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LX.

Ueber eine bisher unbekannte Veränderung am menschlichen Auge bei veränderter Accommodation. Vorläufiger Bericht aus den Monatsberichten der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 3. Februar 1853. S. 137-139.

Ich erlaube mir im Folgenden der Akademie vorläufig die Resultate von Beobachtungen mitzutheilen, welche ich über eine neue, auf die Accommodation bezügliche Veränderung am menschlichen Auge angestellt habe, und welche ich nach der Vollendung geeigneterer Messinstrumente noch zu vervollständigen hoffe.

Die Veränderungen, welche man bisher am Auge bei seiner Einrichtung für kurze Sehweiten wahrgenommen hat, sind die, dass sich die Pupille verengt und dass der mittlere Theil der Iris nach vorn gedrängt wird. Ersteres ist allgemein bekannt, letzteres wurde zuerst von Huschke behauptet, von vielen anderen Beobachtern geleugnet.

Ich bin im Stande gewesen, mich von der Richtigkeit von Huschke's Behauptung auch am menschlichen Auge zu über137 zeugen und sogar die Grösse der Verschiebung des Pupillarrandes annähernd zu messen. Man stelle sich für diese Beobachtung so seitlich gegen das zu beobachtende Auge, dass die Pupille theilweise hinter dem Rande der Sclerotica zu verschwinden anfange, und lasse dann bei unveränderter Richtung der Sehaxe für die Nähe accommodiren; man wird die ganze Pupille, welche sich gleichzeitig verengt, hervortreten und sich der concaven Fläche der Hornhaut nähern sehen. Wird dagegen ohne Veränderung der Accommodation eine Contraction der

Pupille durch stärkeres Licht hervorgerufen, so verschiebt sich die Iris nicht nach vorn. Die Grösse der scheinbaren Verschiebung wurde gemessen, und indem ich durch Rechnung den Einfluss, welchen die Brechung in der Hornhaut ausübt in Abzug brachte, fand ich die wirkliche Verschiebung des Pupillarrandes nach vorn etwas kleiner als 1 mm. Da nun bei verengter Pupille deren Rand der vorderen Linsenfläche immer unmittelbar anzuliegen pflegt, so giebt die Verschiebung des Pupillarrandes auch das Maass für die Verschiebung des vordersten Punktes der Linse.

Ich habe eine andere gleichzeitig sichtbare Veränderung am Auge entdeckt. Dieses Organ zeigt bekanntlich in einem dunklen Raume, in welchem sich eine Lichtflamme befindet, drei Spiegelbilder derselben.

Das erste, hellste gehört der Hornhaut an, und ist wie das zweite aufrecht. Das zweite ist das grösste, aber auch lichtschwächste, und wird von der vorderen Fläche der Linse entworfen, das dritte kleinste verkehrte von deren hinterer Fläche.

Das erste und dritte Bild verändern weder ihre Grösse noch ihre Stellung merklich bei veränderter Accommodation des Auges, wohl aber das zweite, indem es bei möglichster Verringerung der Sehweite fast halb so klein wird, als es beim Sehen in die Ferne ist. Am leichtesten sichtbar ist die Veränderung, wenn man zwei senkrecht über einander liegende Lichtpunkte spiegeln lässt; dann nähern und entfernen sich ihre beiden von der Vorderfläche der Linse entworfenen Spiegelbilder sehr beträchtlich bei veränderter Accommodation.

Die Annahme, dass die ganze Linse sich beim Sehen in die Nähe nach vorn verschiebe, ist nicht genügend diese Beobachtungen zu erklären. Es würde dabei allerdings ebenfalls eine scheinbare Verkleinerung des erwähnten Spiegelbildes ein- 139 treten müssen wegen veränderter Brechung des Lichtes in der Hornhaut, aber die Rechnung ergiebt, dass sie unverhältnissmässig kleiner als die beobachtete sein würde. Bei einer solchen Verschiebung der Linse, wie sie an ihrer Vorderfläche beobachtet werden konnte, von 1, mm, würde das Spiegelbild sich höchstens um 127 seiner Grösse verkleinern, während es

in der That fast um die Hälfte kleiner wird. Auch würde in diesem Falle ein seitlich stehender Beobachter das Spiegelbild der hinteren Fläche in dem Maasse vorrücken sehen, wie diese Fläche selbst vorrückt. Doch war hiervon durch die von mir zur Messung gebrauchten Apparate, welche eine ausreichende Genauigkeit für eine solche Beobachtung besassen, nichts wahrzunehmen.

Ich halte es deshalb für wahrscheinlich, dass die Linseihre Gestalt ändert und beim Sehen in die Nähe nach vorn convexer wird. Man kann den Krümmungsradius der vorderen. Linsenfläche aus der scheinbaren Entfernung der Spiegelbilder ebenso berechnen, wie Senff den der Hornhaut in ähnlicher Weise bestimmt hat; natürlich muss man dabei die Brechung in der Hornhaut in Rechnung ziehen; er findet sich beim Sehen in die Ferne ungefähr ebenso gross, wie er an den Linsen von hinreichend frischen todten Augen von Krause und mir gefunden wurde, d. h. zwischen 10 und 11 mm; beim Sehen in die Nähe ist er fast nur halb so gross.

Reizung mit elektrischen Inductionsströmen brachte keine Gestaltveränderungen an frisch ausgeschnittenen Linsen von Thieren hervor. Dagegen sind frische Linsen elastisch; obgleich sie einer äusseren Kraft leicht nachgeben, nehmen sie doch ihre frühere Form nachher vollständig wieder an. Druck gegen die Peripherie der Linse würde wohl eine solche Veränderung ihrer Gestalt bedingen können, wie sie sich in den obigen Beobachtungen zeigt.

Ein

Die Grösse der Brennweite der Hornhaut, welche bei den angegebenen Rechnungen angenommen wurde, beruht auf eigenen Bestimmungen, wobei die Krümmung ihrer vorderen Fläche am unverletzten Auge, und die übrigens sehr grosse Brennweite des Hornhautknorpels unter Wasser an ausgeschnittenen Hornhäuten bestimmt wurde. Die Brennweite der Hornhaut im lebenden Auge beträgt danach zwischen 30 und 34 mm.

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LXI.

Ueber die Accommodation des Auges.

Aus A. v. Gräfe's Archiv für Ophthalmologie. Bd. II. S. 1–74. 1856.

Ich hatte im Winter 1852 die Beobachtung gemacht, dass 1 das Spiegelbild, welches die vordere Fläche der Krystallinse entwirft, bei den Accommodationsveränderungen des Auges sich verändert, und darüber der Akademie der Wissenschaften zu Berlin eine Nachricht 1) eingesandt, ehe ich wusste, dass schon vor mir Herr Dr. Cramer dieselbe Beobachtung gemacht und darüber eine Abhandlung der Societät der Wissenschaften zu Haarlem vorgelegt habe. Die Notizen, welche Cramer2) selbst und Donders3) darüber veröffentlicht hatten, waren mir leider entgangen, weil ich keine Gelegenheit gehabt hatte, die beiden holländischen Zeitschriften, in denen sie enthalten sind, einzusehen. Ebenso wenig kannte ich Max Langenbeck's) schon 1849 gegebene, aber von den Physiologen bis dahin nicht beachtete Notiz über diesen Gegenstand. Dies möge mir zur Entschuldigung dafür gereichen, dass ich meine Beobachtung als neu betrachtete und in der ersten Veröffentlichung darüber Cramer's mir damals gänzlich unbekannte 2 Arbeit nicht erwähnte. Des letzteren Priorität in dieser Sache mir selbst gegenüber steht unzweifelhaft fest, was ich bereitwilligst anerkenne.

1) S. Monatsberichte der Berliner Akademie. 1853. Februar. S. 137. 2) Tydschrift der Maatschappy vor Geneeskunde. 1851. W. 11, bl. 115.

3) Nederlandsch Lancet. 2 Serie. W. 1. bl. 529. 1851-1852. 4) Klinische Beiträge. Göttingen 1849.

Ich hatte gleich, nachdem ich die genannte Beobachtung gemacht, einen Apparat zur genaueren Bestimmung der Formveränderungen des Auges bestellt. Als ich die Arbeit des Herrn Dr. Cramer durch die Güte des Herrn Professor Donders erhielt, überzeugte ich mich, dass das Räthsel der Accommodation, an welchem so viele Forscher ihren Scharfsinn vergebens geübt hatten, darin in der That der Hauptsache nach gelöst war, und von der beabsichtigten Untersuchung mir nicht viel mehr zu thun übrig blieb. Indessen waren doch einige Fragen noch unerledigt, namentlich über die Formveränderung der hinteren Linsenfläche. Der inzwischen fertig gewordene Apparat bot eine gute Gelegenheit dar, am lebenden Auge Grössenverhältnisse zu messen, deren bisher an todten Augen ausgeführte Messungen vielen Zweifeln Raum gaben, und so hielt ich es denn nicht für überflüssig, die Messungsreihen auszuführen, welche ich im Folgenden zu beschreiben, und deren Ergebnisse für die Theorie der Accommodation ich schliesslich zu erörtern gedenke.

Die bisher ausgeführten Messungen an menschlichen Augen ergeben schon, dass die individuellen Abweichungen ausserordentlich gross sind; dasselbe wird sich durch meine Untersuchungen bestätigt finden. Um zuverlässige Resultate zu bekommen, muss man daher, wo es irgend angeht, sämmtliche Elemente, die man für irgend eine Schlussfolgerung braucht, an einem und demselben Auge gemessen haben. Ich habe für drei Augen ein System solcher Messungen durchgeführt, wobei ich es zunächst für räthlich hielt, Personen von nahe gleichem Alter und Geschlecht zu wählen. Es wird übrigens bei ihrer Ausführung von dem Beobachteten ein ziemlicher 3 Grad von Geduld, Aufmerksamkeit und Intelligenz in Anspruch genommen. Die folgenden Messungen beziehen sich auf die rechten Augen dreier weiblicher Individuen im Alter von 25 bis 30 Jahren, welche ich einzeln mit den Buchstaben O. H., B. P. und J. H. bezeichnen werde. Alle drei hatten ein scharfes Gesichtsvermögen, O. H. war etwas kurzsichtig.

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