir durch den Stempel eine gewisse Menge Lösungsmittel aus der Lösung herausdrücken, dass dann die ganze gegen das System geleistete Arbeit allein gegen die Diffussionskräfte aufgewendet wird, kein Theil derselben durch irreversible Vorgänge in der Membran, wie Reibung, durch Quellung veranlasste Deformation der Membran, Dichtigkeitsänderungen etc. absorbirt wird. Diese

Voraussetzung machen die theoretischen Ueberlegnngen, indem sie die Membranen in der Vorstellung zur Ausführung völlig reversibler Kreisprocesse verwenden. Die natürlichen und die künstlich hergestellten Membranen werden der theoretischen Forderung selten, vielleicht nie genügen, wenn auch Pfeffer's Membranen dem Ideal sehr nahe gekommen zu sein scheinen. Bei dieser Sachlage müssen wir die Frage aufwerfen, ob denn der von van't Hoff theoretisch definirte osmotische Druck überhaupt eine physikalische Grösse ist, da er ja doch kaum direct beobachtet werden kann. Diese Frage ist unbedingt zu bejahen; denn der von van't Hoff definirte osmotische Druck tritt entscheidend auf, wie in meiner Arbeit dargethan ist, bei dem Lösungsprocess, wo von einer Membran gar nicht die Rede ist. Er zeigt sich hier als ein zwischen dem aufzulösenden Körper und dem Lösungsmittel wirkender molecularer Oberflächendruck, der, da er von der Temperatur abhängt, vermuthlich kinetischer Natur ist. Wenn die kinetische Theorie der Gase zu einer kinetischen Theorie der Flüssigkeiten und festen Körper ausgebaut sein wird, werden wir über die Mechanik jenes melecularen Oberflächendruckes uns klarere Vorstellungen machen können, als heute. Von Hrn. L. Boltzmann ist ja bekanntlich ein Versuch dieser Art schon ausgeführt.

Die Argumente des Hrn. Lothar Meyer, dass der osmotische Druck nicht ein Gasdruck sei, finden in meiner Arbeit ihren strengen Beweis. Ich erlaube mir nur noch den Hinweis, dass auch der Rechnungsbeweis des Hrn. Meyer, dass der van't Hoff'sche Druck gar nicht dem Boyleschen Gesetze folgt, sobald man ihn für verschiedene Lösungsmittel berechnet, seine theoretische Begründung findet in dem Satze meiner Arbeit: Lösungen desselben Lösungsmittels und gleicher Dampfspannungsverminderung bei gleicher Temperatur sind isotonisch. Bei verschiedenen Lösungsmitteln verhalten sich ceteris paribus die osmotischen Drucke umgekehrt, wie die Molecularvolumina der Lösungsmittel.

Breslau, 9. Februar 1892.

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