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Sybaris aus. Die Thermen von Cassano, am Fufse der Kalkabhänge entspringend, stehen wohl in engem Zusammenhange mit der grofsen Spalte, welche in der Tiefe dem plötzlichen Aufsteigen des Gebirgs entspricht. Die südlich liegenden Länder, die drei kalabrischen Provinzen sind mit der Appenninen-Halbinsel nur topographisch, nicht geologisch verbunden. Granit, Gneifs, krystallinische Schiefer, welche dem Appennin ganz fremd sind, setzen die calabrischen Gebirge zusammen. Sie lassen sich in drei Hauptgruppen theilen: 1) Aspromonte - Monte Alto, der plateauähnliche Rücken, welcher von der Meerenge von Messina bis zur Landenge zwischen den Golfen von Eufemia und von Squillace reicht; Granit; Aspromonte 1974 Met. 2) Sila, ein hohes und ausgedehntes Waldgebirge 8 d. Meil. von Nord nach Süd, 5 von Ost nach West, mit grofsen Thalsystemen, überragt von einem Randgebirge; Granit und Gneifs; das Ganze ein von Forschern unbetretenes Gebiet. La Sila 1889 Met. 3) Monte Cocuzzo, ein von Nord nach Süd streichender Längsrücken zwischen dem Thale des Crati im Osten und dem tyrrhenischen Meere im Westen; Gneiss und krystallinische Schiefer. Der M. Cocuzzo (1550 Met.) hängt in der Gegend von Rogliano (2 d. Meil. südlich Cosenza) mit der Sila zusammen; wie sich auch durch geringe Höhen eine Verbindung der Kalkberge des Appennins mit dem M. Cocuzzo herstellt.

Von der südwestlichen Ecke des Golfs von Tarent zieht, zunächst gegen Südwest, dann gegen Süd das breite Thal des Crati (bei seiner Ausmündung 3 d. M. breit, weiter aufwärts sich auf 2 und 1 Meile und weniger verengend), in seiner unteren Hälfte die Sila vom Appennin, in der oberen von der Sila das Cocuzzo-Gebirge trennend. Wo die breite Thalebene endetin ihrem obern Theile Vallo genannt, und zahlreiche schluchtähnliche Thäler ausstrahlend nach den beiden genannten Gebirgsmassen hinaufziehen, liegt Cosenza, an der Stelle der alten Cosentia, eine Stadt der Erdbeben; zertrümmert »da capo a fondo « am 4. Febr.

1181), arg zerstört 13. Febr. 1854 2). Der grösste Theil der Stadt, mit engen unregelmässigen Strafsen, thurmartig hohen Häusern, liegt am nördlichen Abhang eines Hügels, welcher die Flüsse Crati und Busento vor ihrem Zusammenflusse trennt. Beide Flüsse, von denen der erstere an der Sila, der letztere am Cocuzzo entspringt, führen, mit Ausnahme der Regenzeit, eine im Vergleiche zu ihren breiten, verwüstenden Kiesbetten nur geringe Wassermassen. Die Stadt wird überragt von dem auf jenem Hügel liegenden Kastell, dessen gewaltige, bis über 3 Met. dicke Mauern den letzten Erdbeben nicht widerstanden. Wie Calabrien überhaupt, so bietet besonders Cosenza und seine Umgebung die gröfsten Gegensätze dar. Die aus Tertiärschichten gebildeten Vorhöhen der Berge sind von gröfster Schönheit und Fruchtbarkeit, in zahlreichen Dörfern bewohnt; darüber emporsteigend der hohe Gebirgsrand mit Kastanien, Eichen, Buchen, Pinien, Tannen bedeckt, erst in der zweiten Hälfte des Mai oder im Juni von Schnee frei. Was hinter der Bergumwallung, welche nur 2 d. Meil. gegen Ost von Cosenza hinzieht, liegt die Waldesgründe und Felsthäler

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der Sila ist fast noch in dem Urzustande, in welchem Dionys von Halikarnafs diefs Land beschreibt. (»> Es wachsen daselbst in Menge sehr hohe Tannen und Pinien, mächtige Buchen, Eschen und jegliche Art von Bäumen. Sie werden ernährt durch die Flüsse, welche dort fliefsen, und bilden auf den Bergen mit ihren Kronen zusammenhängende Schatten «). Abwärts von Cosenza durchfliefst der Crati theils buschbedeckte, theils sumpfige Ebenen; die breite Thalfläche ohne Cultur und ohne Bewohner, welche

1) Obige Jahreszahl nach Scaglione; v. Hoff giebt das Jahr 1169 an, und bemerkt, dass nach anderen Angaben die Katastrophe 1179 oder 1183 stattgefunden habe. Der Tag wird übereinstimmend bemerkt. 2) Gleichfalls in den Februar (4. Mittags) fiel das schreckliche Erdbeben von 1783, bei welchem in wenigen Augenblicken mehr als 30 Tausend menschlicher Wesen einen schrecklichen Tod fanden. Die verheerenden Erschütterungen erstreckten sich nicht bis Cosenza, woselbst man nur den »Rombo« hörte.

sich an beiden Thalseiten auf den Gebirgsabhängen angesiedelt haben. Aus den Sümpfen des Vallo entwickelt sich in den heifsen Monaten die Fieberluft, welche die Stadt in hohem Grade heimsucht. Vom October bis Juni volkreich und thätig, verödet sie im Sommer, indem wer irgend kann, an den Bergabhängen Zuflucht vor dem Fieber sucht.

Das Erschütterungsgebiet des Erdbebens vom 4. October erstreckte sich über die ganze Breite der calabrischen Halbinsel vom ionischen bis zum tyrrhenischen Meere, und zwar im Norden von Scalea (westlich Castrovillari) am tyrrhenischen bis Catanzaro und Squillace nahe dem ionischen Meere im Süden. Die Zone, in welcher das Erdbeben seine gröfste Heftigkeit zeigte, war von Nordost nach Südwest gerichtet, von Rofsano am Busen von Tarent bis Amantea. Die Streichungsrichtung lag demnach schief gegen die Längsrichtung dieses Theils der Halbinsel, und durch schnitt quer die beiden Gebirgsmassen Sila und Cocuzzo. Cosenza lag zu seinem Glück etwas nördlich von der Linie gröfster Verwüstung, welche sich namentlich in Cellara, St. Stefano, Mangone (1 bis 2 d. Meil. südöstlich von Cosenza) sowie in Longobucco und Rofsano offenbarte. Je entfernter von dieser Linie gegen Nordwest und gegen Südost, um so weniger verheerend waren im Allgemeinen die Stöfse; auch war ihre Kraft gewaltiger auf dem westlichen Gehänge der Sila in den Dörfern der Umgebung von Cosenza, als auf dem nordöstlichen, in Longobucco. Von der bezeichneten centralen Linie Rofsano - Amantea erstreckten sich die Bebungen beiderseits nicht über 8 d. Meil. hinaus, ohne indefs die bezeichnete Gränze überall zu erreichen. Indefs, wie bei früheren Katastrophen, zeigte sich auch bei dieser jüngsten, dafs die Stärke der Erschütterungen keineswegs allein durch die gröfsere oder geringere Nähe jener centralen Zone bedingt wurde, vielmehr wesentlich auch von lokalen Umständen abhing. In den betroffenen Dörfern litten einige Theile mehr, andere weniger, ja in fast ganz zerstörten Ortschaften blieben einzelne Quartiere oder Häuser fast unversehrt. Jene Nordost Südwest-Linie,

Rossano - Amantea, gewinnt an Interesse, wenn wir sie mit den Zonen gröfster Kraftentwicklung, früherer kalabrischer Erdbeben, vergleichen.

Das Verheerungsgebiet der schrecklichen Katastrophe 1783 erstreckte sich gleichfalls von Nordost, von der Lamato-Ebene (Golf von Eufemia), gegen Südwest, bis Reggio und über den Faro hinaus. Die Erdbeben von 1832, 35 und 36 hatten eine nordsüdliche Ausbreitungssphäre, während diejenige der Erderschütterung vom 13. Febr. 1854 sich von Südost nach Nordwest fast normal zur Linie Rossano-Amantea ausdehnte.

Wenngleich an einen unmittelbaren Zusammenhang der calabrischen Erdbeben mit den meteorologischen Erscheinungen wohl nicht zu denken ist, so mag es dennoch nicht überflüssig und interesselos erscheinen, das Folgende über die Witterungsverhältnisse Cosenzas des J. 1870 vor dem Erdbeben der Schrift von Conti zu entnehmen.

Die Monate Januar und der gröfsere Theil des Februar waren ungewöhnlich kalt, indem das Thermometer bis - 6o R. sank (eine Temperatur, welche seit mehreren Jahrzehnten nicht vorgekommen), und wiederholt Schnee in den Strafsen der Stadt fiel. Gegen Ende des Januars (raten statt des bis dahin herschenden Nordwinds, Südost- und Südwestwinde mit Regen ein, so dafs bald die Mandel-, Kirschen- und Pflaumenbäume in Blüthe standen. Am 3. März trat wieder Kälte ein und vernichtete die Blüthen. Dieser Monat und der April waren wieder ungewöhnlich rauh, der Nordwind brachte mehrfach Schnecgestöber. Am 17. April, Ostern, beobachtete man in Cosenza - 4o R., was um diese Zeit ganz unerhört war. Mit Erstaunen sah man den Schnee selbst am Küstensaume des tyrrhenischen und jonischen Meeres. In Folge der Kälte verspäteten sich die Feldarbeiten sehr. Der Mai brachte nur wenige schöne Tage, übrigens südliche Winde mit anhaltenden Regen, Stürmen und Gewittern. Mit dem Juni begann noch nicht, wie meist in anderen Jahren, die heifse Zeit. Es stellten sich wieder Nordwinde ein; am 24. fiel Schnee sowohl auf dem

Monte Pollino, als in der Sila. (Am genannten Tage beobachtete man in der Gegend Perciavinella, Sila, rothen Schnee, eine früher dort nie gesehene Erscheinung). Mit Beginn des Juli trat grofse Wärme ein, bis 32° R.

Gegen Mitte

des Monats ging der Wind nach Norden und die Temperatur wurde erträglicher. Am 3. und 4. August begannen Regen und Wind. Die Temperatur sank so sehr, dass man den Spätherbst gekommen glaubte. Nur wenige Tage zeigten die dem Monat entsprechende Temperatur. Nach dem 15. wurde die Wärme-Abnahme empfindlich. Wer konnte, blieb eine Woche zu Hause (22. bis 28.) Das Barometer zeigte während zwanzig Tage auf »Trocknes Wetter. Die Blätter der Bäume wurden vorzeitig gelb, das Land trocknele aus, die Trauben wurden welk, die Oliven und Kastanien verkümmerten. Dieselbe Trockenheit dauerte im September an; am 17. fiel Schnee auf dem Monte Pollino und in der Sila, was seit dem J. 1812 um diese Zeit nicht beobachtet worden seyn soll. Bis 1 Met. tief trocknete das Land aus, und zerrifs in Spalten. Das Wasser begann zu verschwinden, die Felder konnten nicht bestellt werden. Nach dem 28. zeigten sich schwere, unbewegliche CumuliWolken. Am 3. October war der Himmel verschleiert; kleine Streifenwolken erschienen, welche unter dem Einfluss des Windes sich nicht zu bewegen schienen [?], und von den Landleuten für ein Vorzeichen des Erdbebens gehalten wurden« [wohl erst nach der Katastrophe]. Am Abend war die Luft still, die Sterne leuchtend. Am Morgen des 4. erschien die Sonne trüber als an den vorhergehenden Tagen, die Kälte empfindlicher. Um 4 Uhr Nachm. will man wieder jene unbeweglichen Streifenwolken erblickt haben. Es bedarf bier wohl kaum der Bemerkung, dafs solche sichtbaren Vorzeichen von Erdbeben nicht existiren, vielmehr die betreffenden Angaben ihre psychologische Erklärung in dem Glauben finden, es müfsten so furchtbare Ereignisse schon in ihrer Vorbereitung auf irgend eine Weise bemerkbar seyn. Die geängsteten Bowohner jener unglücklichen Provinzen hoffen immer vergeblich, es müfsten sich ihnen so schreck

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