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Eisblumen und Tannenbäume. Nach Faraday1) bilden wässerige Lösungen von Farbstoffen, Salzen, Säuren und Alkalien beim Abkühlen reines farbloses Eis, frei von Salzen, Säuren oder Alkalien.

Rüdorff') fand, daß aus einer Salzlösung reines Eis gefriert, daß der geringe Salzgehalt desselben nur von eingeschlossener Mutterlauge herrührt und daß der Gefrierpunkt einer Salzlösung proportional mit dem Salzgehalt sinkt.

Die Versuche von F. Kohlrausch3) über das elektrische Leitungsvermögen des geschmolzenen Eises bestätigen dies ebenfalls.

Manche konzentrierte Salzlösungen werden bei niedriger Temperatur von ölartiger Beschaffenheit und diese lassen sich, selbst wenn ein Stückchen Eis in ihnen schwimmt, unter ihren Gefrierpunkt abkühlen, während sich fortwährend Eisflocken aus demselben ausscheiden. Hat die Bildung dieser aber bis zu einem gewissen Grade zugenommen, so steigt die Temperatur plötzlich.*)

Zwei Eisstücke von 0° unter Wasser ohne Druck oder mit sehr geringem Druck in Berührung gebracht, frieren nach Faraday) zusammen. Trockene Eisstücke, oder so kalte. Eisstücke, daß sie überall in starrem Zustande sind, frieren nicht zusammen. Das Zusammenfrieren der feuchten Eisstücke bei 0° nennt man Regelation. Eisstücke in warmem Wasser aneinander gehalten, frieren nach Tyndall) ebenfalls zu

sammen.

Faraday) schildert die Eisbildung im Wasser, das in einem See allmählich friert, folgendermaßen. Die Wasseroberfläche ist mit Luft in Berührung, welche beträchtlich

1) M. Faraday, Experimental Researches in Chemistry and Physics. p. 82 u. 373. 1859.

2) F. Rüdorff, Pogg. Ann. 114. p. 66. 1861; 145. p. 600. 1872. Berl. Monatsb. 1862. p. 163.

3) F. Kohlrausch, Wied. Ann. 53. p. 212. 1894.

4) F. Rüdorff, Pogg. Ann. 140. p. 424. 1870.

5) M. Faraday, Proc. Roy. Soc. 10. p. 430. 1860; Pogg. Ann. 111. p. 649. 1860.

6) J. Tyndall, Heat considered as a mode of motion p. 191. London 8°. 1865.

7) M. Faraday, Experim. Res. 4. p. 374; Phil. Transact. 1858. p. 228.

unter 0° abgekühlt ist. Dann liegen horizontale Schichten von 0, 1, 2-4° übereinander, mit nach unten zunehmender Dichtigkeit. Nimmt die Temperatur allmählich weiter ab, so friert das reine Wasser von oben nach unten, und die Schichten werden dadurch nicht verschoben.

Enthält das Wasser Spuren einer Salzlösung, so wird das Salz unter der zuerst gebildeten Decke von reinem Eis in einer horizontalen Schicht ausgeschieden, als Salzlösung von größerer Dichtigkeit mit dem Bestreben in der wärmeren tiefer gelegenen Schicht unterzusinken. Bei weiterer Abkühlung durch das darüber gelegene Eis wird diese Salzlösung, unter 0° abgekühlt, ebenfalls gefrieren und sich beim Gefrieren ausdehnen, wie reines Wasser. Die salzhaltigere Wasserschicht unmittelbar unter der Eisdecke wird nicht in die darunter gelegene weniger salzhaltige Wasserschicht untersinken, sobald die vom Salzgehalt herrührende Dichtigkeitszunahme kleiner ist, als die von der Temperaturabnahme bedingte Dichtigkeitsabnahme. Die Schichten mit frierendem Eis und die Schicht von 4° werden mehr aneinander rücken und der Abstand dieser Schichten wird kleiner werden, aber die Wasserteilchen werden ihre respektive Lage behalten.

Der Prozeß des Frierens geht nach Faraday auch nicht kontinuierlich vor sich, sondern in intermittierenden Pulsationen (oder periodisch, wie beim Eintrocknen kolloidaler Lösungen. Q.). Sobald sich eine Eisschicht gebildet hat, wird der Prozeß des Frierens stocken, bis die beim Erstarren entwickelte Wärme nach oben abgeleitet ist. Es kann sich eine schwache Salzlösung über einer darunter gefrorenen Eisschicht bilden, welche die Zwischenräume zwischen den festen Eisschichten füllt und bei weiterem Abkühlen auch erstarrt. So entstehen salzhaltige Eisschichten, die bei niedrigerer Temperatur schmelzen, als das darüber und darunter gelagerte reine Eis.

Beim Wiederauftauen durch Bestrahlung mit Sonnenlicht oder elektrischem Licht bilden diese salzhaltigen Wasserschichten die von Tyndall) am norwegischen Seeeis beschriebenen Tannenbäume und Eisblumen, Sterne mit sechs

1) J. Tyndall, Phil. Trans. 1858. p. 213; Heat London 1865. p. 111.

Fig. 33.

Blumenblättern und einer runden Blase, einem luftleeren Raum in der Mitte. Diese um eine Luftblase angeordneten Blumenblätter im Innern des Gletschereises hat schon Agassiz1) beobachtet und als eine Erscheinung der Diathermansie gedeutet. Die Diathermansie des Eises hat Moseley2) nachgewiesen durch Entzündung eines Streichholzes im Brennpunkt einer Eislinse, auf welche Sonnenstrahlen fielen. Klocke3) und Hagenbach') beobachteten als Schmelzungsfiguren auch kreisrunde parallel gestellte Wasserscheibchen in Gletscherkörnern.

Schon Faraday hat darauf aufmerksam gemacht, daß sehr geringe Mengen Salz, die durch chemische Analyse oder auf andere Weise nicht nachzuweisen sind, diese Erscheinungen hervorrufen können.

Die Formen der Tyndallschen Eisblumen beweisen die Oberflächenspannung an der Grenze von den dünnen unsichtbaren Schichten Salzlösung und dem umgebenden reinen Wasser.

Die Formen der Tyndallschen Sterne oder Tannenbäume mit Astwinkeln von 120° oder 90° entsprechen ganz den Formen der Kristallskelette oder Tannenbäume, welche man man beim Kristallisieren wässeriger Salzlösungen beobachtet, und deren Bildung von mir 5) durch die Oberflächenspannung an der Grenze von ölartiger wasserarmer Salzlösung A und wasserreicher Salzlösung B erklärt worden ist, je nachdem sich die neuen noch flüssigen Ölwände der Seitenäste oder Tannennadeln an alte noch flüssige, oder an alte schon erstarrte Wände angesetzt haben.

Die Faraday sche Erklärung der Eisblumen durch periodisch abgeschiedene wässerige Salzlösung entspricht meiner Erklärung der Bildung von Kugeln, Blasen und Sphärokristallen (Stärkekörnern) in Kolloidlösungen, welche in dünnen Schichten auf Glas oder Quecksilber eintrocknen, durch periodische Abscheidung von ölartiger wasserarmer Kolloidlösung A

1) L. Agassiz, Ann. d. chim. (3) 6. p. 473. 1842.
2) H. Moseley, Phil. Mag. (4) 39. p. 8. 1870.

3) F. Klocke, N. Jahrb. f. Min. 1. p. 25. 1881.

4) E. Hagenbach, Rapports du Congrès international de physique 3. p. 411. Paris 1900.

5) G. Quincke, § 58 u. 60. Nr. 12; Ann. d. Phys. 9. p. 31 u. 42. 1902.

mit Oberflächenspannung an der Grenze mit wasserreicherer Kolloidlösung B.

Kieselsäurekörner und Sphärokristalle in flachen Tropfen von Kieselsäurelösung etc., welche auf Quecksilber eintrocknet 1), entstehen bei kontinuierlichem Verdampfen des Wassers ebenso in kurzen Zwischenräumen oder periodisch, wie die Tyndallschen Eisblumen im gefrierenden Seeeis, welche bei kontinuierlich von oben nach unten fortschreitender Abkühlung durch periodische Abscheidung von Salzlösung entstanden sind und beim Auftauen früher schmelzen als das sie umgebende reine Eis. Beide zeigen ähnliche Formen, die bei beiden durch die Oberflächenspannung der periodisch abgeschiedenen ölartigen Flüssigkeit bestimmt werden. Die Sphärokristalle werden deutlicher sichtbar zwischen gekreuzten Nicolschen Prismen als doppeltbrechende Massen1) in einfach brechender Umgebung. Die Tyndallschen Eisblumen werden sichtbar beim Schmelzen der Salzlösung unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen als einfach brechende Flüssigkeit im Innern der doppeltbrechenden noch festen Eismassen.

Je weniger ölartige alkalihaltige Kieselsäurelösung oder ölartige Salzlösung vorhanden ist, um so weniger Schaumwände aus ölartiger Flüssigkeit werden gebildet, um so größer sind die Schaumkammern der Sphärokristalle oder der sternförmigen Eisblumen der Kieselsäurekörner oder des Gletschereises, dessen Gletscherkörner den Schaumkammern erstarrter Kolloide entsprechen.

Der Schmelzpunkt des Wassers wird nach SchultzSellack) durch Auflösung von Luft in ähnlicher Weise erniedrigt, wie durch Auflösen von Salzen. Es scheidet sich also bei langsamem Gefrieren von luft- und salzhaltigem Brunnenwasser nicht bloß Salzlösung, sondern auch Luft periodisch ab. Die Luft scheidet sich zuerst, wie gewöhnlich, an der Grenze der heterogenen Flüssigkeiten aus, hier also an der Grenze von wasserarmer Salzlösung A und wasserreicher Salzlösung B oder reinem Wasser, und steigt dann in

1) G. Quincke, Ann. d. Phys. 9. p. 824. Fig. 96, 97, 98. 1902; 13. p. 226. Fig. 186. 1904.

2) C. Schultz-Sellack, Pogg. Ann. 137. p. 254. 1869.

dem frierenden Wasser in kurzen Zwischenräumen als Blasen in die Höhe.

A. Künstliches Eis.

§ 172. Künstliches Eis aus Brunnenwasser und destilliertem Wasser. Schaumwände und Forelsche Streifen. Brunnenwasser wurde in hohen Blechtrögen aus Eisenblech von 110 x 20 x 10 cm, die sich nach unten etwas verjüngten, in abgekühlte Salzlake eingesetzt. Das Wasser entwickelte während des Gefrierens fortwährend Luftblasen, die in kleinen Zwischenräumen in die Höhe stiegen, und zeigte nach dem Gefrieren an der Oberfläche 20 Schichten klares Eis von 1 mm Dicke, welche voneinander durch 3 mm dicke Schichten von weißem, durch viele Luftblasen getrübtem Eise getrennt waren. Auf dem Hofe im Sonnenlicht und bei einer Lufttemperatur von 25° schmolzen an den Seitenflächen des Eisblocks die trüben Schichten eher, als die klaren Schichten. Die Oberfläche zeigte horizontale wellige Streifen, die ich mit dem Fingernagel fühlen konnte. Die klaren Eisschichten bildeten die vorstehenden Hügel, die trüben Schichten die tiefer liegenden Furchen.

Bei dem langsamen Gefrieren des salzhaltigen Brunnenwassers sind periodisch Schichten reinen Wassers und salzhaltigen Wassers gefroren.

Beim Gefrieren von reinem Eis aus salz- und lufthaltigem Wasser scheiden sich Salzlösung und Luftblasen gleichzeitig und periodisch ab. Die Luftblasen wie gewöhnlich an der Grenze zweier heterogener Flüssigkeiten, hier ölartiger Salzlösung und Wasser. Die Luftblasen steigen in die Höhe, reißen die klebrige Salzlösung mit und sammeln sich in horizontalen Schichten, analog den horizontalen Flockenschichten von Mastix, Kieselsäure etc. in trüben Lösungen (§ 9 u. § 31 Ann. d. Phys. 7. p. 73 u. 673. 1902), und frieren in dem Wasser in dieser Lage ein. Die durch Luftblasen getrübten salzhaltigen Eisschichten schmelzen im Sonnenlicht eher, als die klaren Schichten von reinem Eis, und bilden Furchen an der Oberfläche des Eisblocks. Ohne Sonnenlicht und im Zimmer entstehen viel kleinere Furchen als mit Sonnenlicht und in freier Luft.

Die sogenannten Forelschen Streifen und die wellen

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