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entsprechen müsste, wenn man die Bedingung stellt, dass das ganze System nach Aussen keine elektrodynamische oder magnetische Wirkungen ausüben soll. Stellt man jedoch diese Bedingung nicht, so würde sich ein allseitig von einem amalgamirten Reibzeug umschlossener rotirender Glascylinder wie ein Solenoid verhalten, in dessen Windungen ein mit der Rotationsrichtung übereinstimmender elektrischer Strom kreist.

Ich glaube, dass sich durch eine weitere experimentelle Untersuchung über die Existenz solcher elektrodynamischen Fernewirkungen ein Ausgangspunkt für eine allgemeine Theorie der hier behandelten Erscheinungen gewinnen liesse, aus welcher gleichzeitig die Nothwendigkeit des Auftretens der beobachteten Reibungsströme aus allgemeinen, elektrodynamischen Principien gefolgert werden könnte. Indessen verzichte ich vorläufig hierauf und gehe, der mir dieser Abhandlung gestellten Aufgabe gemäss, zur Mittheilung weiterer Versuche über.

Dritte Modification.

Eine cylindrische Glasstange AB (Taf. VI, Fig 7) von 950 Mm. Länge und 16 Mm. Dicke wurde parallel ihrer Axe in dem röhrenförmigen Reibzeuge R aus amalgamirtem Leder verschoben, welches allseitig die Glasstange dicht umschloss und eine Länge von 112 Mm. besass.

Die Enden des isolirt befestigten Reibzeuges waren äusserlich mit schmalen Ringen aus dünnem Kupferblech umgeben, an denen die Klemmschrauben a und ₺ die Verbindung mit dem Multiplicator herstellten. Sobald der Glasstab mit genügender Geschwindigkeit verschoben wurde, entstanden elektrische Ströme, deren Richtung, dem gefundenen Gesetze entsprechend, mit der Bewegungsrichtung des Glasstabes sich umkehrte.1)

1) Als ich zu diesem Versuche mit Benutzung desselben Reibzeuges, einen Stab aus Hartgummi (Ebonit) anwandte, also aus einem Stoffe, welcher bekanntlich durch Reibung mit anderen Körpern sehr stark negativ

Vierte Modification.

An Stelle des röhrenförmigen Reibzeuges R wurde eine Glasröhre G (Fig. 8, Taf. VI) von gleicher Länge angewandt, deren ausgebogene Ränder auf der innern und äusseren Seite mit einer Stanniolbekleidung einige Millimeter breit eingefasst waren, um eine leitende Verbindung mit der beweglichen Oberfläche des Reibzeuges herzustellen. Letzteres wurde in Form eines Glasstabes A B angewandt, der an seiner Oberfläche gleichmässig mit einem Lederstreifen umwunden war, so dass sich die spiralförmigen Windungen des letzteren dicht an einander legten, und einen möglichst zusammenhängenden und passend befestigten Ueberzug von amalgamirtem Leder bildeten. Wurde nun der Glasstab an einem seiner isolirten Enden in der Röhre verschoben, so entstanden wiederum elektrische Ströme, welche ihre Richtung mit der Richtung der Verschiebung wechselten. Dem erwähnten Gesetze entsprechend, war gegenwärtig die Austrittsstelle (b) negativ, die Eintrittsstelle (a) positiv elektrisch.

Fünfte Modification.

Wurde bei diesem Versuche eine Glasröhre angewandt, deren innere Oberfläche mit einer dünnen Schellackschicht überzogen war (Fig. 9), so kehrten sich die Richtungen der Ströme um. Folgende Versuchsreihe mag diesen Einfluss der Oberflächenbeschaffenheit erläutern. Hierbei soll die Verschiebungsrichtung des mit Leder überzogenen Glasstabes mit rechts" oder "links" bezeichnet werden.

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elektrisch wird, ergab sich eine scheinbare Ausnahme von diesem Gesetze. insofern die Richtung der beobachteten Ströme die gleiche wie beim Glasstabe war. Als ich jedoch, hierüber verwundert, die Elektricität des Ebonitstabes am Elektroskop untersuchte, fand ich dieselbe stark positiv, also übereinstimmend mit der Glasstange, wodurch sich natürlich auch die gleiche Stromrichtung erklärte. Bereits POGGENDORFF u. A. haben auf diese Anomalien aufmerksam gemacht, wenn jener Körper mit Amalgam gerieben wird, ein Umstand, den Herr Prof. POGGENDORFF die Güte hatte, mir mündlich mitzutheilen.

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Es ist sehr leicht auch elektroskopisch die an den beiden Enden des Reibzeuges (Fig. 7) oder der Glasröhre (Fig. 8) auftretenden entgegengesetzten Elektricitätsmengen nachzuweisen. Man muss nur darauf achten, dass die metallische Verbindung mit dem Elektroskope noch während der Verschiebung des Reibzeuges gelöst werde, indem im entgegengesetzten Falle eine Ausgleichung dieser Spannungsdifferenz durch die leitende Oberfläche des amalgamirten Leders stattfindet. Ich bediente mich zu diesen Versuchen eines gewöhnlichen Goldblattelektrometers und erhielt, dem erwähnten Gesetze entsprechend, jederzeit constante und sehr beträchtliche Divergenzen des Elektroskopes.

In meiner Abhandlung „über die durch strömendes Wasser erzeugten elektrischen Ströme" 1) habe ich Versuche mitgetheilt, bei welchen elektrische Ströme durch destillirtes Wasser erzeugt werden, wenn dasselbe durch Glasröhren strömt, deren kreisförmige Durchmesser im Maximum 0,95 Mm. betrugen. Fig 10 (Taf. VI.) veranschaulicht schematisch die Anordnung der Versuche; ab stellt die enge Glasröhre dar, deren Enden in weiteren Röhrenstücken A und B münden. An letzteren befinden sich die seitlichen Ansätze a'b' mit eingeschmolzenen Platindrähten, welche als Elektroden mit einem empfindlichen Galvanometer in Verbindung standen. Wurde nun destillirtes Wasser unter einem Druck von 320 bis 480 Mm. Quecksilber in der durch den Pfeil angedeuteten Röhre von links nach rechts durch diese Röhren getrieben, so entstand ein galvanischer Strom, dessen Richtung, in der

1) Berichte d. Kgl. Sächs. Ges. d. W. 1872. Dec. 12. (POGG. Ann. Bd. 148. p. 640.

Zöllner, Wissensch. Abhandl. Bd. II.

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durch die Zeichnung erläuterten Weise, gesetzmässig mit der Richtung des Wasserstromes im Zusammenhang stand. So ergaben sich z. B. unter Beibehaltung der obigen Bezeichnungen folgende Ablenkungen, wenn das Wasser nach rechts unter einem Drucke von 320 Mm., nach links unter einem Drucke von 480 Mm. getrieben wurde.

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Man erhält also Ablenkungen, welche sowohl ihrer Grösse als Richtung nach mit denjenigen übereinstimmen, welche oben durch Reibung von Leder gegen die mit Schellack überzogenen Wandungen einer Glasröhre erhalten wurden. Der Gedanke liegt also nahe, in beiden Versuchen dieselbe Ursache der beobachteten Ströme vorauszusetzen, wenn man berechtigt wäre, das destillirte Wasser, welches in dem zuletzt erwähnten Falle die Stelle des Reibzeuges vertritt, als positiv elektrisch, die Oberfläche der Glasröhre als negativ elektrisch vorauszusetzen.

Nach den Untersuchungen von FARADAY, 1) PECLET 2) und QUINCKE3) ist diese Voraussetzung in der That eine vollkommen berechtigte, indem Letzterer a. a. O. wörtlich Folgendes bemerkt:

,,Nimmt man an, wie das wohl wahrscheinlich ist, dass Reibungs- und Contactelektricität identisch sind, so ist einmal durch Versuche von FARADAY bewiesen, dass das Wasser der positivste aller Körper ist, also durch Reibung mit allen anderen Substanzen positiv wird.“

,,Ueber die Erregung von Elektricität durch Contact von Metallen und leitenden Substanzen mit destillirtem Wasser hat PECLET Versuche angegestellt, und gefunden, dass alle Substanzen durch dasselbe negativ elek

1) Experim. research. II. 2107.

2) Ann. d. chim. et de phys. (3) T. II. p. 239.
8) POGG. Ann. Bd. 113. p. 592 ff.

trisch erregt werden, mit Ausnahme von Braunstein, der positiv elektrisch werden soll."

QUINCKE hat gleichfalls diese Ausnahme des Braunsteins durch besondere Versuche mit Hülfe eines Säulenelektroskops mit nasser Säule nach HANKEL'S Construction bestätigt gefunden.

Es tritt also bei den Flüssigkeitsströmen an Stelle des bewegten Reibzeuges die bewegte Flüssigkeit und an Stelle des geriebenen Isolators die enge Glasröhre oder das poröse Diaphragma.

Die QUINCKE'Schen Diaphragmenströme sind offenbar nichts anderes, als eine complicirtere Modification der von mir beobachteten Flüssigkeitsströme; an Stelle der engen Glasröhre treten in QUINCKE'S Versuchen die zahlreichen Canäle des porösen Diaphragmas.

Auch die bei den Reibungsströmen an der Ein- und Austrittsstelle des bewegten Reibzeuges leicht nachweisbare freie Elektricität war QUINCKE ebenfalls im Stande, an den Elektroden seiner Diaphragmenapparate nachzuweisen. Derselbe bemerkt hierüber wörtlich Folgendes: 1)

„Bei der grossen elektromotorischen Kraft der verschiedenen Apparate lässt sich nun auch mit Leichtigkeit freie Elektricität nachweisen, entweder an einem Säulenelektroskope oder an einem gewöhnlichen Goldblattelektroskope mit Hülfe des Condensators. Die Thalelektrode des Diaphragmaapparates zeigte immer freie positive, die Bergelektrode freie negative Elektricität. Ich habe diese freie negative Elektricität bei destillirtem Wasser und Diaphragmen aus Schwefel, Quarz, Schellack, Seide und Asbest mit Sicherheit nachweisen können."

Ganz dieselben Erscheinungen lassen sich bei den Reibungsströmen beobachten, wenn, wie in der durch Fig. 9, Taf. VI, dargestellten Modification die Oberfläche des röhrenförmigen Isolators Schellack durch Contact und Reibung negativ, der bewegte Halbleiter (Leder) als Reibzeug positiv elektrisch wird.

Dass bei den Reibungsströmen im Innern oder an der Oberfläche des Reibzeuges sich ein Theil der freien Elektritäten ausgleicht, welche an den erwähnten Ein- und Austritts

1) POGG. Ann. Bd. 110. p. 57.

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