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LXVI.

Ueber die Form des Horopters, mathematisch

bestimmt.

Aus den Verhandlungen des naturhistorisch-medicinischen Vereins zu
Heidelberg. Bd. III. S. 51-55. Vom 24. October 1862.

(Das Manuscript wurde eingereicht am 8. November 1862.)

Der Horopter ist der Inbegriff derjenigen Punkte des äusseren Raumes, deren Bilder bei einer gegebenen Stellung der Augen in beiden Augen auf identische Netzhautpunkte fallen.

Identische Netzhautpunkte sind solche Punkte beider Netzhäute, auf welche die Bilder desselben unendlich weit entfernten Punktes fallen, wenn die Augen ihre normale Stellung für das Fernsehen haben.

Man nennt die durch die Knotenpunkte beider Augen und den fixirten Punkt gelegte Ebene die Visire bene; die geraden Linien, welche den fixirten Punkt mit dem Centrum der Netzhautgrube verbinden, und welche durch den Knotenpunkt des betreffenden Auges gehen, heissen die Gesichtslinien. Eine durch die Gesichtslinie eines Auges gelegte Ebene heisse Meridianebene des betreffenden Auges. Die Visirebene ist die einzige Ebene, welche gleichzeitig Meridianebene beider Augen ist.

Wir unterscheiden einen Meridian in jedem Auge als ersten; es möge derjenige sein, welcher nach rechts hin in der Visirebene liegt, wenn die Augen ihre normale Stellung für das Fernsehen haben, d. h. einen in der Mittelebene des

Kopfes gelegenen unendlich entfernten Punkt fixiren. Dieser erste Meridian liegt aber nicht immer in der Visirebene, sondern wenn die Augen nicht geradeaus blicken, hildet seine Ebene der Regel nach einen Winkel mit der Visirebene, welchen man den Drehungswinkel des Auges um die Gesichtslinie

nennt.

Der Winkel, welcher zwischen der Meridianebene, die durch irgend einen Punkt des Raumes geht, und der Ebene des ersten Meridians des betreffenden Auges eingeschlossen ist, heisse die Länge des betreffenden Punktes im Gesichtsfelde.

Der Winkel, welcher zwischen der Richtungslinie, die zu dem genannten Punkte geht (Verbindungslinie mit dem Knotenpunkte), und der Gesichtslinie des betreffenden Auges liegt, 52 heisse die Polardistanz des betreffenden Punktes im Gesichtsfelde.

Identische Punkte beider Netzhäute müssen nach den gegebenen Definitionen gleiche Länge und gleiche Polardistanz haben.

Punkte des äusseren Raumes, die in beiden Augen auf identischen Stellen abgebildet werden sollen, müssen also zwei Bedingungen erfüllen. Sie müssen nämlich:

1) für beide Augen gleiche Länge,

2) für beide Augen gleiche Polardistanz haben. Solche Punkte müssen also zweien Gleichungen genügen und können im allgemeinen nur den Punkten einer Linie entsprechen.

Um diese Linie zu finden, zertheilt man die Aufgabe, wie schon Wundt gethan hat, am besten in zwei Aufgaben.

Erstens sucht man den Inbegriff derjenigen Punkte, welche für beide Augen gleiche Länge haben. Der Inbegriff dieser Punkte, welche nur eine Gleichung zu erfüllen haben, bildet eine Fläche, welche wir den Horopter gleicher Länge oder den Radial horopter nennen, weil radienförmig durch den Fixationspunkt gezogene gerade Linien, die in dieser Fläche liegen, einfach erscheinen.

Zweitens suchen wir die Fläche, welche diejenigen Punkte enthält, deren Polardistanz in beiden Augen die gleiche ist, den Horopter gleicher Polardistanz oder Circular

horopter, weil in ihm gewisse Linien einfach erscheinen, die sich als Kreisbögen in das Gesichtsfeld jedes Auges projiciren.

Wo der Radialhoropter und der Circularhoropter sich schneiden, liegen die Punkte, welche zugleich gleiche Länge und gleiche Polardistanz in den Gesichtsfeldern beider Augen haben. Diese bilden den Totalhoropter, der also im allgemeinen nur eine Linie sein kann.

Die mathematische Untersuchung ergiebt nun, dass der Radialhoropter eine Kegelfläche zweiten Grades ist. Um ihre Gleichung in rechtwinkeligen Coordinaten zu geben, verlegen wir den Anfangspunkt dieser Coordinaten in den fixirten Punkt, nehmen die Visirebene als die ry Ebene und die Halbirungslinie des Gesichtswinkels als die x Axe. Die positiven z sind nach oben gekehrt, die positiven y nach rechts, die positiven nach dem Gesichte des Sehenden hin.

Es sei die algebraische Differenz der Drehungswinkel beider Augen, und 2a der Convergenzwinkel der Gesichtslinien, so ist die Gleichung des Radialhoropters:

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Es ist dies die Gleichung eines Kegels, dessen Spitze im Anfangspunkte der Coordinaten liegt, und welcher durch die beiden Gesichtslinien geht; denn wenn man setzt: z = 0 und 53 yatang a, so ist die Gleichung (1) erfüllt. Die beiden Gesichtslinien theilen die Kegelfläche in zwei vollständig von einander getrennte Theile. Nur die Punkte des einen Theiles haben in beiden Gesichtsfeldern gleiche Länge. Für die Punkte des anderen Theiles ergänzen sich die Längenwinkel zu zwei Rechten, sie geben nicht identische, sondern symmetrische Bilder. Die Durchschnittslinie mit der zx Ebene ergiebt sich, wenn man y = 0 setzt. Es ist dann entweder:

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convergirenden Augen gefundene Horopterlinie. Der Drehungswinkel 7/2 des rechten Auges ist dabei positiv zu setzen, der des linken negativ. Die zweite Linie giebt symmetrische Bilder.

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Die Durchschnittslinie des Kegels mit einer Ebene, für welche Const, ist eine Ellipse, deren Axen vertical und horizontal liegen. Die beiden Endpunkte der verticalen Axe sind durch die letzten beiden Gleichungen gegeben. Die Länge der verticalen Halbaxe ist: a sin a/sin y. Die Länge der horizontalen Halbaxe ist: a tang a/siny; die letztere ist also die grössere.

Der beschriebene Kegel hat die Eigenthümlichkeit, dass seine Kreisschnitte senkrecht stehen auf einer der beiden Kanten, die in der az Ebene liegen.

=

1st y, die Differenz der Drehungswinkel, gleich Null, so verwandelt sich die Gleichung (1) in zx = 0. Es muss also entweder z 0 sein, welches die Gleichung der Visirebene ist, oder 0, welches die Gleichung der auf der Halbirungslinie des Gesichtswinkels senkrechten Ebene ist. Der Kegel reducirt sich in diesem Falle auf die beiden Ebenen.

=

Die Gleichung des Circularhoropters ist im allgemeinen vom vierten Grade, nämlich in den vorher gebrauchten Coordinaten ausgedrückt folgende:

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Darin bedeuten, und r, die Entfernungen beider Augen vom Fixationspunkte.

Die Form dieser Fläche kann man in folgender Weise übersehen: Man bestimme zuerst ihre Durchschnittslinien mit 54 der Visirebene, d. h. man setze z = 0. Dann ergiebt sich aus 2 unmittelbar, dass entweder:

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sein muss, welches die Gleichung eines Kreises ist, des von J. Müller gefundenen Horopterkreises, der durch den Fixationspunkt und die Knotenpunkte beider Augen geht. Denn die Gleichung (2a) wird erfüllt durch folgende drei Systeme von Werthen:

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welches die Gleichung einer gleichseitigen Hyperbel ist, deren Mittelpunkt im Halbirungspunkte der Verbindungslinie der Knotenpunkte beider Augen liegt, deren Asymptoten den Axen der a und y parallel sind.

Diese Hyperbel geht ebenfalls durch den Fixationspunkt und die Knotenpunkte beider Augen, woselbst sie also den Kreis schneidet. Ein vierter Schnittpunkt ist gegeben durch die Werthe:

[blocks in formation]

die sowohl der Gleichung (2 a) wie (2b) genügen. Dieser letztgenannte Punkt und der Fixationspunkt bilden die Enden eines und desselben Durchmessers des Müller'schen Horopterkreises.

Denkt man nun in dem letztgenannten Punkte ein Loth auf der Visirebene errichtet und durch dieses Loth Ebenen gelegt, so schneiden alle diese Ebenen die Fläche des Circularhoropters in verticalen Kreisen, deren Mittelpunkte in der Visirebene liegen, und deren horizontale Durchmesser abgegrenzt sind durch den Kreis und die Hyperbel in der Visirebene. Jede durch den Punkt, der in Gleichung (2c) bestimmt ist, in der Visirebene gezogene Linie schneidet nämlich sowohl den Kreis wie die Hyperbel erstens im Punkte (2c), zweitens in noch einem anderen Punkte. Die beiden letzteren Punkte

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