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der oben bezeichneten Gränzen beschädigte oder zerstörte, erfolgte in der Nacht vom 12. zum 13. Febr. um vor Uhr ohne ein nennenswerthes Vorzeichen. Die Bewegung war von einem gewaltigen Getöse begleitet (fast vergleich bar einem Büchsengeknatter oder einem starken Hagelschlag auf den Dächern, doch untermischt mit eigenthümlich zischenden Lauten) und so heftig, dafs Personen, welche noch auf waren, zu Boden geworfen, andere, welche ruhten, fortgeschleudert wurden in einigen Fällen unversehrt, während die Mauern einstürzten. Dieser erste Stofs, dessen Dauer auf 7 bis 8 Secunden angegeben wird, war weitaus der heftigste von allen folgenden, und verursachte allein das grofse Unglück. Bis zum Morgen folgten mehrere leichtere Stöfse. In Cosenza wurden nach dieser Nacht im Laufe des Jahres Erschütterungen an folgenden Tagen bemerkt (für die Zeit vor dem 13. liegt keine Aufzeichnung vor): Febr. 13, 15, 17, 23, 25, 26. März 1, 5, 7, 13, 15, 19, 21, 22, 25, 28, 30, 31. April 4, 5, 6, 7, 10, 11 1), 12, 13, 17, 19. Mai 16, 17, 29. Juni 18. August 29. September 9. October 29.

October 29. November 2. December 9. In Cosenza wurden fast alle öffentlichen und Privatgebäude theils zerstört, theils schwer beschädigt. Von den Zerstörungen und Verlusten, welche die Stadt erlitt, möge nach Scaglione nur Folgendes hier eine Stelle finden. Das Kastell, welches mit seinen gewaltigen Mauern den Jahrhunderten zu trotzen schien, war zum Theil eingestürzt, zum Theil drohte es den Sturz. Der Berg selbst war durch Spalten zerrissen. Beim Zusammensturz der Mauern und Gewölbe fanden 11 Mann der Besatzung ihren Tod, ferner mehrere Landleute und leider vier blühende Jünglinge, Söhne des Linienofficiers Clemente. Die Mutter, schwer verwundet, überlebte den Verlust ihrer Kinder. Weniger als die übrigen Stadttheile litten durch den Stofs die Häuserreihen, welche sich längs den Flüssen Crati und Busento hinziehen. Einzelne Gebäude stürzten zwar auch

1) Zwei dumpfe Donnerschläge ohne Beben in Cosenza; heftiger Erdstofs in Monteleone.

hier zusammen, so das Haus Gerbasi, dessen Trümmer 7 Menschen erschlugen und 2 schwer verletzten. Auch die Flur von Cosenza war voll Ruinen; die Casali theils nur noch niedere Steinhaufen, theils geborsten und den Einsturz drohend. Opfer an Todten, Verwundete ohne Zahl, grofser Verlust an Oel und Wein. Ein Landhaus erschlug eine ganze Familie. Wie in der Stadt, so litten auch aufserhalb derselben diejenigen Häuser weniger, welche in der Nähe des Crati liegen.

Von den oben genannten Dörfern wurde am gräulichsten zerstört Donnici (d. Meil. südlich von Cosenza). Nach dem Erdbeben stand kein Haus mehr; man sah nur grofse Haufen von Ziegeln und Schutt. Von den 1496 Einwohnern wurden 202 von den fallenden Steinen erschlagen, viele andere zog man verwundet oder gequetscht unter den Ruinen hervor. Die Leichen wurden verbrannt. In Paterno (1 d. Meil. südl. Cos.) blieb kein Haus unbeschädigt. Mehrere Spalten bildeten sich im Boden, und Felsen zerrissen z. B. die Rupe St. Angelo, die R. dei Greci u. a. Das volkreiche Dorf Dipignano (M. südl. Cos.), reich durch seine Kupferarbeiten, erlitt noch grössern Schaden; über hundert Häuser wurden der Erde gleichgemacht. Carolei (1 d. Meile südwestl. von Cos.), näher gegen das Cocuzzo - Gebirge, litt schweren Schaden. Aufser den Kirchen stürzten 34 Häuser ein, 13 Personen wurden als Leichen, viele verwundet hervorgezogen. Oberhalb der Pfarrkirche lag ein mächtiger Felsblock (silice durissima). Derselbe zerrifs in Folge des Erdstofses und ein Drittel desselben stürzte zertrümmert ins Thal hinab. In Mendicino (1 d. Meile südwestl. v. Cos.), am Acheron, auf der Stelle der alten Pandosia liegend (Liv. VIII, 24), war der untere Theil des Orts stark, der obere viel weniger beschädigt. Eine eigenthümliche Erscheinung bemerkte man in Folge des Erdstofses zu Cerisano (1 d. Meile WSW von Cos.), wo kaum ein Haus unversehrt blieb. Es öffnete sich unfern der Kirche im Boden eine kleine Spalte, aus welcher Was

ser hervorsprudelte. In der Strafse Coschino, nahe am Bache, drang aus einer im felsigen Boden neu gebildeten Spalte ein leichter Dampf hervor, welcher nach Schwefelwasserstoff roch. Dieser Dampf verschwand, allmälig sich vermindernd, nach mehreren Tagen. In Marano Marchesato (1 d. Meil. WNW v. Cos.) wurden über 100 hohe Häuser vernichtet, andere so beschädigt, dafs sie unbewohnbar blieben. Die Stadt Rende (1 Meil. nordwestl. von Cos.) zählte hundert Todte. Die Kirchen und die meisten Privathäuser stürtzten ganz oder theilweise zusammen. Das Dorf St. Fili, d. Meile, westlich von Rende, unmittelbar am Kamme des Mt. Cocuzzo liegend, litt nur wenig. Es bildeten sich hier viele Spalten, namentlich bei der Oertlichkeit Cocchiano; aus einer derselben flofs einen Tag lang schlammiges Wasser. In der Nähe von St. Sisto bot sich eine andere erwähnenswerthe Erscheinung dar. Ein Hügel (genannt la Timpa) löste sich vom Abhange, auf welchem er sich erhob, und bildete einen Bergschlipf, den Bach Rubino aufstauend. In Montalto, welche Stadt oben als die natürliche Gränze des Verheerungsgebiets bezeichnet wurde, erlitt namentlich die grofse Pfarrkirche solche Beschädigungen, dafs sie niedergelegt werden musste. Im Uebrigen beschränkten sich die verderblichen Wirkungen des Erdbebens auf Risse und Spalten. Wenden wir uns von hier zur südlichen Gränze des Ruinendistrikts. In den Dörfern St. Stefano und Mangone zählte man 62 theils zerstörte, theils den Einsturz drohende Häuser. Die völlige Zerstörung dieser beiden Orte blieb, wie oben berichtet, dem 4. Oct. 1870 vorbehalten. In Bezug auf Rogliano verdient wohl hervorgehoben zu werden, dafs es an der Katastrophe des J. 54 schweren Antheil nahm, während es am 4. Oct. 70 unversehrt blieb.

Offenbar befindet sich das weite vulkanische Gebiet des Mittelmeers jetzt und in der letztvergangenen Zeit in einem Zustande erhöhter Thätigkeit, wie die fortgesetzten oder schnell sich wiederholenden Ausbrüche bei Santorin, des Aetna und Vesuv beweisen. So räthselhaft auch immer die

Ursache und die näheren Bedingungen der calabrischen Erdbeben noch seyn mögen, so läfst sich gleichwohl kaum bezweifeln, dafs die vielen, fast allmonatlichen Erschütterungen, welche seit einer Reihe von Jahren das unglückliche Land heimsuchen oder bedrohen, in Beziehung stehen zu der lebhafteren Entzündung jener vulkanischen Schlünde.

XVI. Ueber die anomale Dispersion einiger Substanzen 1); von Hrn. J. L Soret. (Bibl. univ. Mars 1871, p. 280.)

Hr. Christiasen und Hr. Kundt haben neuerlich sehr merkwürdige Versuche gemacht über die anomale Dispersion, welche gewisse Substanzen, wie die Anilinfarben, übermangansaures Kali usw. in concentrirten Lösungen hervorbringen. Ein aus diesen Flüssigkeiten zwischen zwei Glasplatten gebildetes Prisma giebt ein Spectrum, in welchem die Ordnung der Farbe nicht dieselbe ist wie bei den gewöhnlichen Substanzen: Blau und Violett sind weniger abgelenkt als Roth. In dieser Form gemacht, bietet der Versuch einige Schwierigkeit dar, weil diese Flüssigkeiten sehr dunkel gefärbt sind und das Licht daher nur eine sehr dünne Schicht von denselben zu durchdringen vermag; man mufs also das Lichtbündel sehr nahe an der Kante des Prisma durchgehen lassen.

Die Wichtigkeit dieser Thatsache wird keinem Physiker entgangen seyn; ich glaube daher, dafs es einiges Interesse haben werde, eine Folgerung anzugeben, die man durch einen leicht zu wiederholenden Versuch evident machen kann. Sie besteht darin, dass man das Spectrum umkehrt, indem

1) Es ist diefs die S. 262 dieses Hefts erwähnte Arbeit.

P.

man die zu untersuchende Lösung in ein hohles Prisma von etwa 30 bringt, und dieses Prisma in einen Trog von parallelen Glasplatten stellt, welcher mit der Flüssigkeit gefüllt ist, die zum Lösen der Substanz mit anomaler Dispersion dient. Man kann alsdann das umgekehrte Spectrum an einer weniger concentrirten und daher durchsichtigeren Lösung beobachten als wenn man das Prisma in Luft läfst. Ich will einige Beispiele anführen.

Fuchsin. Man nehme ein Spectroskop, entferne dar aus das gewöhnliche Prisma und ersetze es durch ein Hohlprisma, gefüllt mit einer concentrirten alkoholischen Lösung von Fuchsin. Operirt man mit einem intensiven Lichtbündel, das sehr nahe an der Kante des Prisma einfällt, so gelingt es das umgekehrte Spectrum ohne Anwendung des erwähnten Troges zu sehen, d. h. mit dem in der Luft gelassenen Prisma. Mit einer wenig concentrirten Fuchsinlösung ist das Spectrum normal, d. h. das Roth weniger abgelenkt als das Violett. Mit einer Lösung von intermediärer Concentration reducirt sich das Spectrum fast auf einen einzigen hellen, roth gefärbten Streifen; in diesem Fall ist die durch das Fuchsin erzeugte umgekehrte Dispersion fast genau compensirt durch die entgegengesetzte Dispersion, welche der als Lösemittel dienende Alkohol hervorbringt; man hat Ablenkung ohne Dispersion.

Versetzen wir nun das mit dieser letzten Lösung gefüllte Prisma in den Trog voll Alkohol, so wird die allgemeine Ablenkung der Strahlen fast vollständig aufgehoben, aber die anomale Dispersion des Fuchsins bleibt: Das Roth ist mehr abgelenkt als das Violett. Es ist nicht mehr nöthig ein so intensives Licht anzuwenden, oder das Licht nahe an der Kante des Prismas einfallen zu lassen.

Als ich die Ablenkungswinkel für diese Lösung mafs, fand ich, wann das Prisma sich in der Luft befand, die Ablenkung des rothen Streifens etwa 11° 30'; war es aber in Alkohol, so war das Violett kaum abgelenkt, das Roth 15' und das Orangegelb 23'. Mit einer viel weniger concentrirten Fuchsinlösung war die Ablenkung des Violett auch

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