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LI.

Ueber die Zusammensetzung von Spectralfarben.

Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie. Bd. 94. S. 1 bis 28. 1855 (Theilweis vorgetragen vor der British Association zu Hull im September 1854.)

In meiner Abhandlung „,Ueber die Theorie der zu- 1 sammengesetzten Farben") habe ich den Beweis geführt, dass Mischung farbiger Pigmente nicht nothwendig dieselbe Mischfarbe giebt, welche durch Zusammensetzung des entsprechenden farbigen Lichtes gewonnen wird. Bei dieser Gelegenheit hatte ich vermittelst einer eigenthümlichen Methode Untersuchungen über die Resultate der Zusammensetzung einfacher prismatischer Farben angestellt und dabei unter anderen, den früheren Annahmen widersprechenden Resultaten auch gefunden, dass nur ein einziges Paar einfacher Complementärfarben, Indigblau und Gelb, im Spectrum vorhanden sei. Dies war, wie auch später Hr. Grassmann 2) streng und ausführlich nachgewiesen hat, mit der von Newton aufgestellten Form, in der man das Gesetz der Farbenmischungen auszudrücken pflegte in geradem Widerspruche, auch wenn man die Vertheilung der Farben in Newton's Farbenkreise nach Belieben geändert hätte. Ich selbst habe das genannte Ergebniss meiner damaligen Untersuchungen als höchst auffallend bezeichnet, vermied es aber die Schlüsse, welche sich daran zu knüpfen

1) Pogg. Ann. Bd. 87, S. 45.

und Physiol. 1852, S. 461.

2) Pogg. Ann. Bd. 89, S. 69.

J. Müller's Archiv für Anat,

schienen, weiter auszuführen, weil die sichere Bestimmung gerade der weissen oder weisslichen Farbentöne bei der Me2 thode, welche ich gebraucht hatte, grosse Schwierigkeiten darbot. Ich hob im Gegentheil hervor, dass zu einer sichereren Bestimmung der weissgebenden Strahlen namentlich dem Felde der zusammengesetzten Farben eine grössere Flächenausdehnung gegeben werden müsse. Uebrigens hielt ich es nach meinen damaligen Versuchen für wahrscheinlich, dass eine bessere Methode die Breite der weissgebenden Strahlen noch mehr beschränken würde, weil ich desto engere Grenzen für sie zu finden glaubte, je strenger ich in meinen Anforderungen an die Reinheit des Weiss war, und je mehr Uebung ich bekam schwach gefärbte weissliche Töne, als solche, zu erkennen.

Eine weitere Untersuchung über diesen Punkt, die ich nach einer anderen Methode angestellt habe, hat mich nun gelehrt, dass jene letzte Voraussetzung falsch war, und dass ich hauptsächlich durch eigenthümliche physiologische Verhältnisse des menschlichen Auges bei jener früheren Methode verhindert worden bin, die ausser Indigo und Gelb im Spectrum vorkommenden Complementärfarben als solche zu erkennen.

Die Methode, welche ich zu diesen neueren Untersuchungen in Anwendung gezogen habe, ist derjenigen ähnlich, welche Foucault) beschrieben hat. Sonnenlicht horizontal von dem Spiegel eines Heliostaten M Fig. 2, in ein verdunkeltes Zimmer reflectirt, fällt zunächst auf einen schwarzen Schirm S1 mit einem Spalte, welchen ich im Folgenden den ersten Schirm und den ersten Spalt nennen werde. Die durch den Spalt gegangenen Strahlen fallen in der Entfernung von etwa 10 Fuss auf ein Prisma P, welches am vorderen Ende eines Fernrohres angebracht ist. Zwischen Prisma und Objectivglas befindet sich ein rechteckig ausgeschnittenes Diaphragama D, um die neben dem Prisma vorbeigehenden Strahlen zurückzuhalten. Die Oculargläser des Fernrohres sind entfernt, und das von der Objectivlinse L1 nahe ihrem Brennpunkte entworfene und durch das Prisma in ein Spectrum verwandelte

1) Pogg. Annal. Bd. 88, S. 385. p. 232.

Moigno, Cosmos 1853, T. II,

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Bild des ersten Spaltes wird hier auf einem zweiten Schirm S, 3 aufgefangen, der selbst wieder zwei Spalten hat. Die stärkeren Fraunhofer'schen Linien waren in diesem Spectrum sichtbar.

Die Construction des zweiten Schirmes muss ich genauer beschreiben. Er ist in Fig. 1 abgebildet. Seine zwei Spalten sollten dazu dienen, dem Lichte von zwei beliebig gewählten Farbenstreifen des Spectrum den Durchgang zu gestatten. Sie mussten zu dem Zwecke in jede beliebige Entfernung von einander gebracht und jeder für sich beliebig erweitert und verengert werden können, um die Menge des durchgehenden Lichtes zu reguliren. Der Schirm besteht in einer viereckigen Messingplatte AABB, die bei C durch einen cylindrischen Stab getragen wird. Dieser Stab verschiebt sich in einer gespaltenen cylindrischen Hülse D, die in der Mitte eines mit drei Stellschrauben versehenen Brettes befestigt ist. Der Schirm kann also mit seinem Träger C auf und nieder geschoben, und in jeder Höhe mittels des gespaltenen und mit einer Schraube versehenen Ringes E festgestellt werden.

Auf der Messingplatte AABB sind zunächst in schräger Richtung zwei Schlitten beweglich, deren Grundlagen die Messingplatten aa und aa sind. Mit bb, ßß, c und c sind die Schienen bezeichnet, zwischen denen sich die Platten verschieben. Die beweglichen Platten werden durch die Schrauben d und verstellt. Die Mütter dieser Schrauben sind in die an der grossen Platte befestigten Messingklötze e und eingeschnitten, ihre Enden sind drehbar in den Klötzen g und * befestigt, welche mit den beweglichen Platten aa und aa fest verbunden sind. Durch Drehung der Schrauben d und & verschiebt man also die beweglichen Platten parallel den Schienen, zwischen denen sie als Schlitten gehen.

Auf der beweglichen Platte aa ist nun wieder als Schlitten beweglich die Platte f zwischen horizontalen Schienen angebracht, und durch die Schraube m zu verstellen; ebenso auf der Platte an die Platte durch die Schraube μ zu ver- 4 stellen. Zwischen den einander zugekehrten Rändern der Platten f und liegen noch die beiden dreieckigen ebenso dicken Platten 7 und 2, jene mit der Platte aa, letztere mit aa

fest verbunden. Die einander zugekehrten Ränder von ƒ und 7, sowie die von und 2 sind zugeschärft, und möglichst genau geradlinig und parallel gearbeitet. Zwischen ihnen bleiben die beiden Spalten, welche das Licht durchlassen sollen. Die vorderen Flächen von f, 1, λ und sind matt versilbert, um. das Spectrum deutlich darauf projiciren zu können. Die grosse Messingplatte AA hat natürlich in ihrer Mitte einen Ausschnitt um das Licht, welches die beiden Spalten passirt hat, hindurch zu lassen.

Der Ort, wo das Spectrum entworfen wird, ist durch das helle kleine Rechteck in der Mitte der Figur angedeutet. Verschiebt man nun mittels der Schrauben d und & die Schlitten aa und aa, so treten andere Farbentöne des Spectrum durch die Spalten. Durch die Schrauben m und μ kann man dagegen die Breite der Spalten, also auch die Menge des durchgelassenen Lichtes beliebig regeln.

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Das durch die Spalten getretene Licht trifft nun auf der Rückseite des Schirms zunächst eine zweite achromatische Linse L2 von kürzerer Brennweite als das Objectivglas des Fernrohres. Diese entwirft vermittelst der beiden durch den Schirm gegangenen Antheile einfachen farbigen Lichtes auf einem weissen Papierblatte B ein Bild von der Oeffnung des Diaphragma D, welches sich zwischen dem Prisma und der ersten Linse befindet. Dies Bild erscheint als ein gleichmässig gefärbtes Rechteck, welches, wenn nur durch einen Spalt Licht geht, in der Farbe dieses einfachen Lichtes, wenn durch beide, in der aus den beiden einfachen zusammengesetzten Farbe erscheint. Um das Bild scharf und, worauf hier alles ankommt, gleichmässig gefärbt zu erhalten, muss man verschiedene Vorsichtsmaassregeln beobachten. Die Entfernung des ersten Spaltes von der ersten Linse muss möglichst gross sein, damit das Bild der Lichtquelle, der Sonne, auch nahehin in die Ebene des Doppelspaltes falle und dadurch die Diffraction des Lichtes durch die engen Spalten vermieden werde. Das Prisma und die erste Objectivlinse müssen frei von allen Unreinigkeiten sein. Bei einzelnen Zusammensetzungen von Farben sind auch die Newton'schen Ringe sehr störend, welche in der dünnen Luftschicht zwischen dem Crown- und Flintglase der ersten

achromatischen Linse entstehen und in dem Farbenfelde mit abgebildet werden. Weil wir es hier mit zwei Bündeln homogener Lichtstrahlen zu thun haben, treten diese Ringe selbst an verhältnissmässig dicken Luftschichten noch auf. Selbst ein Ring von Stanniol, den ich zwischen die beiden Linsen gelegt hatte, um sie von einander zu entfernen, beseitigte die Ringe nicht ganz. Am besten ist es, Balsam zwischen die Linsen zu bringen. Endlich müssen die beiden Spalte noch den Fraunhofer'schen Linien des Spectrum parallel gestellt werden, was durch die Stellschrauben am Fusse des Schirmes zu erreichen ist. und die Ebene des Doppelspaltes muss genau am Orte des von der Linse entworfenen Bildes des ersten Spaltes sich befinden. Ist letztere Bedingung nicht erfüllt, so bekommt das farbige Rechteck an verschiedenen Seiten verschiedene Farbentöne.

Hat man eine Farbenmischung gefunden, welche man für Weiss hält, so ist es rathsam noch von einer andern Stelle des Zimmers her weisses Himmelslicht eindringen und auf weisses Papier fallen zu lassen, um dessen Farbe mit der Mischfarbe zu vergleichen. Man darf auch nicht zu anhaltend auf die Mischfarbe hinsehen, nicht andere glänzende Farben daneben haben, wie ich schon in meinem früheren Aufsatze erwähnt habe.

Den weiteren Auseinandersetzungen schicke ich noch einige Bestimmungen über den Gebrauch der verschiedenen Namen von Farben voraus, um Zweideutigkeiten in dieser Beziehung zu vermeiden.

Violett, nach der Wortbedeutung Farbe der Veilchen (viola), gebrauche ich für die Uebergangsstufe des Blau in 6 Roth, in welcher ersteres überwiegt. Im Spectrum entspricht diesem Farbenton das brechbarere Ende zwischen der Linie Gund H oder 7 (nach Stokes). Ich unterscheide es von Purpur, mit dem es im gewöhnlichen Sprachgebrauche zuweilen verwechselt wird, und welche Benennung auch von einigen. Autoren geradezu für das brechbarere Ende des Spectrum gebraucht wird, indem ich den Namen des Purpurs nur für die röthlicheren Töne, also die Uebergangsfarben zwischen dem Violett und dem Roth der Enden des Spectrum gebrauchen.

Helmholtz, wissensch. Abhandlungen. II.

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