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elektrodynamische Wirkung der bewegten Elektricität gemessen und mit dem aus der WEBER'schen Formel theoretisch resultirenden Werthe verglichen.

Hr. HELMHOLTZ theilt am Schlusse jenes Aufsatzes die folgenden Resultate der Berechnung von drei unter günstigen Umständen ausgeführten Versuchsreihen mit.

1.,,Zehn Versuche mit abwechselnd entgegengesetzter Rotation, bei jedem Versuche drei Ablesungen, deren mittlere bei entgegengesetzter Elektrisirung der Scheibe gemacht wird, als die erste und die dritte."

Es ergab sich die elektrodynamische Kraft, welche durch die bewegte Elektricität auf das astatische Nadelpaar ausgeübt wurde:

aus der Beobachtung:

aus der Berechnung nach

WEBER'S Formel:

0,00000327

0,00000311.

2. Vier Versuche in derselben Weise ausgeführt:

aus der Beobachtung: 0,00000317

aus der Berechnung nach

WEBER'S Formel:

3. Fünf Versuche in derselben Weise:

aus der Beobachtung:

aus der Berechnung nach

WEBER'S Formel:

0,00000322.

0,00000339

0,00000328.

Hr. HELMHOLTZ bemerkt a. a. O. wörtlich über die Bedeutung dieser Resultate:

,,Die Uebereinstimmung darf als genügend angesehen werden bei der Messung einer Kraft, die nur 5。。。 von der Kraft des Erdmagnetismus beträgt, da in zwei dieser Versuchsreihen die beobachteten Werthe zwischen die den verschiedenen gemessenen Werthen der WEBER'schen Constante entsprechenden hineinfallen."

,,Was die Bedeutung dieser Versuche für die Theorie der Elektrodynamik betrifft, so entsprechen sie den Voraussetzungen der Theorie von Hrn. W. WEBER.“

Eine schönere und competentere Bestätigung konnte dem WEBER'Schen Gesetze kaum von irgend einer Seite zu Theil werden.

Die gleichzeitig von Hrn. HELMHOLTZ aus der MAXWELLschen Theorie der dielektrischen Polarisation berechneten Werthe

habe ich hier nicht angeführt, da ich mich bereits vor einem Jahre mit folgenden Worten über die Bedeutung dieser Theorie ausgesprochen habe:1)

,,Dass übrigens die ganze MAXWELL'sche Theorie nur als eine symbolische aufzufassen ist, welche in ähnlicher Weise gewisse Gebiete von Erscheinungen erklärt, wie die Hypothese magnetischer Fluida, geht auf's Deutlichste aus dem Umstande hervor, dass diese Theorie für die Wärmeleitung der festen Körper zu Folgerungen führt, welche direct mit der Erfahrung im Widerspruch stehen. WIEDEMANN, der in Gemeinschaft mit FRANZ zuerst die Proportionalität zwischen elektrischer und thermischer Leitungsfähigkeit durch sorgfältige Versuche bewiesen hat, bemerkt bei einer Reproduction der MAXWELL'schen Theorie in der neuesten Auflage seines Werkes über Galvanismus II, S. 614:

,,,,Hiebei ist die Leitungsfähigkeit umgekehrt proportional 4μF zu nehmen — während nach den Versuchen die elektrische Leitungsfähigkeit der thermischen direct proportional ist so dass also ein bestimmter Zustand des Mediums um so langsamer erreicht wird, je besser dasselbe leitet.""

„Bei der atomistischen Auffassung dieser Processe fällt dieser Widerspruch von selbst fort, da nach den von W. WEBER ausgesprochenen Anschauungen, 2) welche sich in zahlreichen Erscheinungen bestätigt haben, beide Vorgänge ihrem Wesen nach identisch sind."

Zu der gleichen Ansicht über die Bedeutung der MAXWELL'Schen Theorie ist auch Hr. Dr. FRÖHLICH in einer vom September 1876 datirten Arbeit (POGG. Ann. Bd. 160, S. 97 ff.) gelangt, indem er wörtlich bemerkt: ,,Die Anwendung der elektrodynamischen Lichttheorie auf gut elektrische Leiter führt zu Resultaten, die mit der Erfahrung in directem Widerspruche stehen".

Mag man aber immerhin noch über die tiefere theoretische Bedeutung der verschiedenen elektrodynamischen Theorien

1) Berichte d. Königl. Sächs. Ges. Sitz. vom 12. Febr. 1876, S. 190. 2) WILHELM WEBER bemerkt wörtlich in seiner Abhandlung „,über die Bewegungen der Elektriciät in Körpern von molecularer Constitution“, (POGG. Ann. Bd. 156. S. 1-61.):

und

,,Dazu kommt nun aber, dass elektrische Leitung und Wärmeleitung in metallischen Conductoren in nächster Beziehung stehen, es leuchtet ein, dass, wenn Wärme wirklich identisch mit der lebendigen Kraft der im Innern der ponderabeln Körper sich fortwährend bewegenden Elektricität ist, Wärmeleitung in metallischen Conductoren ebenso wie elektrische Stromleitung durch den Uebergang von Rotationsbewegung und umgekehrt vermittelt werden muss.“

verschiedenen Ansichten huldigen, es genügt mir im Vorstehenden gezeigt zu haben, dass das WEBER'sche Gesetz, welches die Wechselwirkung elektrischer Massen nur von ihren relativen Verhältnissen (Abstand und Bewegung) abhängig macht, ganz gleichgültig ob diese Massen sich strömend in ponderabeln Leitern oder unter anderen Verhältnissen bewegen, den experimentellen und theoretischen Forderungen vollkommen genügt. Es liegt daher kein Grund vor, an Stelle dieses Gesetzes das complicirtere CLAUSIUS'sche Gesetz treten zu lassen.

Einwendungen von ganz demselben Charakter, wie die CLAUSIUS'schen gegen das WEBER'sche Gesetz, hat die Geschichte der Wissenschaften zu wiederholten Malen zu verzeichnen gehabt. Das Copernikanische System glaubte man dadurch widerlegen zu können, dass man sich für berechtigt hielt, die Nichtexistenz der Fixsternparallaxen „,als feststehenden Erfahrungssatz" anzuerkennen. Aus gleichen Gründen hätte man die NEWTON'sche Gravitationslehre bis zu den Versuchen von CAVENDISH, REICH, BAILY, CORNU u. A. als einen Irrthum erklären müssen, weil nach dieser Theorie ein jeder Körper auf einen anderen, in seiner Nähe befindlichen Körper, eine Anziehung ausüben müsste, was aber ,,trotz der vielen Gelegenheit, die man dazu gehabt haben würde, nie beobachtet worden sei."

Anmerkung. Auf die vorstehende Abhandlung hat Hr. CLAUSIUS in den Annalen der Physik und Chemie (neue Folge September - Heft No. 9. S. 118-130), eine „Erwiderung auf die von ZÖLLNER gegen meine elektrodynamischen Betrachtungen erhobenen Einwände" veröffentlicht, welche ich in der folgenden Abhandlung durch eine noch prägnantere Darlegung der von CLAUSIUS in seinen Schlussreihen begangenen Irrthümer beantwortet habe.

7. Ueber eine von Clausius in der elektrodynamischen

Theorie angewandte Schlussweise.

(Annalen d. Phys. u. Chem. Neue Folge. December-Heft. 1877.)

CLAUSIUS stützt seine Behauptung, dass das WEBER'Sche Gesetz der Wirklichkeit nicht entspreche", 1) auf zwei vollkommen von einander unabhängige Prämissen, indem er zunächst annimmt:

Erstens, dass in metallischen Leitern und Magneten sich nur die eine Elektricität (positive) bewege.

Zweitens, dass das WEBER'Sche Gesetz bei dieser unitarischen Bewegung der Elektricität gültig sei.

99

Aus diesen beiden Prämissen folgert Hr. CLAUSIUS für metallische Stromleiter und Magnete die Existenz von Wirkungen, vermöge welcher diese Körper ähnlich wie ein mit einem Ueberschuss von positiver und negativer Elektricität geladener Körper, in jedem in seiner Nähe befindlichen leitenden Körper eine veränderte Vertheilung der Elektricität herrufen müsste".

Indem nun Herr CLAUSIUS die Abwesenheit dieser Wirkungen (da sie trotz der vielen Gelegenheit, die man dazu gehabt haben würde, nie beobachtet worden scien“) als „feststehenden Erfahrungssatz" betrachtet, gelangt er zu dem „Schluss", „dass das WEBER'sche Grundgesetz mit der Ansicht, dass bei einem in einem festen Leiter stattfindenden galvanischen Strome nur die positive Elektricität sich bewegt, unvereinbar ist".

1) POGG. Ann. 156. p. 657.

Weshalb Hr. CLAUSIUS bei dieser Deduction die Abwesenheit jener Wirkungen ausschliesslich als einen Beweis nur gegen die zweite Prämisse (das WEBER'sche Gesetz) und nicht als einen „zwingenden Grund" gegen die erste Prämisse (die unitarische Elektricitätsbewegung) betrachtet, wodurch doch gleichfalls die Widersprüche mit jenem „feststehenden Erfahrungssatz" beseitigt werden könnten, und zwar ohne Aufhebung des WEBER'Schen Gesetzes, dafür habe ich bis jetzt vergeblich in den CLAUSIUS'schen Arbeiten die Angabe irgend eines Grundes gesucht.

Da aber Hr. CLAUSIUS seine erste Prämisse selber nur als das Resultat einer subjectiven Ansicht hinstellt, indem er behauptet, es sei die „Vorstellung" einer solchen Doppelbewegung der beiden Elektricitäten, wie sie WEBER annimmt, eine so complicirte, dass schon viele Physiker daran Anstoss genommen haben“, so dass dieselbe nur erst dann zulässig sei, wenn zwingende Gründe für die Annahme einer solchen Doppelbewegung vorliegen", so erlaube ich mir die Frage aufzuwerfen, weshalb Hr. CLAUSIUS die von ihm deducirte Abwesenheit jener elektrischen Wirkungen nicht als solche „zwingende Gründe" für die Annahme einer solchen Doppelbewegung auch in festen Leitern (wie in Elektrolyten) betrachten will, anstatt hierin ein Argument für das WEBER'sche Gesetz zu erblicken. Derartige subjective Ansichten über die grössere oder geringere Einfachheit von Bewegungsformen in der Natur können doch nicht ohne weiteres als Beweise für ihre reale Existenz betrachtet werden, wofern wir nicht wieder in die naturwissenschaftlichen Speculationen des Alterthums verfallen wollen, bei denen man bekanntlich auch die reale Existenz der Kreisbewegung durch die Behauptung bewiesen zu haben glaubte, dass der Kreis die einfachste und deshalb der Natur allein würdige krumme Linie sei.

Indem Hr. CLAUSIUS die hier nachgewiesene logische Unvollständigkeit seiner Schlussreihe nicht bemerkt, stellt er sich die Aufgabe, ein neues elektrodynamisches Grundgesetz" von solcher Beschaffenheit aufzustellen, dass auch bei Voraussetzung der unitarischen Elektricitätsbewegung in festen

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