Page images
PDF
EPUB

nente Klarheit, mit der er jederzeit zielbewusst seine grossen Arbeiten durchführte. Dazu half ihm eine ganz ausserordentliche mathematische Befähigung. Gegen Ende seiner Studienzeit reichten seine Kenntnisse kaum weiter, als wie sie etwa dem Werk von Navier über Differentialrechnung entsprechen: und dennoch las er bald darauf mit grosser Leichtigkeit schwierige Abhandlungen von Poisson. Durch eigenes Arbeiten erreichte er bei der Behandlung mathematisch-physikalischer Probleme eine Höhe, wie nur wenige Mathematiker und mathematische Physiker, sowohl in der ihm freilich stets nur als Mittel dienenden formalen Behandlung, als auch in der Conception weittragender allgemeiner Fundamentalsätze.

Für die Sammlung der nöthigen verschiedenartigsten Kenntnisse, die bei der Allgemeinheit der Anlage von Helmholtz die reichsten Früchte tragen mussten, war es eine günstige Fügung, dass er sich in Folge von äusseren Verhältnissen nicht sofort eigenen Specialforschungen widmen konnte. Er musste sich erst in dem Friedrich-Wilhelms-Institut, der sogenannten Pepinière in Berlin, auf den Beruf eines Militärarztes vorbereiten, und dann, nach Absolvirung eines praktischen Cursus in der Charité in Berlin, als „,Compagniechirurgus" die ihm durch die Vorbildung in der Pepinière auferlegte militärärztliche Dienstzeit in Potsdam wenigstens theilweise absolviren.

Der Kampf mit der Geringfügigkeit der literarischen und experimentellen Hülfsmittel in der Pepinière und in Potsdam drückte seinen Forschungstrieb nicht nieder. Als es ihm während seiner Studienzeit gelang, ein Mikroskop zu erwerben, benutzte er es sofort zu seiner ersten wissenschaftlichen Forschung; auf Anregung von Joh. Müller zur Bearbeitung seiner übrigens durchaus selbständigen Promotionsschrift über die Ganglien der Invertebraten (1842), einer Abhandlung von dauerndem Werth, da in ihr der Zusammenhang zwischen Nervenfasern

B

mit Nervenzellen nachgewiesen ist. Letztere sind hiernach als centrale Organe anzusehen.

Dieser Arbeit sind später noch einige andere anatomische gefolgt; über die Rippen und die Armmuskeln (1856) und über die Gehörknöchelchen (1868).

Noch während seines Aufenthaltes in Berlin wendete sich Helmholtz einem früher namentlich von Schwann bearbeiteten Thema zu,,,über Gährung und Fäulniss". Der erste Theil desselben, über den Einfluss des Sauerstoffs auf die Gährung, wurde im Laboratorium von Magnus ausgeführt. Helmholtz zeigte, dass der Sauerstoff nicht die Ursache jener Processe ist, auch nicht die aus den Hefepilzen abgeschiedenen Stoffe für sich es sind, da sich die Gährung durch poröse Membranen nicht fortpflanzt, durch welche sie hätten voraussichtlich hindurch diffundiren sollen. Leider gestattete ihm die Unvollkommenheit seines Mikroskopes kein tieferes Studium der bei der Fäulniss einwirkenden Organismen.

Als Militärarzt in Potsdam arbeitete Helmholtz im Gebiet der Physik und Physiologie zuerst theoretisch-literarisch weiter. Vor Allem veröffentlichte er seine fundamentale Schrift über die Erhaltung der Kraft (1847). Diese, wohl seit Jahrhunderten die bedeutendste Leistung auf dem Gebiete der Naturwissenschaften, ist die erste physikalische Arbeit von Helmholtz.

Durch den Gang seiner Laufbahn wurde er darauf längere Zeit von rein physikalischen Forschungen abgezogen. Als er durch Fürsprache von Alexander von Humboldt aus dem Militärdienst entlassen war, erhielt er in Folge einer Empfehlung seines Vorgängers Brücke an Johannes Müller die Stellung als Lehrer der Anatomie an der Kunstakademie in Berlin (1848). Dann wurde er als Professor der Physiologie und pathologischen Anatomie nach Königsberg (1849), und als Professor der Anatomie und Physiologie nach Bonn (1855) berufen. Inzwischen blieb er in diesen Doppel

stellungen wesentlich der physiologischen Richtung treu. Er konnte dies um so leichter, als in Folge der mannigfachen, tief eingreifenden Arbeiten von Ernst Heinrich Weber, Ludwig, E. du Bois-Reymond, Brücke und ihm selbst die Physiologie sich immer mehr zu einer selbständigen Wissenschaft ausgebildet hatte. In Folge dessen wurde ihm auch die für die Physiologie allein gegründete Professur (1858) in Heidelberg übertragen.

Entsprechend der neueren physiologischen Richtung suchte auch Helmholtz die Lebensvorgänge immer mehr auf exacte physikalisch-chemische Grundlagen zurückzuführen. In Anknüpfung an seine und seiner Vorgänger Vorstellungen über die Beziehungen zwischen Wärme und Arbeit wies er mittelst Thermoelementen nach, dass die Muskeln nicht nur durch das Eintreten von Blut erwärmt werden, sondern dass die verbrauchte Arbeit bei ihrer Contraction sich z. B. in Wärme umsetzte.

Dann aber vertiefte er sich in das aussichtsreiche, aber besonders schwierige Gebiet, in welchem die Eindrücke der äusseren Erscheinungen mit ihrer Wahrnehmung und Empfindung, sowie den darauf folgenden psychischen Reactionen verknüpft werden sollten, in das Studium der Sinnes wahrnehmungen.

In seinen elektrophysiologischen Forschungen hatte E. du Bois-Reymond gelehrt, die experimentellen Hülfsmittel der Physik in der von ihm erreichten hohen Vollkommenheit auf das Studium physiologischer Vorgänge anzuwenden. Alsbald löste Helmholtz eines der schwierigsten Probleme dieses Gebietes, die Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Nervenreizes (1850). Der experimentellen Anordnung und Ausführung dieser Versuche lag einerseits die Registrirung vermittelst des von ihm construirten Myographiums, andererseits die Methode von Pouillet zur Messung kleinster Zeiten zu Grunde.

B*

Selbst die erfahrensten Physiologen hatten nicht gehofft, diese Messungen mit Erfolg durchführen zu können. Helmholtz erwies sich dabei sofort als einer der geistvollsten und geschicktesten Experimentatoren.

Die Geschwindigkeit jener Fortpflanzung, welche man früher für unendlich gross gehalten hatte, war etwa nur 30 m in der Secunde; man konnte also kaum mehr annehmen, dass sie, etwa wie die Lichtbewegung, mit enormer Geschwindigkeit durch Schwingungen eines besonderen Agens fortschritte.

Noch weit geringer wurde die Geschwindigkeit der Reflexleitung im Rückenmark gefunden. Auch die Contraction des Muskels beginnt nicht unmittelbar mit dem Nervenreiz, obgleich bereits vor derselben, in dem Stadium der „latenten Energie" elektrische, andere Nerven erregende Schwankungen darin nachzuweisen sind.

Dann wendete sich Helmholtz den Untersuchungen der Sinnesorgane selbst zu, denen des Auges und des Ohres. In ihnen legte er in umfassendster Weise die äusseren Functionen, das Zustandekommen der Wahrnehmungen in physikalischer und physiologischer Beziehung, ihre psychologische Bedeutung und sogar ihr Verhältniss zur Aesthetik klar.

Bei der Untersuchung des Auges war es zunächst erforderlich, die anatomischen und geometrischen Verhältnisse bei seinen Bewegungen und mechanischen Veränderungen genauer als bisher zu studiren. Hierzu construirte Helmholtz das wichtige Ophthalmometer, dessen Princip, wenn auch nur entfernt, an das des Heliometers erinnert.

Dasselbe wurde zuerst zur Messung der Grösse des Hornhautbildes, bezw. der Krümmung der Hornhaut verwendet. Diese Arbeiten sind zu den besten zu zählen, welche wir in der Anatomie besitzen.

Für die Betrachtung der inneren Theile des Auges erfand Helmholtz den Augenspiegel (1851).

Als Brücke gezeigt hatte, dass man durch Reflexion von Licht von einem schräggestellten Spiegelglase in das Innere eines menschlichen Auges dasselbe durch das Glas hindurch erleuchtet sehen konnte, erfasste Helmholtz kurz darauf den Gedanken, die Brechung der Augenmedien durch ein vor das Auge des Beobachters gehaltenes Linsenglas zu compensiren, um so die Einzelheiten im erleuchteten Auge scharf und deutlich zu sehen.

So entstand der Augenspiegel, durch dessen Anwendung die sichere Untersuchung des gesunden und kranken Auges ermöglicht und die Augenheilkunde in segensreichster Weise auf einen ganz neuen Standpunkt erhoben wurde. - Helmholtz hat seiner Erfindung als solcher nach Brückes Beobachtungen keinen besonders hohen wissenschaftlichen Werth beigelegt, indess eben in der scheinbar geringfügigen Anwendung der Beobachtungslinse zeigt sich sein genialer Blick.

Nach Festlegung dieser Verhältnisse im Auge konnte Helmholtz an das Studium der eigentlichen Sehthätigkeit herangehen. Er begründete damit das Gebiet der neueren Ophthalmologie. Vor Allem ermittelte er den Eindruck der Spectralfarben und ihrer Mischungen im Gegensatz zu dem von gemischten Pigmenten ausgehenden gefärbten Lichte. Er prüfte und erweiterte die Theorie von Thomas Young, wonach die Netzhaut drei Arten von Nervenfasern enthält, roth-, grün-, und blau-violett-empfindliche, so dass der getrennte oder gemischte Eindruck dieser drei Farben genügt, um in physiologischer Beziehung alle Farbeneindrücke hervorzurufen.

Unter vielem Anderen studirte er auch die Ursache des Glanzes und die Theorie der Entstehung der räumlichen Vorstellungen, die er durch die Erfindung des Telestereoskopes sehr schlagend illustrirt hat.

Die Resultate dieser Forschungen sind in dem Handbuch der physiologischen Optik (erste Lieferung 1856) vereint. Nicht genug kann man bewundern, wie der in seiner Genia

« ՆախորդըՇարունակել »