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violette Ende dieses unreinen Spectrum gestellt wurde, so dass ausser zerstreutem weissen Lichte die farbigen Endstrahlen des Spectrum in möglichst grosser Lichtstärke hindurchfielen. Etwa 10 Fuss von diesem Schirme entfernt stand ein zweites Prisma mit einem Fernrohre, durch welches das Spectrum des Spaltes betrachtet wurde. Die gewöhnlich sichtbaren Theile dieses Spectrum hatten dann nur geringe Lichtintensität; an seinem einen Ende erschien dagegen ein elliptischer hellerer Fleck (ein verzogenes Bild der Sonnenscheibe), der die gewöhnlich wegen ihrer Lichtschwäche nicht gesehenen äussersten Strahlen in verhältnissmässig grosser Lichtstärke und Reinheit zeigte. Am rothen Ende sieht man nicht viel 12 jenseits der Linie A. Bei geringer Lichtstärke erscheint im ganzen rothen Raume von A bis etwa C eine Farbe, welche der des Zinnobers ähnlich ist, und mit welcher verglichen die des gepulverten Carmins schon entschieden purpurn erscheint. Bei grösserer Lichtintensität, wie sie bei B erreicht werden kann, nähert sich die Farbe mehr dem Orange, während das Roth in der Nähe von C, welches bei schwachem Lichte ganz denselben Farbenton hat wie das der Gegend von A, sich bis zu blendender Stärke steigern lässt und dann gelb erscheint.

Das violette Ende des Spectrum verlängert sich bei Anwendung derselben Methode sehr bedeutend, und eine genaue Vergleichung der Liniengruppen mit denen eines auf Chininlösung entworfenen Spectrum, und denen der von Stokes gegebenen Zeichnung) hat mich gelehrt, dass das menschliche Auge alle die brechbareren Strahlen dieser Gegend noch sehen konnte, welche fähig waren durch die angewendeten Glasmassen hindurch zu gehen. Die äussersten Streifen, welche ich direct sehen konnte, und welche auch auf Chininlösung projicirt die letzten sichtbaren waren, sind die ersten beiden blässeren Streifen, welche Stokes in seiner Zeichnung unter der Gruppe p angemerkt hat. Um die Gruppe p überhaupt zu sehen, fordert Stokes eine sorgfältige Anordnung des Apparates und klaren Sonnenschein, und nennt das Licht dieser Gegend sehr

1) Phil. Transact. 1852. II. Taf. XXV. Fig. 1. (Pogg. Ann. Ergsbd. IV, Taf. I. Fig. 1.)

schwach. Da die Lichtstrahlen meines Apparates durch zwei Prismen, zwei Objectiv- und zwei Ocularlinsen gehen mussten, darf es nicht auffallen, dass die äussersten Strahlen von Stokes Zeichnung fehlten, sowohl für die Chininlösung als für das Auge. Für diese Lösung war der Weg durch das Glas sogar noch um die Dicke der beiden Ocularlinsen, die weggelassen waren, kürzer. Die von Stokes mit 1, m und n bezeichneten Gruppen kann man aber nach dieser Methode sehr leicht in viel reicherem Detail darstellen, als es auf Chininlösungen ge13 schieht und in der Zeichnung von Stokes abgebildet ist. Ich werde im Folgenden diese brechbarsten Strahlen die übervioletten Strahlen nennen, da der Name der unsichtbaren Strahlen nicht mehr recht passt, obgleich allerdings zugegeben werden muss, dass das Auge von ihnen verhältnissmässig sehr wenig afficirt wird. Ihre objective Intensität ist offenbar nicht so gering, wie sich bei ihrer Wirkung auf fluorescirende Substanzen erweist. Wenn wir ein Spectrum auf gewöhnlichem weissen Papier entwerfen, sehen wir von diesen übervioletten Strahlen nichts, weil sie von dem diffusen gewöhnlichen Lichte überstrahlt werden. Entwerfen wir das Spectrum dagegen auf Papier, welches mit Chininlösung durchtränkt ist, so kehrt an ihrer Stelle von den betreffenden Stellen des Spectrum das weniger brechbare Licht des fluorescirenden Chinin zurück, und obgleich die lebendige Kraft der Lichtschwingungen durch den Process der Fluorescenz gewiss nicht vermehrt wird, afficirt das durch sie erzeugte Licht von längerer Schwingungsdauer die Netzhaut lebhaft genug, um gesehen zu werden.

Was nun die Farbe des brechbarsten Endes des Spectrum betrifft, so ist zunächst zu bemerken, dass dieses unter allen seinen Theilen am schnellsten den Farbenton mit der Lichtintensität wechselt, und man muss hier Farben verschiedener Stellen, die man vergleichen will, nur bei nahe gleicher Lichtintensität beider vergleichen. Dazu giebt die beschriebene Methode eine gute Gelegenheit, da die violetten Strahlen nur dem in den Spalt dringenden diffusen Lichte, die übervioletten directem Sonnenlichte angehören, und sich daher in beiden Partien immer Stellen von gleicher Lichtstärke auffinden lassen.

Bei geringer Lichtstärke hat der Raum zwischen den Linien Gund H eine ziemlich gleichmässige violette Färbung, die sich auch noch auf die Gegend von Stokes' Gruppe ausdehnt. Je lichtschwächer das Violett wird, desto mehr bekommt es einen Anflug von Rosa. Steigert sich die Lichtintensität, so wird der Farbenton dem Blau ähnlicher und entfernt sich 14 immer mehr vom Purpur; er geht dann in ein weissliches Graublau über. Die übervioletten Strahlen jenseits der Gruppe 7 setzen die Farbenreihe keineswegs nach dem Purpur hin fort, sondern sind wieder indigblau bei geringer Lichtstärke, weissblau, wo es gelingt sie in grösserer Lichtstärke zu sehen. Ich habe das überviolette Licht mehreren anderen Personen gezeigt, um nicht durch eine Eigenthümlichkeit meines Auges getäuscht zu werden, und alle bezeichneten die Farbe in der Weise, wie ich angegeben habe. Unter allen diesen brechbaren Farbentönen kommt also lichtschwaches Violett, etwa aus der Gegend der Linien H dem Purpur am nächsten; aber auch dieses ist durch einen weiten Zwischenraum in der Farbenreihe von dem äussersten Roth getrennt. Man kann in meinem Apparate durch Mischung von Violett und Roth eine sehr grosse Anzahl unterscheidbarer purpurner Farbentöne bilden, welche sich alle zwischen die Farben der beiden äussersten Enden des Spectrum einreihen lassen.

Da sich hier das erste Beispiel einer Umkehr in der Reihe der Farbentöne im Spectrum darzubieten scheint, möchte die Untersuchung des Spectrum von Quarzprismen, welche die brechbareren Strahlen nicht wie Glas absorbiren, für die Physiologie der Farbenempfindungen sehr wichtig sein. Leider habe ich bis jetzt solche Prismen noch nicht erhalten können.

Ich gehe jetzt über zur Beschreibung einer anderen Reihe von Versuchen, welche zum Zwecke haben das Verhältniss der Wellenlängen der complementaren Farben zu ermitteln. Zu dem Ende nahm ich von dem zur Mischung des Lichtes dienenden Apparate den weissen Schirm (B Fig. 2, Taf. I) fort, auf welchem das Farbenbild entworfen wird, nachdem ich ein möglichst gutes Weiss hergestellt hatte, und stellte in der Entfernung von etwa 6 Fuss hinter dem Schirme S, mit dem Doppelspalte ein Fernrohr F auf, vor dessen Objectivglase eine

Glasplatte mit feinen parallelen senkrechten Linien befestigt war. Durch diese sieht man neben den Spalten, durch welche 15 das Licht dringt, noch eine Reihe von Nebenspectra sich darstellen, deren scheinbare Entfernung von dem Spalte der Wellenlänge des betreffenden Lichtes proportional ist. Auf der hinteren Seite des Schirmes S, war eine Millimetertheilung in horizontaler Richtung angebracht. Es liess sich nun leicht bestimmen, mit welchen Punkten der Theilung die Mitte der Nebenspectra der verschiedenen farbigen Strahlen zusammenfiel. Die so gemessene Entfernung des ersten rechten vom ersten linken Nebenspectrum einer jeden Farbe war bei übrigens unveränderter Einrichtung des Apparates der Wellenlänge proportional zu setzen. Um nun die absoluten Werthe der Wellenlängen zu bekommen, maass ich auf dieselbe Weise die Entfernungen der Spectra für verschiedene Fraunhofer'sche Linien, und nahm für deren Wellenlängen die von Fraunhofer gefundenen Werthe, woraus ich dann die der von mir zu Weiss vereinigten Strahlen bestimmen konnte. Die relativen Verhältnisse der Wellenlängen der Fraunhofer'schen Linien stimmten gut mit den von Fraunhofer angegebenen überein; indessen wird die Genauigkeit der hier folgenden Angaben über die Wellenlängen complementärer Farben durch die Schwierigkeit sehr vermindert, die Reinheit des zusammengesetzten Weiss zu beurtheilen. Die Zahlen geben die Wellenlängen ausgedrückt durch Millionentheile eines Pariser Zolles.

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Im Violett mussten, seiner Lichtschwäche wegen, die

äussersten Strahlen von der Wellenlänge 1600 ab alle zu

sammengefasst werden. Zur Vergleichung setze ich die von Fraunhofer für die festen Linien des Spectrum angegebenen Werthe her:

B. 2541

C. 2425

D. 2175

E. 1943

F. 1789

G. 1585

H. 1451.

Nach den gefundenen Zahlen habe ich die Curve Taf. I Fig. 3 construirt, welche die Wellenlänge einer Farbe als Function der Wellenlänge ihrer Complementarfarbe ausdrückt. Es sind auf der horizontalen und verticalen Abscissenaxe die Wellenlängen der Farben aufgetragen, sodass der Punkt A der Wellenlänge 1500 entspricht. Die Curve hat zwei congruente Arme ao Boro und a, B171, deren jeder mit beiden Enden asymptotisch in eine den Abscissenaxen parallele gerade Linie auszulaufen scheint. Die Kreuzchen auf und neben den Curven entsprechen genau den einzelnen Beobachtungen. Die Curve habe ich zwischen ihnen so gezeichnet, dass sie ihnen möglichst nahe blieb und eine continuirliche Krümmung bekam.

Auffallend ist die Vertheilung der complementaren Farben im Spectrum. Während das äusserste Roth und Goldgelb einen beträchtlichen Raum zwischen sich haben, liegen ihre Complemente grünliches Blau und Cyanblau ganz dicht nebeneinander. Ebenso nehmen das äusserste Violett und Indigo einen sehr breiten Raum im Spectrum ein, während ihre Complemente grünliches Gelb und Gelb äusserst schmale Streifen sind. Auch die Betrachtung der Curven für die Wellenlängen der complementaren Farben lehrt dies. Wenn man auf der horizontalen Abscissenlinie vom Violett zum Roth fortschreitet, ändert sich die Wellenlänge der Complementarfarbe anfangs äusserst langsam; wenn man zu den helleren und grünlich blauen Tönen gekommen ist, dagegen äusserst schnell. Das letztere ist ebenso im Gelb der Fall, während am rothen Ende die Aenderung wieder äusserst langsam wird. Damit 17 hängt zusammen, dass sich in dem breiten Raume vom Ende

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