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einen schnelleren, und durch einfachere Schlussfolgen zu erfassenden Ueberblick über den Verlauf der Zuckung gewährt, so halte ich es für geeignet, eine kurze Angabe ihrer Resultate hier herzusetzen, obgleich dieselben nur auf eine verhältnissmässig geringere Genauigkeit Anspruch machen können als die der zweiten.

An den ausgeschnittenen Wadenmuskel eines Frosches wurde vermittelst einiger festen Zwischenstücke ein Gewicht gehängt. Eines dieser Stücke war ein gut polirtes gerades Stahlstäbchen, welches durch zwei vertical übereinander befindliche Oeffnungen zweier Metallplättchen ging, in denen es keine beträchtliche Reibung erlitt, aber doch verhindert wurde, Seitenschwankungen zu machen. Das Stäbchen trug an einem Querarm eine feine Stahlspitze, die entweder auf einer horizontal fortbewegten, leicht angerussten Glasplatte, oder auf einer rotirenden Cylinderfläche zeichnete. Die Bewegung wurde durch ein sinkendes Gewicht hervorgebracht, und war vielleicht keine streng gleichmässige, sondern eine 281 leicht beschleunigte; jedenfalls war aber die Beschleunigung derselben innerhalb der hier in Betracht kommenden Zeiträume von 10 bis 1/3 Secunde zu gering, um die Zeichnungen wesentlich zu entstellen. Der zuckende Muskel zeichnete auf diese Weise Curven, deren horizontale Abscissen der Zeit proportional, deren verticale Ordinaten der Erhebung des Gewichtes gleich waren. Diese Curven hatten im allgemeinen die Gestalt der in Taf. V Fig. 3 dargestellten, welche mit Hülfe des Mikroskopes nach einer der auf dem berussten Glasplättchen gezeichneten Linien copirt ist. AB ist die Horizontallinie, welche gezeichnet worden wäre, wenn man den Muskel nicht gereizt hätte. An ihr und an der Curve sind durch verticale Striche die Endpunkte von Abscissen angegeben, deren Abstände einer gleichen Zeitdifferenz im Werthe von 0,03 bis 0,04 Secunde entsprechen; die verticalen Erhebungen sind 62 mal vergrössert. Den Muskel reizte ein durch ihn hingeleiteter, einzelner Oeffnungsschlag meines im Archiv, 1845, S. 154 (oben S. 754) beschriebenen Neef'schen Elektromotors, ebenso wie dort durch Einfügung grosser Leitungswiderstände in den Kreis des inducirten Stromes geschwächt.

Da der Apparat, wenn die Feder spielte, in der Secunde 300 solche Oeffnungsschläge und 300 entgegengesetzt gerichtete Schliessungsschläge geben konnte, die Dauer der letzteren aber beträchtlich grösser ist, als die der ersteren, so musste die Dauer eines jeden einzelnen Oeffnungsschlages viel kleiner sein als 100 Secunde. Ich betrachte also den reizenden Strom im Vergleich zu den Zeiträumen, welche bei der Muskelzuckung in Betracht kommen, als momentan.

Die Curve giebt die Höhen an, bis zu welchen das Gewicht in den durch die Abscisse gemessenen Zeiträumen erhoben war. Diese Höhen sind nicht identisch mit denen, in welchen das Gleichgewicht zwischen der Schwere des Gewichtes und der augenblicklichen Muskelspannung stattfindet. Wir wollen diese letzteren ,,Höhen des Gleichgewichtes" nennen. Die Trägheit des Gewichtes verhindert, dass das- 282 selbe unter dem Einflusse der darauf wirkenden Kräfte sogleich seine Gleichgewichtslage einnehme; deshalb muss sich nothwendig die Curve der Erhebungshöhen von der der Höhen des Gleichgewichtes mehr oder weniger unterscheiden. Gleich der erste Blick lehrt, dass das Endstück der gezeichneten Curve aus Schwankungen um eine veränderliche Gleichgewichtslage besteht. Ein Gewicht, welches, an einem elastischen Faden von starker elastischer Nachwirkung schwebend, in verticale Schwankungen gesetzt wäre, würde ganz ähnliche Wellenlinien zeichnen. Aber auch das Anfangsstück der Curve besteht aus abwechselnd concaven und convexen Stellen, die sich allerdings nicht als so regelmässige Wellen zeichnen wie jene. Eine jede nach oben concave Stelle der Curve bezeichnet aber im ansteigenden Theile derselben eine Ansteigung mit beschleunigter, im absteigenden eine Absteigung mit abnehmender Geschwindigkeit. Beide Arten der Bewegung können nur dadurch entstanden sein, dass während derselben die Resultante der wirkenden Kräfte nach oben gerichtet war. Eine jede nach oben convexe Stelle bezeichnet dagegen im ansteigenden Theile eine Ansteigung mit abnehmender, im absteigenden eine Absteigung mit zunehmender Geschwindigkeit, und lässt auf eine nach unten gerichtete Kraft schliessen. In den concaven Stellen war also die Helmholtz, wissensch. Abhandlungen. II.

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Spannung des Muskels grösser, in den convexen kleiner als die Schwere des Gewichtes; in jenen muss also die Curve der Gleichgewichtshöhen höher liegen als die gezeichnete Curve, in letzteren tiefer. An denjenigen Punkten aber, wo concave in convexe Stellen übergehen, müssen sich beide Curven schneiden und die Erhebungshöhen den Höhen des Gleichgewichtes gleich sein. Wir lernen auf diese Weise für eine Reihe von Zeitpunkten die Höhen des Gleichgewichtes kennen; sie sind in der Figur durch verticale, punktirte Linien bei a, b, c u. s. w. angegeben. Auch diese Höhen steigen anfangs und sinken dann allmählig nieder. Wir ent283 nehmen daraus die bisher unbekannte Thatsache, dass auch in den animalischen Muskeln, wie es in den organischen nur in sehr viel längeren Zeiträumen der Fall ist, die Energie des Muskels nicht im Augenblicke einer instantanen Reizung sich vollständig entwickelt, sondern grösstentheils erst nachdem diese schon aufgehört hat, allmählig ansteigt, ein Maximum erreicht und wieder verschwindet. Bisher haben wir den Einfluss der Reibung auf die Form der gezeichneten Curve vernachlässigt. Eine solche findet theils im Innern des Muskels, theils zwischen Theilen des Apparates statt. Die Reibung wirkt immer in dem Sinne, dass sie die gerade stattfindende Bewegung verlangsamt, also in den ansteigenden Theilen der Curve so, wie es eine nach unten, in den absteigenden, wie es eine nach oben gerichtete Kraft thun würde, und zwar desto stärker, je grösser die Geschwindigkeit der Bewegung. Aus den regelmässigen Wellenlinien am Ende der Curve erfahren wir, dass die Reibung zu gering war, um die allgemeine Form der Bewegung daselbst merklich zu verändern, und können danach wohl das Gleiche für die übrigen Stellen vermuthen. Ich will aber ausserdem, um unser Hauptresultat zu sichern, den streng zu führenden Beweis hierher setzen, dass die Energie des Muskels, während das Stück be gezeichnet wurde, grösser gewesen sein muss als beim Punkte b selbst. Das Stück be ist nach oben concav, die Geschwindigkeit während desselben ist also eine beschleunigte gewesen, folglich in allen seinen Punkten grösser als die in b, ebenso die mit der Geschwindigkeit steigende

und sinkende Reibung. In b, der Uebergangsstelle zwischen einem concaven und convexen Theile muss nach dem oben Gesagten die Spannung des Muskels gleich der Summe der Schwere des Gewichtes und der Kraft der Reibung gewesen sein, in den anderen concaven Theilen von be aber grösser als die Summe derselben Schwere, und der wegen vermehrter Geschwindigkeit ebenfalls vermehrten Reibung. Demnach ist die Spannung des Muskels trotz seiner zunehmenden Verkürzung in b kleiner gewesen als in den übrigen Theilen 284 von be; daraus folgt, dass auch seine Energie von b aus gestiegen ist.

Wird die Reibung bei solchen zeichnenden Versuchen beträchtlicher, so verwischt sich der Wechsel von convexen und concaven Stellen immer mehr. Deshalb ist in den übrigens sehr zarten und genauen Curven, welche ich durch die zeichnende Spitze im Glimmerblättchen einritzen liess, die Concavität be fast in eine gerade Linie verwandelt, und von den Oscillationen des Endstückes ist meistens nur noch eine einzige sichtbar. Unter allen zum Zeichnen von mir angewendeten Materialien giebt angerusstes Glas die geringste Reibung; die, welche bei dieser Art des Zeichnens noch stattfindet, scheint hauptsächlich dem Muskel selbst, weniger den Theilen des Apparates anzugehören, und möchte sich deshalb kaum noch wesentlich verändern lassen. Da nun dadurch selbst bei möglichst vollkommener Einrichtung des Apparates eine grössere Genauigkeit der Messungen vereitelt wird, habe ich den bisher verfolgten Weg verlassen und die gewonnenen Resultate benutzt, mir einen anderen zu bahnen, auf welchem wir sie durch genauere Messungen bestätigt finden werden.

§ 2.

1. Die Anwendung der Methode von Pouillet für die

Muskelzuckung.

Die Grundlage der Methode von Pouillet zur Messung kleiner Zeiträume besteht darin, dass die Zeit, während welcher ein galvanischer Strom von bekannter Intensität von einem

Drahtgewinde aus auf einen Magnet gewirkt hat, genau aus dessen veränderter Bewegung berechnet werden kann. Es ist bis jetzt noch keine Grenze der Kleinheit von Zeittheilen ab285 zusehen, deren Messung auf diese Weise nicht möglich werden sollte, da man die Intensität des wirkenden Stromes und die Grösse seiner Wirkung auf den Magnet durch Vermehrung der elektromotorischen Elemente und der Windungen des Drahtgewindes beliebig steigern kann. Eine andere Beschränkung trifft aber den Gebrauch dieses Verfahrens. Man muss es nämlich zu bewirken wissen, dass Anfang und Ende des gedachten Stromes, welchen wir fortan den zeitmessenden nennen wollen, genau mit dem Anfang und Ende des mechanischen Vorganges zusammenfallen, dessen Dauer gemessen werden soll. In den zu beschreibenden Versuchen fing der zeitmessende Strom in dem Augenblicke an, wo ein instantaner elektrischer Schlag durch den Muskel oder seinen Nerven ging, und endigte dadurch, dass die Leitung, in welcher er kreiste, durch die Zusammenziehung des Muskels unterbrochen wurde. Gleichzeitig konnte aber die Spannung genau bestimmt werden, welche der Muskel erreichen musste, um die stromleitenden Metalle voneinander trennen zu können. Die zu berechnende Dauer des zeitmessenden Stromes ist also identisch mit der Zeit, welche zwischen der Reizung des Muskels oder seines Nerven und dem Augenblicke verfliesst, in welchem seine Spannung eine bestimmte Grösse erreicht hat. Durch eine Reihe solcher Messungen, bei denen man den Muskel verschieden grosse, entgegenstehende Kräfte überwinden lässt, erfährt man, in welchen Zeiträumen sich nacheinander die verschiedenen Grade der Energie desselben entwickeln.

Die von mir gebrauchten Vorrichtungen zerfallen in folgende wesentliche Theile:

1) diejenigen, welche zur Erregung, Leitung und zur Messung der Wirkung des zeitmessenden Stromes dienen;

2) diejenigen, welche einen zweiten Strom erregen und leiten, dessen Bestimmung es ist, den Muskel oder seinen Nerven zu reizen;

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