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LXIII.

Ueber die Contrasterscheinungen im Auge.

Aus den Verhandlungen des naturhistorisch-medicinischen Vereins zu Heidelberg. Bd. II. S. 32-33. 1860. 27. April.

32 Der Redner sprach zuerst darüber, was man unter Contrasterscheinungen verstehe und wie dieselben vielfach mit den Nachbildern verwechselt werden, welche Chevreul unter dem Namen des successiven Contrastes bezeichnet.

Zu wirklichen simultanen Contrasterscheinungen muss man durch besondere Untersuchungsmethoden die Nachbilder vermeiden. Dann ergiebt sich jedoch, dass dieselben in der That bestehen. Ueber dieselben ergaben mannigfach modificirte, der Versammlung vorgeführte Versuche Folgendes:

Die Veränderung der Farbe durch den Contrast ist um so stärker, je grösser das Feld ist, welches den Contrast hervorbringt, je schwächer zweitens der Unterschied der Farben ist, je gleichmässiger endlich ohne eingeschobene fremdartige Abgrenzung die beiden Felder in einander übergehen.

Am besten sind diese Bedingungen im Phänomen der farbigen Schatten vereinigt. Bei Beobachtung eines farbigen Schattens durch eine geschwärzte Röhre erhält sich die Vorstellung der Farbe, wie sie sich zuvor gebildet hatte, auch wenn ihre Bedingung wegfällt, so lange man nicht andere Stellen des Gesichtsfeldes vergleichen kann. Unsere Begriffe von Weiss, welche dabei vielfach in Betracht kommen, nähern sich überhaupt der Farbe des herrschenden Lichtes und üben ihren Einfluss auf die Beurtheilung anders gefärbter Stellen.

In homogen rother Beleuchtung, wie wir sie am besten durch mit Kupferoxyd gefärbte Gläser erhalten, zeigen sich

die lichtarmen Partien complementär grün gefärbt. Es geschieht dies in Folge der Ermüdung der Netzhaut, und wir erhalten dadurch eine Correctur unserer Vorstellung über das herrschende Licht.

Wenn das gefärbte Feld nur einen kleinen Theil des Sehfeldes einnimmt, so hängt die Möglichkeit der Contrasterscheinungen von einer Menge von kleinen Umständen ab, deren Einwirkungen sich aus den oben angegebenen Bedingungen erklären, und welche durch die Versuche erläutert wurden.

Auch das Zustandekommen der wirklichen Contrasterscheinungen scheint auf einer Täuschung des Urtheils zu beruhen. Wir können richtig vergleichen, wenn die zu vergleichenden Stellen im Gesichtsfelde unmittelbar an einander liegen. Räumliche Trennung und noch mehr Aufeinanderfolge in der Zeit schwächen die Sicherheit der Empfindung. Sicher empfundene Unterschiede werden im allgemeinen zu hoch veranschlagt.

Auf solche Weise, nicht durch die ältere Annahme einer wirklich veränderten Nervenerregung lassen sich die Contrast- 33 erscheinungen im Auge erklären. Dabei bleibt es aber oft sehr schwer, die im einzelnen Falle mitwirkenden Nebenumstände ausreichend aufzufinden.

Weitere Ausführung dieses Themas ist in meinem ,,Handbuch der Physiologischen Optik" § 24 gegeben.

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LXIV.

Ueber die Bewegungen des menschlichen Auges.

Vorläufige Mittheilung aus den Verhandlungen des naturhistorisch-medic. Vereins zu Heidelberg. Bd. III. S. 62–67. 8. Mai 1863.

(Das Manuscript wurde sogleich eingereicht.)

Bei den Bewegungen unseres Auges beabsichtigen wir zunächst nur einen bestimmten Punkt des Gesichtsfeldes zu fixiren, zu welchem Ende das Auge so gestellt werden muss, dass das Bild des zu fixirenden Punktes auf die Netzhautgrube, die Stelle des deutlichsten Sehens, fällt. Dazu ist es genügend, dass wir das Auge um einen gewissen Winkel nach aufwärts oder abwärts, nach rechts oder nach links drehen. Wenn nun aber das Auge die verlangte Stellung erhalten hat, so würde es immer noch möglich sein dasselbe um die Gesichtslinie zu drehen, ohne dass dadurch das Bild des zu fixirenden Punktes sich von dem Centrum der Netzhautgrube entfernte. Alle Stellungen vielmehr, in welche das Auge durch eine solche Drehung der Gesichtslinie übergeht, würden der obengestellten Forderung gleich gut entsprechen.

Das Problem der Augenbewegungen bezieht sich nun darauf zu bestimmen, welche von diesen durch Drehung um die Gesichtslinie zu erreichenden Stellungen das Auge wirklich einnimmt, und warum es gerade diese einnimmt.

Das erste Gesetz, welches in dieser Beziehung durch Donders und Meissner früheren entgegenstehenden Ansichten gegenüber ermittelt wurde, ist, dass der Grad der 63 Drehung um die Gesichtslinie nur abhängt von der Richtung dieser Linie, relativ zur Lage des Kopfes genommen, und nicht

von dem Wege, auf welchem die Gesichtslinie in die betreffende Lage gebracht ist.

Es ist dieses Gesetz von grosser Wichtigkeit für die Orientirung über die Lage der Gegenstände im Gesichtsfelde. Denn wenn wir bei gegebener und constant bleibender Haltung des Kopfes irgend einen Punkt des Feldes fixiren, so werden die vertical über oder unter dem fixirten Punkte liegenden anderen Punkte des Gesichtsfeldes stets auf demselben Netzhautmeridiane abgebildet, wie auch das Auge in die betreffende Stellung gekommen sein mag. Wenn das betreffende Gesetz nicht existirte, und das Auge verschiedene Grade der Raddrehung (Drehung um die Gesichtslinie) annehmen könnte, so würden zu verschiedenen Zeiten bei gleicher Stellung der Gesichtslinie verschiedene Netzhautmeridiane in die Lage kommen können, das Bild der vertical über und unter dem fixirten Punkte gelegenen anderen Punkte aufzunehmen, und demgemäss würde das Bild einer Verticallinie bei gegebener Stellung des Kopfes und des Auges nicht immer demselben Netzhautmeridiane entsprechen. Es würde dadurch zwar nicht unmöglich gemacht werden die Richtung der Verticallinien im Gesichtsfelde zu bestimmen, aber es müssten viel mehr durch Empfindung gegebene Elemente dabei berücksichtigt werden, nicht blos diejenigen Muskelempfindungen, welche über die Erhebung oder Senkung des Auges und über seine Rechts- und Linkswendung Aufschluss geben, sondern auch solche, welche den Grad seiner Raddrehung zu erkennen geben. Die Aufgabe der Orientirung im Gesichtsfelde würde also beträchtlich complicirter sein, als sie bei dem wirklich vorhandenen Gesetze der Bewegungen ist.

Wenn das Gesetz dieser Bewegungen den Interessen des binocularen Sehens angepasst sein sollte, so würden wir erwarten müssen, dass diejenigen Netzhautmeridiane, welche einmal in der Visirebene (d. h. in der durch die Gesichtslinien beider Augen gelegten Ebene) enthalten sind, immer darin bleiben müssten. Dann würde es nämlich möglich sein, dass eine Reihe von Punkten dieser Ebene (die des Müller'schen Horopterkreises) auf identischen Stellen beider Netzhäute abgebildet wären, und in den symmetrischen Augenstellungen

Helmholtz, wissensch. Abhandlungen. II.

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würde der Fixationspunkt zusammenfallen mit dem Kreuzungspunkt der geraden Linie und der Kreislinie, welche nach einem früheren Vortrage von mir den Horopter bilden, was vortheilhafter für das Einfachsehen wäre, als wenn diese Punkte nicht coincidiren.

Aber schon die Versuche von Donders zeigten, dass die Interessen des binocularen Einfachsehens bei den Augenbewegungen gar nicht berücksichtigt sind. Dasselbe wurde durch alle späteren Versuche von Meissner, Fick, Recklinghausen, Wundt bestätigt. Man hat deshalb in neuerer Zeit die Ansicht aufgegeben, dass das Gesetz der Augen64 bewegungen von den Interessen des Sehens abhänge, und es haben Fick und Wundt nachzuweisen gesucht, dass es nur von der Bequemlichkeit der Augenmuskeln abhänge, indem das Auge stets denjenigen Grad der Raddrehung annehme, der bei der vorhandenen Richtung der Gesichtslinie den Muskeln den geringsten Grad der Anstrengung zumuthe.

Es wäre nun auffallend bei einem übrigens seinem Gebrauche so zweckmässig angepassten Organe, wie das Auge, wenn bestimmte Interessen des binocularen Sehens vernachlässigt sein sollten in dem Gesetz der Bewegungen, ohne dass ein anderer optischer Zweck durch die vorhandene Einrichtung erfüllt würde. Da das Wachsthum der Muskeln eines gesunden Körpers überall von den Forderungen, die an ihre Anstrengungen gemacht werden, abhängt, und die Muskelgruppen sich also schliesslich immer dem Principe zu accommodiren pflegen, dass die zweckmässigste Art der Bewegung auch die am leichtesten ausführbare ist, so wäre die Uebereinstimmung der Thatsachen mit der von Fick und Wundt vertheidigten Ansicht kein Grund, nicht noch nach einem optischen Principe für die Augenbewegungen zu suchen, und ich glaube in der That ein solches nachweisen zu können.

Das erste an die Spitze gestellte Princip der Bewegungen sichert die Wiederkehr derselben Orientirung des Bildes gegen die Netzhautmeridiane, wenn dieselbe Stellung der Gesichtslinie wiederkehrt. Wir können ein zweites Princip derselben Art aufstellen für die Bewahrung der Orientirung bei Bewegungen des Auges. Indem wir die Gesichtslinie über das

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