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sieht man, dafs diese Unterschiede negativ sind, was sagen will, dafs die Verkürzungen des Durchmessers kleiner sind als ; und wirklich würde bei dem zweiten Unterschied der Werth von zwischen und liegen und beim dritten Unterschied gar kleiner als ¦ seyn 1).

Aus meinen Beobachtungen geht also hervor, dafs die Verringerung der Einheit des Durchmessers, so lange die Länge sich nicht verdoppelt hat, gleich ist der Verlänge

rung der Längeneinheit, und dafs bei gröfseren Verlängerungen die Abnahme des Durchmessers in einem geringeren Verhältnifs erfolgt als von Poisson angegeben ist. Diefs kommt darauf zurück, dafs zu Anfang des Ziehens die Volumzunahme des Kautschuks gröfser ist als die, welche sich zeigt, wenn dasselbe seine Länge verdoppelt hat.

Man kann auch hinzufügen, dafs wenn schon die Veränderungen des Durchmessers bei einem und demselben Körper kein festes Verhältnifs zu der Verlängerung einhalten, man umso weniger bei verschiedenen Körpern ein constantes Verhältnifs zwischen jenen beiden Werthen zu finden erwarten darf, von welchen der von Wertheim und von mir gefundene Werth nur ein approximativer ist.

Aus vorstehenden Betrachtungen ergiebt sich, dafs die grofse Elasticität des Kautschuks oder besser die Eigenschaft sich verlängern zu können vorzüglich von einer leichten Verschiebbarkeit seiner Theilchen abhängt. Aus einer transversalen Lage häufen sich diese in einer longitudinalen an, wodurch es sich bei einem Volumenzuwachs, nicht gröfser als er bei anderen Körpern vorkommt, viel stärker als alle diese verlängert. Das Kautschuk, gleichsam eine teigige Masse, verlängert sich, wenn man es zieht, und natürlicher1) Bei diesen Bestimmungen habe ich das Glied LS&ß nicht berücksichtigt, weil es beim Vergleiche der Theorie von Poisson und Wertheim nicht nothwendig war. Es ist daher nöthig zu bemerken, dass wenn ein solches Glied bei den Metallen, wo die Verlängerungen und Zusammenziehungen der Fäden sehr klein sind, zu vernachlässigen ist, das beim Kautschuk nicht der Fall ist, allemal wenn man das Verhältnifs zwischen B und genau bestimmen will, welches daher zu Anfang der Versuche erhalten werden kann, wie wir vorhin angegeben haben.

weise je mehr die Seitentheilchen schon verschoben sind, destoweniger sind sie innerhalb der Elasticitätsgränze geschickt es zu thun, wodurch das Kautschuk einen abnehmenden Elasticitätscoëfficienten haben mufs. Es ist auch leicht vorauszusetzen, dafs diese Verschiebungen der Theilchen im Acte der Verlängerung des Fadens ausgedehnter seyn müssen in einem sehr dicken als in einem dünnen Faden und dafs daher (wenn nicht auch aus anderen Gründen) jene sich weniger ausdehnen müssen als diese. Die Curven 5, 6, 7, (Fig. 7 Taf. II) beziehen sich auf die Tabellen 5 und 6 und entsprechen den mit Fäden von 6 bis 9mm Durchmesser gemachten Versuchen. Die Verlängerungen dieser Fäden waren sehr viel kleiner als die mit dünneren Fäden erhaltenen und ebenso waren ihre Elasticitätscoëfficienten kleiner. Ehe ich schliefse mufs ich jedoch sagen, dafs die von mir gefundenen Werthe keinen absoluten Werth haben, weil auch mit Fäden von derselben Fabrikation und Dicke ziemlich verschiedene Werthe erhalten wurden, wie aus den Tabellen dieser Abhandlung hervorgeht.

Anhang.

In den letzten Nummern des Journales Les Mondes (April und Mai 1869) sind zwei interessante Arbeiten über das Kautschuk von Hrn. Pierre Thomas mitgetheilt, von denen ich erst nach dem Drucke meiner Abhandlung Kenntnifs erhielt.

Der Verfasser beweist auf verschiedene Weise, dafs das Kautschuk sich durch Wirkung der Wärme ausdehnt und erwähnt unter anderen eines recht interessanten Versuchs. Er sagt, dafs ein Stück Kautschuk, welches schwerer ist als kaltes Wasser, darin leichter wird und auf demselben schwimmt, wenn man das Wasser erwärmt. Ich hahe den Versuch wiederholt und dasselbe Resultat erhalten. Ich mufs daher bemerken, dafs das vulcanisirte Kautschuk oft viel dichter als das Wasser ist, wodurch man das erwähnte Resultat nicht erhält. Dagegen gelingt der Versuch viel besser, wenn man das Kautschuk leichter nimmt als das

Wasser, und es durch Anheftung kleiner Stücke von Eisendraht ein wenig schwerer macht. Dann sieht man leicht, dafs das Kautschuk, welches bei gewöhnlicher Temperatur im Wasser zu Boden sinkt, auf demselben schwimmt, wenn man es seinem Siedpunkt nabe bringt. Dieser Versuch beweist klärlich, dafs das nicht gespannte Kautschuk sich beim Erwärmen mehr ausdehut als das Wasser. Das angeheftete Eisen hat keinen Einfluss auf das Resultat, weil dessen Ausdehnungscoëfficient viel kleiner ist als der des Wassers. Nach diesen und anderen ähnlichen Versuchen glaube ich daher nicht, dafs man implicite annehmen könne, wie es Pierre thun würde, dafs auch das gespannte Kautschuk sich durch Wärme ausdehnen müsse, statt sich zusammenzuziehen, wie es Joule und Tyndali behaupten würden. Ich glaube vielmehr, dafs dieser Punkt der Aufgabe noch nicht durch die grofsen Anomalien der Eigenschaften des Kautschuks aufgelöst ist und daher einer ferneren experimentellen Untersuchung bedarf.

Die anderen von Hrn. Pierre in den erwähnten Aufsätzen behandelten Aufgaben betreffen die Volumsveränderungen des Kautschuks beim Ausziehen. Der Verf. experimentirte mit Kautschukstücken von 1,25 und 8,0 Grm., verschiedentlich gespannt, und bediente sich der hydrostatischen Waage; er fand das Kautschuk, unter jeglicher Tension, immer von demselben specifischen Gewicht, und zwar, wie er eigends sagt, wenn man es, nach der Erwärmung beim Ausziehen erkalten lasse.

Ich will in dieser Beziehung nicht alle gegentheiligen Versuche anderer bewährter Experimentatoren über das Kautschuk und verschiedene Metalle anführen, sondern nur bemerken, dafs ich mit zwei Kautschukschnüren experimentirte, deren eine etwa 130 Grm. wog, und immer unter Anwendung der hydrostatischen Waage fand, dafs die Dichte des Kautschuks beim Ausziehen abnimmt. Diefs konnte in keiner Weise von einer Erwärmung der Schnur hergeleitet werden, weil die Wägung im Wasser etwa 30 Minuten nach der Ausziehung des Kautschuks bewerk

stelligt wurde. Und nicht zufrieden mit einer solchen Bestimmung habe ich deren 24 ausgeführt und mit demselben Resultat. Es leidet daher keinen Zweifel, dafs das Kautschuk sein Volum beim Ausziehen vergrössert. Ueberdiefs sind die in Tabelle VIII angegebenen Werthe so deutlich und übereinstimmend, dafs man sie in keiner Weise irgend welchen Fehlern zuschreiben kann, besonders wenn man bedenkt, dafs die von mir angewandten Waagen mit Leichtigkeit Milligramme angaben. Endlich kann ich auch nicht mit dem Verf. übereinstimmen, wenn er sagt, die Abnahme der Einheit des Querschnitts könne nicht seyn 1), wie nach Wertheim, weil bei einer dreifachen Verlängerung des Stabes der Querschnitt Null werden müfste 2), erstens weil Wertheim in seiner Abhandlung sagt 3), dass, nicht die Abnahme des Querschnitts, sondern die der Seite des Querschnitts gleich ist, und zweitens weil Wertheim auf S. 57 derselben Abhandlung sagt, dafs diese Abnahme nur bei kleinen Verlängerungen gleich ist. Wenn dagegen das Kautschuk durch das Ausziehen dem Doppelten seiner ursprünglichen Länge nahe kommt, so geschieht die Zusammenziehung der Seite in einem viel kleineren Verhältnifs als und auch S. Und diese Schlüsse habe ich in der That durch die Versuche vollkommen bestätigt.

1) Kürze halber bezeichne ich hier durch die Verlängerung der LängenEinheit und durch y die Verkürzung der Seiteneinheit des Querschnitts des ausgezogenen Prismas.

2) Pierre, 1. c. S. 578.

3) Wertheim, Ann. de chim. et de phys. Ser. III, Vol. 23 (1848) p. 55.

Poggendorff's Annal. Bd. CXLII.

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XV. Ueber das Erdbeben von Cosenza, 4. Oct. 1870; von G. vom Rath in Bonn.

Das Erdbeben, welches im October des vorigen Jahres

einen Theil von Calabrien verwüstete, gehörte zu den heftigsten, von welchen diefs vielerschütterte merkwürdige Land jemals betroffen worden ist. Trotzdem ist über dasselbe aus jener Ferne und in Folge der Zeitcreignisse nur geringe Kunde zu uns gelangt. Defshalb mag es gestattet seyn, hier über diefs letzte calabrische Erdbeben einige Mittheilungen zu machen, vorzugsweise auf Grund einer jene Katastrophe betreffenden Schrift ) des Dr. Dom. Conti zu Cosenza. Mehrere eigene Erkundigungen und Wahrnehmungen an Ort und Stelle konnten die in Conti's Schrift gegebenen Nachrichten bestätigen. Zur Vergleichung mit den Wirkungen dieses jüngsten Erdbebens mögen zum Schlusse einige Bemerkungen über die noch schrecklicheren Verheerungen der Erderschütterungen des Jahres 1854 folgen, über welche der Canonico Penitenziere Ferd. Scaglione eine ausführliche Arbeit verfafst hat 2).

Das Kalkgebirge des Appennins endet mit hohen und steilen Abstürzen, den Schichtenfall gegen Nord gewendet, in der Gegend von Castrovillari und Tarsia, d. h. im Thale des untern Crati-Flusses, etwa 39° 30' bis 45' n. Br. Am Fufse der, fast ohne Vorhöhen sich erhebenden, wilden und nackten Kalkberge (Monte Pollino, 2233 Mt.) dehnen sich die weiten, jetzt versumpften Ebenen des alten

1) Memoria e statistica sui terremoti della provincia di Cosenza nell' anno 1870. Cosenza 1871.

2) » Cenno storico-filosofico sul tremuoto che nella notte del dì 12 venendo il 13 Febbrajo dell' anno 1854 ad un ora meno un quarto scofse orrendamente la Città di Cosenza e varii paesi vicini“. (Atti della Reale società economica di Calabria citra.) Cosenza 1855.

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