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Entscheidung in der vorliegenden Frage herbeizuführen geeignet sind.

Wenn ich hierbei zunächst den Versuch mache, mir auf Grund der oben (S. 32) wie ich glaube ziemlich vollständig zusammengestellten Worte von HELMHOLTZ eine bestimmte Vorstellung von den „Vorgängen in der Gleitstelle" und den Wirkungen der „,rotirenden Kräfte" zu bilden, so erlaube ich mir ausdrücklich zu bemerken, dass dieser Versuch, gegenüber den einfacheren Vorstellungen unserer bisherigen Mechanik, nur als ein sehr unvollkommen gelungener zu betrachten ist. Es wäre daher immerhin möglich, dass HELMHOLTZ mit seinen Worten einen anderen Sinn verbindet, als dies von mir bei den folgenden Betrachtungen geschehen ist. Jedenfalls bitte ich es durch diesen Umstand zu entschuldigen, wenn ich mich sowohl im Obigen wie im Folgenden so viel wie möglich der eigenen Worte von HELMHOLTZ bedient habe.

1. Rotationsversuche mit modificirten Gleitstellen.

Es stellen A, A' und 4" (Fig. 3, Taf. I.) die cylindrischen Enden beweglicher Drahtbügel dar, 1) welche bis auf ihre kreisförmige Basis mit einer dicken, isolirenden Lackschicht überzogen sind, so dass beim Eintauchen in Quecksilber oder Kupfervitriollösung, womit die Rinne des Rotationsapparates gefüllt ist, der galvanische Strom nur durch die metallisch leitende Oberfläche aus der Flüssigkeit in den Drahtbügel, oder, bei veränderter Stromrichtung, umgekehrt aus dem Drahtbügel in die Flüssigkeit gelangen kann. Ist nun die Lage des Magneten oder Solenoides, unter dessen Einfluss der Strom eintritt, gegeben, und wirken ,,rotirende Kräfte auf die stromleitenden Flüssigkeitsfäden des Quecksilbers oder Elektrolyten, durch welche man dem peripherischen Ende des Bügels den Strom zuleiten muss", so ist auch die Richtung jener rotirenden Kräfte bestimmt. Es seien nun abc, a'b'c' und a"b"c" drei, „dem Leiter adhärirende Theile von Flüssigkeitsfäden", durch welche derselbe,,im Sinne der wirklich stattfindenden Rotation fortbewegt und mitgenommen wird". Ist durch den grossen Pfeil P der Sinn der wirklich stattfindenden Rotation des festen

1) Vergl. Fig. 4 u. Fig. 5.

Leiters angedeutet, durch die Pfeile s, s', s“ die Richtung des senkrecht zur Endfläche aus der Flüssigkeit eintretenden Stromes, so würden in den beiden ersten Lagen (4 und 4') die dem Leiter adhärirenden Theile von Flüssigkeitsfäden (abe und ab'c') in dem durch die kleinen Pfeile angedeuteten Sinne rotiren müssen, um die im Sinne (P) der wirklich stattfindenden Rotation liegenden Componenten R und R' zu erzeugen. Wie man sieht, ist in beiden Fällen der Sinn der Rotation der dem Leiter adhärirenden Theile von Flüssigkeitsfäden entgegengesetzt. Denkt man sich daher die horizontale Lage der einen oder anderen dieser beiden Endflächen durch Drehung um 90° in die verticale Lage (4") übergeführt, wobei dann gleichzeitig die Stromrichtungen (s und s) aus der verticalen in die horizontale Lage (s") übergehen, so ist es für einen continuirlichen Uebergang der beiden entgegengesetzten Rotationsrichtungen der drei dem Leiter adhärirenden Theile von Flüssigkeitsfäden erforderlich, dass ihre Rotationsgeschwindigkeit mit allmäliger Abnahme in der verticalen Lage (4") verschwindet, um dann bei weiterer Drehung der Endfläche in die entgegengesetzte Rotationsrichtung überzugehen.

Steht daher die ebene Endfläche der Gleitstellen senkrecht zur Richtung der wirklich stattfindenden Rotation des beweglichen Leiters, so sind die,,rotirenden Kräfte", welche bei der HELMHOLTZ'schen Mechanik der Gleitstellen ,,auf die stromleitenden Flüssigkeitsfäden des Quecksilbers oder des Elektrolyten einwirken", Null. Aber selbst wenn durch diese Kräfte eine Rotation,,der dem Leiter adhärirenden Flüssigkeitsfäden" stattfände, könnte bei verticaler Lage der ebenen Gleitflächen nur eine der Axe des Magneten oder Solenoides parallele Componente erzeugt werden. Unter beiden Annahmen könnte folglich der bewegliche Leiter nach dem HELMHOLTZ'schen Potentialgesetze, nach welchem ,,die Vorgänge in der Gleitstelle allein in diesem Falle das Treibende sind", und „,unmittelbar gar keine Kraft auf den festen Theil" einwirkt, gar nicht in Rotation gerathen.

Dass aber dennoch eine Rotation eintritt, beweist der Versuch. Die einfachen Modificationen des Apparates wer

den ohne weiteres aus den Fig. 4 und 5, Taf. I verständlich sein.

Durch die Schrauben r und r, lassen sich mit dem beweglichen Kupferdrahtbügel verschiedene Drähte in Verbindung setzen, deren Enden mit tellerförmigen Ansätzen aus dünnem Kupferblech von etwa 15mm Durchmesser versehen sind. Dieselben waren bis auf eine centrale Fläche von 10mm im Durch

messer stark mit Siegellack überzogen, so dass auch am Rande der Strom nicht eintreten konnte. Anstatt des Quecksilbers habe ich der erforderlichen Beweglichkeit wegen eine concentrirte Kupfervitriollösung genommen, deren Niveau die eintauchenden tellerförmigen Ansätze etwa 4mm hoch bedeckte.

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Wurde nun der Elektromagnet durch ein kräftiges BUNSEN'Sches Element, der bewegliche Bügel (des grösseren Widerstandes in der Flüssigkeit wegen) mit drei von diesen Elementen elektrodynamisch erregt, so rotirte der Bügel stets im Sinne des AMPERE'schen Gesetzes, man mochte die Combination und Lage der tellerförmigen Gleitstellen abändern wie man wollte. Trotz des verschiedenen Widerstandes, den die Flüssigkeit den tellerförmigen Endplatten je nach ihrer Lage bei der Bewegung darbot, war die Rotationsgeschwindigkeit nicht wesentlich verschieden.

2. Rotationsversuche ohne Gleitstellen.

HELMHOLTZ bemerkt in der dritten Abhandlung über die Theorie der Elektrodynamik (BORCHARDT's Journal für Math. Bd. LXXVIII, Heft 4, S. 303) bezüglich der Anwendung seines Potentialgesetzes auf Gleitstellen Folgendes:

,, Bei der Schwäche der elektrodynamischen Kräfte, welche auf einen einzelnen Leitungsdraht wirken, müssen wir den Draht sehr leicht beweglich machen und doch dafür sorgen, dass an der Gleitstelle sehr gute Leitung des Stromes stattfindet. Um beide Bedingungen gleichzeitig zu erfüllen, kennen wir bisher keine andere Methode, als die, an der Gleitstelle flüssige Leiter, entweder Quecksilber oder Elektrolyten, einzuschalten, deren Grenzschichten an den metallischen Elektroden festhaften, und deren innere Schichten sich so bewegen, dass sie einen continuirlichen Uebergang von der Bewegung der einen zur anderen Elektrode herstellen."

Es scheint bei dieser Betrachtung eine Gattung elektrodynamischer Rotationsphänomene unbeachtet geblieben zu sein,

welche, so weit mir bekannt, zuerst von HUMPHRY DAVY in der Rotation des elektrischen Flammenbogens unter dem Einfluss eines Magnetpoles entdeckt und beschrieben worden ist. 1) Später hat DE LA RIVE diese Phänomene durch Anwendung des elektrischen Lichtes in verdünnten Gasen allgemeiner zugänglich gemacht und gegenwärtig bilden dieselben durch die zweckmässige Einrichtung, welche GEISSLER in Bonn den erforderlichen Apparaten gegeben hat, einen integrirenden Bestandtheil von Vorlesungsversuchen über Experimentalphysik. (Vgl. die Abbildungen in Lehrbuch der Physik und Meteorologie von J. MÜLLER, Bd. II, S. 447. 7. Auflage 1868, oder Lehrbuch der Experimentalphysik von A. WÜLLNER, Th. 4, S. 943. 2. Aufl.)

In einer Abhandlung: „,Ueber die Rotation des elektrischen Lichtes um die Pole eines Elektromagnets") bemerkt A. DE LA RIVE Folgendes:

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, In einem Briefe an Hrn. REGNAULT (Compt. rend. 1849.) hatte ich einen Versuch beschrieben, welcher die Einwirkung des Magnetismus auf die leuchtende elektrische Entladung im luftleeren Raum nachweisen sollte.“

,,Mein Apparat (Fig. 7, Taf. I) besteht aus einem Glasballon von der Form des elektrischen Eies. Derselbe hat an zwei entgegengesetzten Seiten zwei Tubuli, von denen der eine einen Hahn trägt, durch welchen man die Luft aus dem Ballon entfernen kann und der andere dazu dient, in den Ballon einen Stab von weichem Eisen von etwa 2 Centimeter Durchmesser einzukitten. Der Eisenstab ist auf seiner ganzen Oberfläche, mit Ausnahme seiner beiden Endflächen, von einer dicken isolirenden Schicht umgeben, welche aus zwei concentrischen Glasröhren gebildet ist, zwischen die man Wachs oder Schellack gegossen hat. Die äussere Glasröhre ist ausserdem von einer recht gleichförmigen Wachsschicht bedeckt. Nahe an der Tubulirung im Innern des Ballons trägt der Eisenstab über der isolirenden Wachsschicht einen Ring von Kupfer, den man mittelst eines ausserhalb zu einem Haken umgebogenen Drahtes mit dem einen Pole einer äusseren Elektricitätsquelle verbinden kann. Man verbindet ausserdem das aus dem Ballon herausragende Ende des Eisenstabes entweder mit dem Erdboden oder mit dem anderen Pol der Elektricitätsquelle.“

1) Philosophical Transactions for 1821. II.

2) POGG. Ann. Bd. 104. S. 129-133. Die gründlichsten und umfassendsten Studien über den Einfluss des Magnetismus auf die Anordnung des elektrischen Lichtes sind von PLÜCKER angestellt. (Vgl. PoGG. Annalen. Bd. 103. S. 88-106; Bd. 104. S. 113-128; Bd. 106. S. 67 — 84.) DU MONCEL, Recherches sur l'étincelle d'induction.

,.Magnetisirt man jetzt den Eisenstab, indem man ihn mit seinem äusseren Ende auf den Pol eines starken Elektromagnetes setzt, ohne sonst etwas an der Anordnung des Versuches zu ändern, so sieht man augenblicklich, wie dies elektrische Licht sich ganz anders verändert und eine schnelle rotatorische Bewegung um den magnetisirten Eisenstab

annimmt."

,,Bei der ersten Anstellung meiner Versuche im Jahre 1849 hatte ich mich einer hydro-elektrischen Maschine von ARMSTRONG bedient, die Funken von nahezu einem Fuss Länge gab."

Das beste Mittel indess, um die günstigsten Resultate zu erzielen, ist die Anwendung eines RÜHMкORFF'schen Inductionsapparates.

,,Sobald man den Stab magnetisirt, indem man ihn mit seiner Basis auf den Pol eines Elektromagnetes setzt, so nehmen die Lichtstreifen sogleich eine rotatorische Bewegung an, deren Richtung davon abhängt, ob der Pol des Elektromagnetes ein Nord- oder Südpol ist."

Bei den vorstehend angeführten Rotationserscheinungen tritt also an Stelle des beweglichen starren Leiters ein System von discreten Gastheilchen, welche durch den elektrischen Strom glühend und dadurch sichtbar gemacht werden. Wirkte nun auf diese Theilchen oder auf diejenigen der hindurchströmenden Elektricität, wie nach dem Potentialgesetze von HELMHOLTZ auf den starren Leiter,,,unmittelbar gar keine Kraft", so würde schwer zu begreifen sein, aus welchen anderen Ursachen als aus AMPERE'schen oder WEBER'schen Elementarkräften die thatsächlich beobachtete Rotation abgeleitet werden sollte. Denn die von HELMHOLTZ für rotirende starre Leiter entwickelte Mechanik der Gleitstellen dürfte auf diesen Fall wenigstens nicht ohne weitere Ausführungen anwendbar sein.

Dasselbe gilt von dem folgenden Versuche, bei welchem ich eine von F. NEUMANN (dem Vater) mündlich geäusserte Idee zur Ausführung gebracht habe, um an tropfbar flüssigen Leitern eine elektrodynamische Rotation ohne Gleitstellen zu erzeugen. An Stelle des beweglichen Drahtbügels ist eine Glasröhre ab (Fig. 8, Taf. I) angewandt, welche über ihrem Drehpunkt bei e einen kleinen Trichter trägt, in welchen aus dem darüber befindlichen Gefässe y Quecksilber fliesst. Dasselbe strömt bei e und e' in einem continuirlichen Strahle aus und stellt so eine leitende Verbindung mit dem in der

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