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der kleinen südlichen Komponente der Coriolisschen Kraft herrührende, liegt aber doch ganz im Bereich der Beobachtungsfehler. 1) - Beim Foucaultschen Pendelversuch kann die Bewegungszeit des Körpers beliebig verlängert und daher auch die scheinbare Drehung des Körpers um die instantane Achse durch das Experiment festgestellt werden.

Mit vorliegenden Betrachtungen hängen noch andere Probleme eng zusammen, wie der Wurf nach oben, der Seitendruck der Eisenbahnzüge auf die Schienen u. a.

§ 28. Das in der Abhandlung Gesagte kann man kurz folgendermaßen zusammenfassen: Die allgemeine Theorie der relativen Bewegung führt die Erscheinungen auf gewisse fingierte Kräfte zurück. Bei dem Problem der Bewegung eines Körpers an der Oberfläche der rotierenden Erde erhält man in bezug auf ein mit der Erde sich drehendes Koordinatensystem die Bewegungsgesetze, wenn zu den wirklichen auf den Körper wirkenden Kräften noch die folgenden fingierten Kräfte hinzugefügt werden:

1. Die auf den Koordinatenanfang wirkende Kraft, die gleich der aus der Rotation der Erde um ihre Achse entspringenden Zentrifugalkraft ist und mit der Erdattraktion zusammen die auf den Körper wirkende Schwere bildet.

2. Eine bisher nicht beachtete besondere Zentrifugalkraft, die von der eben erwähnten vollständig zu trennen ist und aus einer scheinbaren Drehung des sich bewegenden Körpers um eine durch den Beobachtungsort parallel zur Erdachse gezogene Gerade entstanden gedacht werden kann. Diese Drehung ist unabhängig von irgend welchen äußeren Kräften und erfolgt mit der Winkelgeschwindigkeit der Erde, aber im umgekehrten Sinne der Erddrehung. Wird die Drehung auf die Vertikale des Beobachtungsortes bezogen, so erhalt man das zuerst von Foucault für die scheinbare Drehung der Schwingungsebene eines Pendels ausgesprochene Sinusgesetz.

1) Dasselbe gilt auch von dem in neuester Zeit von Edwin H. Hall (The Physical Review 17. p. 179 u. 245. 1903) für die südliche Abweichung angegebenen Wert von 0,050 ± 0,043 mm bei einer Fallhöhe von 23 m.

3. Die Coriolis sche Kraft, welche die östliche Abweichung eines frei fallenden und die westliche Abweichung eines aufwärts geworfenen Körpers erklärt, jedoch zur Deutung der von Foucault beobachteten Erscheinung, wie es bisher geschah, nicht benutzt werden kann, da bei Umkehr des Pendels diese fingierte Kraft nicht denselben, sondern den entgegengesetzten Richtungssinn annimmt.

Charlottenburg, Juli 1905.

(Eingegangen 28. Juli 1905.)

Nachtrag während der Korrektur. Die in § 19 aufgestellten Bewegungsgleichungen habe ich bereits früher (Bulletin de l'Acad. d. Sc. de Cracovie p. 472. 1904) unter der von vornherein eingeführten Vereinfachung entwickelt, daß die Komponenten der Schwere 0, 0, g sind. Diese Gleichungen wurden von Hrn. Rudzki (Ibid. p. 253. 1905) für ,,fehlerhaft" erklärt. Ich habe hierauf bereits in der ,,Physikalischen Zeitschrift" (6. p. 559. 1905) erwidert und darauf hingewiesen, daß seine eigentümlichen Betrachtungen zum Teil auf ein Mißverständnis meiner Arbeit, zum Teil auf eine auffällige Verwechselung der Begriffe der Ruhe und Bewegung hinauskommen.

4. Studien über Diffusionsvorgänge wässeriger Lösungen in Gelatine; 1)

von Peter Nell.

Inhalt: I. Einleitung. II. Versuche zur Bestimmung von Diffusionskonstanten. III. Einfluß der Gelatine auf die Diffusion wässeriger Lösungen. IV. Einfluß der Gelatine auf die Leitfähigkeit der Elektrolyte. V. Nachtrag.

I. Einleitung.

Die Literatur und die praktischen Arbeiten über das für die allgemeine Naturwissenschaft, besonders aber für die Tierund Pflanzenphysiologie so wichtige Kapitel der Diffusion sind heute kaum mehr zu überschauen. Aber der Mangel an übereinstimmenden Ergebnissen auf diesem experimentell schwierigen Gebiete regt stets zu neuen Versuchen an.

Eine der größten neueren Arbeiten dieser Art ist die im Jahre 1900 in der Phil. Transact. 2) erschienene Abhandlung der beiden Botaniker Brown und Escombe, betitelt: Static Diffusion of Gases and Liquids in relation to the Assimilation of Carbon and Translocation in Plants.

Obschon diese Arbeit zu botanischen Zwecken unternommen wurde, so ist ihr Inhalt doch auch für den Physiker von nicht zu unterschätzendem Interesse. Die Verfasser knüpften in ihrer Betrachtung an an die unverhältnismäßig großen Mengen Kohlensäure, die das Pflanzenblatt zu absorbieren und zu assimilieren vermag. Ihnen war es klar, daß sie nur dann zu einer befriedigenden Lösung ihrer physiologischen Fragen kämen, wenn sie vorher eingehend die Absorption und Diffusion der Kohlensäure studiert hätten. Eines der merkwürdigsten. Ergebnisse ihrer Untersuchungen war das, daß die Öffnungsfläche eines Blattes (Summe der Porenflächen) das Vielfache

1) Bonner Inaugural-Dissertation.

2) H. T. Brown u. F. Escombe, Phil. Transact. of the Royal Soc. of London 193 B. p. 223-292. 1900.

der Kohlensäure absorbieren kann, welche eine zusammenhängende Öffnungsfläche derselben Größe absorbiert. Die Verfasser ahmten daraufhin das natürliche Blatt dadurch nach, daß sie dünne, undurchlässige Metallscheiben mit gleichmäßig verteilten engen Öffnungen versahen. Um den Einfluß einer solchen Metallscheibe auf die Menge der absorbierten Kohlensäure zu zeigen, verfuhren sie also: Die Kohlensäure der Luft wurde von konzentrierter Natronlauge sozusagen vollständig absorbiert. Den Zugang der atmosphärischen Kohlensäure zu dieser Natronlauge bildete eine breite zylindrische Röhre, die durch die oben erwähnte Metallscheibe verschließbar war. Sie fanden alsdann, daß ein solches feindurchlochtes Blatt unter Umständen genau ebensoviel Kohlensäure absorbieren ließ, wenn die Summe der Lochfläche ca. 1 der ganzen Blattfläche betrug, wie wenn das Sieb überhaupt ausgeschaltet war, d. h die Lochfläche 1, betrug.

Nahmen die Verfasser verschiedene Metallblätter mit nur einer zirkularen Durchbohrung, so fanden sie, daß unter sonst gleichen Umständen die Menge des absorbierten bez. diffundierten Gases proportional war dem Durchmesser der Offnung, nicht aber proportional der Öffnungsfläche. Vorausgesetzt ist hierbei, daß die Öffnungsfläche klein, das Metallblatt sehr dünn und die gesamte Blattfläche relativ groß war.

Die Erklärung dieser merkwürdigen Verhältnisse unternahm J. Larmor. Er betrachtete zunächst eine Scheibe mit einer in der Mitte befindlichen konzentrischen Öffnung, deren Durchmesser 3-4 mal kleiner war als die Länge und Breite der ganzen Scheibe. Wenn die Luft oberhalb der Flüssigkeit vollkommen ruhig ist, wird ein konvergenter Strom Kohlensäure nach der Öffnung fließen. Hat sich der stationäre Zustand hergestellt, dann wird die Kohlensäure in gewissen Entfernungen. von der Offnung unendlich viele Flächen gleicher Dichte herstellen. Senkrecht zu diesen Flächen gleicher Dichte welche hier Schalen darstellen, die sich konzentrisch über dem Rande der Öffnung lagern - fließt der Absorptions- bez. Diffusions

strom.

Das mathematische Problem ist dasselbe, wie es vorkommt. bei einem elektrischen Felde in der Nähe eines Konduktors, der in einer nichtleitenden Oberfläche eingebettet ist, und

der dieselbe Form und Dimension hat wie die absorbierende Öffnung.

Die gebogenen Oberflächen oder Schalen des Gases gleicher Dichte sind tatsächlich genau analog den ebenso gebogenen Flächen gleichen Potentials oberhalb einer elektrisierten Scheibe, während die konvergenten Stromlinien analog sind den elektrischen Kraftlinien. Mit Hilfe dieser elektrischen Analogie (vgl. Clerk Maxwell, ,,Electricity and Magnetism") wird es uns plausibel gemacht, daß bei solch engen Öffnungen die Absorption bez. die Diffusion proportional ist dem Durchmesser der Öffnung. Eine Stütze findet diese Erklärung in der Analogie der durch zirkulare Öffnungen verdunstenden Flüssigkeit, die Stefan1) auch proportional fand dem Öffnungsdurchmesser. Die Formel, durch welche Stefan den Wert der Verdunstung an einer zirkularen Oberfläche einer Flüssigkeit ausdrückt, war

[blocks in formation]

Hier bedeuten: M die Menge der verdunstenden Flüssig. keit, k den Diffusionskoeffizienten des Dampfes, a den Radius der flüssigen Scheibe, P den Atmosphärendruck, p' die Dampftension an der Flüssigkeitsoberfläche, p" die Dampftension sehr weit von derselben entfernt.

Diese Formel ist identisch mit einer von Larmor gegebenen, die man anwenden kann auf den entsprechenden Prozeß der Kohlensäure bei vollständig absorbierender Oberfläche:

Q = 20.k.D,

wo die absorbierte Menge bedeutet, k den Diffusionskoeffizienten von Kohlensäure in Luft, o die Dichte der atmosphärischen Kohlensäure an einem von der Öffnung hinlänglich entfernten Punkte, D den Durchmesser der Öffnung.

Diese letzte Formel wurde abgeleitet unabhängig von der Stefan schen Entwickelung, nur als Parallele zu den entsprechenden, wesentlich identischen elektrischen Vorgängen.

1) J. Stefan, Sitzungsber. der k. Akad. der Wissensch. zu Wien 83. II. p. 613. 1881.

Annalen der Physik. IV. Folge. 18.

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