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Modifikation vorlag. Vielleicht liegt auch der Grund der Nichtübereinstimmung darin, daß sich die Kristalle bei manchen Substanzen nie in der Lage auf dem Glas ausscheiden, welche die stärkste Doppelbrechung ergibt. Eine genauere Untersuchung müßte dies aufklären.

Bei Stoffen, die in kleinen Kriställchen oder dünnen Blättern auftreten, die sich in verschiedener Orientierung übereinanderlagern (z. B. Wallrath), treten Störungen hinzu, indem ähnlich wie bei den Glimmerkombinationen von Reusch Drehung der Polarisationsebene und elliptische Polarisation auftritt. Die Methode läßt sich dann überhaupt nicht mehr anwenden.

Noch komplizierter werden die Erscheinungen bei,,fließenden Kristallen", deren Individuen sich nicht nur in verschiedensten Richtungen übereinanderschieben, sondern auch deformieren. Immerhin kann man z. B. bei ölsaurem Ammoniak noch einigermaßen erkennen, daß für den ersten Ring d etwa 80 beträgt. Bei Cholesterylbenzoat mag d für den ersten Ring etwa 100 sein. Nach dem Erstarren wurde gefunden: I 42, II 64, III 82. Bei Cholesterylacetat war ein Ring nicht mehr deutlich zu erkennen. Nach dem Erstarren war I ca. 140. Gleiches gilt für Cholesterylpropionat. Nach dem Erstarren wurde gefunden für die labile Modifikation: I 116, für die stabile I 58, II 80.

Sehr schön treten aber im fließend kristallinischen Zustand die durch die Drehung der Polarisationsebene bedingten Farben auf. Am besten eignen sich für solche Beobachtungen Mischungen aus Cholesterylpropionat mit -acetat, -benzoat und -oleat, welche so hergestellt werden können, daß sie bei gewöhnlicher Temperatur fließend kristallinisch bleiben. Bei der gewöhnlich benutzten 55 fachen Vergrößerung war dann das Gesichtsfeld von allen Farben des Spektrums erfüllt, beginnend mit dunklem Violett in der Nähe des schwarzen Zentrums und allmählich durch blau, grün, gelb, orange übergehend in rot am Rande des Gesichtsfeldes. Beim Drehen am Polarisator oder Analysator ändern sich natürlich die Farben, ebenso auch bei Änderung der Temperatur.

In manchen Fällen kann man, wenn eine deutliche Ringbildung nicht zustande kommt, dieselbe verbessern durch Hin

und Herschieben der Linse auf dem Objektträger, da dann durch Homöotropie1) sich von selbst die Struktur mehr oder minder einheitlich gestaltet. Beispielsweise ließ sich so bei Cholesteryloleat erkennen, daß I ca. 80 beträgt. Besonders auffällig zeigt sich diese Wirkung bei flüssigen Kristallen, z. B. Azoxyphenetol. Hat man ein solches Präparat durch Schmelzen des reinen Stoffs auf dem Objektträger und nochmaliges Erwärmen nach dem Erstarren hergestellt, so ist der Anblick zwischen gekreuzten Nicols der in Fig. 95 a. a. 0.2) angedeutete. Verschiebt man die Linse oder den Objektträger z. B. durch einen kurzen raschen Ruck am drehbaren Objekttisch, so tritt die in Fig. 96 (bez. 2) dargestellte Verschiebung der an der oberen und unteren Fläche haftenden Felder ein, die beim Zurückdrehen wieder verschwindet. Preßt man aber Linse und Objektträger bei der Verschiebung mit den Fingern gegeneinander, so werden in das Muster gewissermaßen Streifen eingerissen, die schwarz erscheinen, wenn die Verschiebung parallel einer Nicoldiagonale erfolgte. Setzt man das Hinund Herschieben der Linse so lange fort, bis das ganze Gesichtsfeld schwarz geworden, also die ganze Felderteilung zerstört und die Doppelbrechung anscheinend verschwunden ist, so ist die Struktur der an den Glasflächen haftenden Schichten und damit auch die der ganzen Flüssigkeit eine einheitliche geworden. Man braucht nun nur um 45° zu drehen, um in prachtvollster Weise das Ringsystem aufleuchten zu sehen, in einer Vollkommenheit, wie es ohne diese Wirkung der Homöotropie (namentlich auch bei festen Kristallen, der Verwerfungen wegen) nie zu erhalten ist.

Die Verwerfungen sind übrigens ein deutlicher Beweis dafür, daß bei flüssigen Kristallen mit parallelen Molekülen, d. h. solchen, welche beiderseits am Glas anhaften und in ihrer Struktur die früher vorhandenen festen Kristalle, aus welchen sie entstanden sind, nachahmen, ganz ebenso wie feste Kristalle in verschiedener Richtung verschiedene Doppelbrechung zeigen, ja es wäre möglich sie in Zahlen zu bestimmen.

1) Vgl. O. Lehmann, Flüssige Kristalle, p. 35, § 4.

2) O. Lehmann, Flüssige Kristalle, p. 58 oder Wied. Ann. 41. p. 529. 1890. Fig. 1.

Annalen der Physik. IV. Folge. 18.

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Gleiches gilt auch für die fließenden Kristalle von Paraazoxybenzoesäureäthylester. Hier wurde gefunden:

Fließende Kristalle: I 27, II 37, III 49, IV 60

Feste

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I 64, II 88, III 108, IV 124, V 136, VI 140.

Betrachtet man den oben berechneten Wert der Konstante 242 als richtig, so ergibt sich aus den Werten für den ersten Ring die Doppelbrechung der fließenden Kristalle = 0,33, die der festen 0,058, d. h. die Doppelbrechung der fließend kristallinischen Modifikation ist bedeutend größer als die der festen, nämlich 5,7 mal so groß.

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Bei Paraazoxyphenetol wurde gefunden

für die flüssigen Kristalle: I 26, II 37, III 47, IV 54, V 60 I 21, II 30, III 37.

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festen

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Hiernach beträgt die Doppelbrechung der flüssigen Kristalle wie bei den vorigen 0,33, die der festen 0,55, d. h. das Verhältnis ist das umgekehrte, die festen Kristalle haben 1,67 mal stärkere Doppelbrechung als die flüssigen. Das Ergebnis steht in guter Übereinstimmung zu meiner früheren direkten Bestimmung der Doppelbrechung durch Suspension in gleich stark brechenden Flüssigkeiten. Ich hatte gefunden1)

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somit wäre die Doppelbrechung der festen Kristalle 1,33 mal so groß als die der flüssigen. Unter Anwendung von rotem Licht, d. h. bei Einschaltung einer intensiv gelblich eosinroten Gelatinefolie über den Polarisator fand sich

für die flüssigen Kristalle: I 33, II 44, III 49, IV 57, V 63

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also ungefähr dasselbe Verhältnis.

Bei Paraazoxyanisol wurde gefunden

für die flüssigen Kristalle: I 27, II 37, III 46

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1) O. Lehmann, Ann. d. Phys. 2. p. 661. 1900.

Azoxyanisol-phenetol ergab

für die flüssigen Kristalle: I 25, II 35, III 43, IV 51, V 54, VI 61, VII 66, VIII 70 I 22, II 34,

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festen

also ebenfalls ziemlich dasselbe wie die vorigen.

Durch diese einfachen sehr leicht zu wiederholenden, auch zur Projektion für größere Zuhörerzahl geeigneten, im übrigen infolge der Farbenpracht auch sehr anregenden Versuche dürften wohl die immer noch zutage tretenden Zweifel über die Doppelbrechung der flüssigen Kristalle endgültig zurückgewiesen sein.1) Reflexion oder Totalreflexion an unsichtbaren feinen suspendierten Tröpfchen oder Doppelbrechung durch Spannungen in der umgebenden Flüssigkeit in der Nähe der Oberfläche solcher Tröpfchen, wie Tammann annimmt, können die beschriebenen Erscheinungen unmöglich erklären, noch weniger die in der folgenden Notiz beschriebene Drehung der Polarisationsebene und den Dichroismus bei flüssigen Kristallen.

Karlsruhe, den 3. Oktober 1905.

1) Die zur Untersuchung erforderlichen Präparate sind zu beziehen von der chemischen Fabrik E. Merck in Darmstadt. Geeignete Mikroskope nebst den sonstigen nötigen Utensilien, Linsen etc. liefert die Firma Voigt & Hochgesang (R. Brünnée), Göttingen, untere Maschstraße 26. Neuerdings ist auch die optische Werkstätte C. Zeiss in Jena auf meine Veranlassung mit der Ausbildung eines möglichst vollkommenen Apparates zur Beobachtung flüssiger Kristalle beschäftigt, welcher gestattet, während der subjektiven Beobachtung Serien-Momentan-Photographien herzustellen. Beide Firmen, ferner auch Dr. Steeg & Dr. Reuter in Homburg v. d. H. beabsichtigen auch gebrauchsfertige Präparate zu liefern. Diapositive und gemalte Projektionsbilder sind zu haben bei J. Schober (Obrist), Hoflichtdruckanstalt, Karlsruhe, Belforterstr. 10. Beispiele solcher Bilder findet man in Meyers Konversationslexikon 6. Aufl. 1905, Bd. 11. p. 708, Tafel,,flüssige Kristalle".

(Eingegangen 4. Oktober 1905.)

8. Drehung der Polarisationsebene und der Absorptionsrichtung bei flüssigen Kristallen; von O. Lehmann.

Die in der vorigen Mitteilung beschriebenen Farbenringe, welche zur Bestimmung der Doppelbrechung dienen können, treten in normaler Weise in flüssigen Kristallen nur dann auf, wenn die Struktur einheitlich ist, sei es, daß sich die flüssigen Kristalle aus reinen am Glas haftenden festen Kristallen gebildet haben und infolgedessen ihre Struktur nachahmen 1) oder indem sie durch Deformation infolge der Homöotropie) in Massen von annähernd einheitlicher Struktur verwandelt wurden. Hindert man dies durch Zusatz einer sehr geringen Menge eines Lösungsmittels z. B. Xylol, Öl oder Kolophonium, welches das Anhaften am Glas unmöglich macht (indem es das Glas benetzt, während sich die flüssig - kristallinische Masse durch ihre Oberflächenspannung in Tropfen zusammenzuziehen sucht), so bilden sich zwar auch Farbenringe, indes andere als im vorigen Falle; auch wird im allgemeinen die flüssig-kristallinische Masse aus dem Zentrum des Gesichtsfeldes ganz verdrängt, eben weil die benetzende Lösung in den engen Kapillarraum hineingezogen, die nicht benetzende flüssig-kristallinische Masse dagegen durch die Kapillardepression herausgestoßen wird. Schon in geringer Entfernung vom Zentrum verschwinden die Farbenringe ganz, dagegen sieht man nun in regelmäßiger Folge helle und dunkle Ringe abwechseln, deren Auftreten durch die Drehung der Polarisationsebene bedingt ist. Diese Drehung entspricht vollkommen derjenigen, welche man bei den Glimmerwendeltreppen von Reusch) beobachtet. 1) Da die Dicke der flüssig-kristallinischen Schicht vom Zentrum gegen den Rand des Gesichtsfeldes hin anwächst, so ändert sich auch der Betrag der Drehung der Polarisationsebene

1) Vgl. O. Lehmann, Flüssige Kristalle p. 51, § 13; p. 58, § 3 und p. 168-170.

2) 1. c. p. 35, § 4 und p. 58, Absatz 2 von unten.

3) F. E. Reusch, Pogg. Ann. 138. p. 628. 1869.

4) Vgl. E. Mallard, Traité de crist. 2. p. 262, 305. 1884.

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