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Theilchen selbst zu schwingen vermögen. Wir müssen uns denken, dafs jedes Körpermolecül (das Wort >> Molecul im chemischen Sinne verstanden) vermöge der Art und Weise seines Aufbaues aus Atomen und vermöge der besonderen durch die Molecularkräfte zwischen diesen bestehenden Verkettung auf eine gewisse Anzahl einfacher pendelartiger Schwingungen gleichsam abgestimmt ist. Wird nun das Molecül von einer Welle getroffen, deren Periode mit einer jener dem Molecül eigenthümlichen Schwingungen übereinstimmt, so setzt sie durch ihre in gleichem Tact wiederholten Stöfse das Molecül in Bewegung oder verstärkt dessen etwa schon vorhandene Bewegung. Die Welle giebt dabei entweder theilweise oder gänzlich ihre lebendige Kraft an die Molecule des Körpers ab; sie geht defshalb nur geschwächt oder gar nicht durch den Körper hindurch, d. h. sie wird absorbirt. Andere Schwingungen, welche mit den in den Körpermolecülen gleichsam präformirten nicht stimmen, werden ungehindert oder wenig geschwächt durchgelassen. Dieser Vorgang ist analog mit dem, welcher in der Lehre vom Schall Resonanz genannt wird. Eine Saite erklingt bekanntlich, wenn in ihrer Nähe eine gleichgestimmte angeschlagen wird; die angeschlagene aber verstummt rascher, als wenn jene gleichgestimmte nicht vorhanden wäre, weil ein Theil ihrer lebendigen Kraft zur Bewegung der anderen verwendet d. h. von dieser absorbirt wurde.

Nun kann aber auch gezeigt werden (was im III. Theile dieser Abhandlung ausführlicher geschehen soll), dafs eine Wellenbewegung auch dann von einem Körpermolecül absorbirt wird, wenn dieses zwar nicht mit gleicher, aber mit genau halb so grofser oder genau doppelt so grofser Schwingungszahl zu vibriren fähig ist, oder wenn dasselbe, um die Ausdrücke der Akustik zu gebrauchen, eine Octave tiefer oder eine Octave höher gestimmt ist. Gewöhnlich nimmt man an, dafs die Kraft, welche das aus seiner Gleichgewichtslage entfernte Körpertheilchen wieder dahin zurückzuführen strebt, dieser Entfernung einfach proportional sey.

Diese Annahme basirt auf der Voraussetzung, dass die Entfernung, verglichen mit dem gegenseitigen Abstand der schwingenden Theilchen, verschwindend klein sey; wenn diese Voraussetzung für die Theilchen des freien Aethers auch völlig zutreffen mag, so dürfte es doch kaum erlaubt seyn, dieselbe ohne Weiteres auch auf die Schwingungen der Atome innerhalb der Molecule auszudehnen. Immerhin führt jene Annahme zu einer ersten Annäherung an das wirkliche Verhalten, und als eine solche ist hinsichtlich der Absorption das so eben besprochene Euler-Kirchhoff' sche Princip zu betrachten. Nehmen wir dagegen, um uns der Wahrheit mehr zu nähern, an, dafs die zwischen den Atomen innerhalb eines Molecüls thätigen elastischen Kräfte aufser von der ersten Potenz auch noch von dem Quadrat der Elongation abhängen '), so ergiebt sich neben dem Euler'schen Princip noch der folgende Satz: Ein Körper absorbirt auch diejenigen Strahlen, deren Schwingungszahlen doppelt so grofs oder halb so grofs sind als die seiner eigenen Molecule.

Nennen wir den Euler-Kirchhoff'schen Satz das Princip der directen Absorption « oder » der Absorption durch Einklang «, so können wir den vorstehenden als » Princip der indirecten Absorption « oder »der Absorption durch die nächst tiefere oder nächst höhere Octave « bezeichnen.

Es ist begreiflich, dafs die indirecte Absorption von der directen an Energie übertroffen wird; ebenso lässt sich zeigen, dafs die Absorption durch die tiefere Octave weit energischer wirkt als die durch die höhere Octave. Dadurch rechtfertigt es sich, wenn wir die erstere vorzugsweise berücksichtigen.

In der Regel wird ein Körpermolecül nicht nur einer, sondern vieler unter sich unharmonischer Schwingungen fähig seyn, von denen die einen leichter, die anderen schwieriger ansprechen, und demgemäfs auch die gleich 1) Dieselbe Annahme hat Helmholtz seiner Theorie der Combinationstöne zu Grunde gelegt, Pogg. Ann. Bd. XCIX, S. 497. Poggendorff's Annal. Bd. CXLIII,

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oder eine Octave höher oder tiefer gestimmten Wellen mehr oder weniger vollständig absorbiren. Auf welche Weise das Molecul auch in schwingende Bewegung versetzt werden möge, stets werden alle jene Vibrationen zusammen erklingen, welche dem Molecüle vermöge der Art der Verkettung seiner Atome eigen sind. Aus der Akustik ist bekannt, dass es geradezu unmöglich ist, z. B. eine Metallplatte blofs mit einem einzigen ihrer Eigentöne zum Tönen zu bringen; wie man sie auch schlagen oder streichen mag, es erwacht stets neben dem beabsichtigten Einzelton eine Anzahl jener unharmonischen Obertöne, welche den Klang für unser Ohr so unangenehm rasselnd machen; nur jene Obertöne kommen nicht zu Stande, welche durch besondere Vorkehrungen am Entstehen verhindert sind. Dafs innerhalb eines Körpermolecüls solche Hindernisse bestehen, sind wir nicht berechtigt anzunehmen. Vielmehr erscheint es sachgemäfs, anzunehmen, dafs die Erregung oder Verstärkung einer einzigen der ihm eigenthümlichen einfacheu Schwingungen stets auch die Erregung oder Verstärkung seiner übrigen Schwingungen nothwendig im Gefolge habe. Wir halten uns daher für berechtigt, folgenden Satz auszusprechen:

Wenn ein Molecül durch (directe oder indirecte) Absorption in schwingende Bewegung versetzt wird, so erklingt es nicht blofs in der Schwingungsperiode der absorbirten Welle, sondern sämmtliche ihm eigenthümliche Schwingungsperioden klingen mit.

Durch diese Sätze sind wir nun in den Stand gesetzt, den mechanischen Hergang bei der Fluorescenz des Magdalaroths zu begreifen. Wir nehmen an, dafs das Molecül des Magdalaroths zu schwingen vermöge mit den Schwingungszahlen des Roth, Orange und Gelb von 35 bis 53 der Spectroskopscale, dagegen nur in den nächst tieferen Octaven der gelbgrünen, grünen, blauen und violetten Strahlen, wobei nicht ausgeschlossen bleibt, dafs auch für das genannte Roth, Orange und Gelb noch die tiefere Octave mitklinge. Die Absorption erfolgt also im grössten Theile

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des Spectrums durch die nächst tiefere Octave, nur zwischen 35 und 53 auch durch Einklang. Durch jede absorbirte einfache Wellenbewegung, sey dieselbe roth, oder grün, oder violett, wird das Molecül in die nämliche ihm eigenthümliche zusammengesetzte schwingende Bewegung versetzt oder darin bestärkt, und zwar am lebhaftesten durch jene Wellen, welche am vollkommensten absorbirt werden. Da von den sichtbaren Strahlen das Roth, Orange und Gelb von 35 bis 53 zu den Eigentönen des Molecüls gehören, so wird es, lebhaft bewegt, in einer aus diesen Tönen gemischten Farbe selbstleuchten d. h. fluoresciren, während die ebenfalls mitklingenden tieferen Octaven des Grün, Blau und Violett als zum unsichtbaren ultrarothen Theil des Spectrums gehörig für unser Auge unvernehmbar bleiben. Die Maxima der Fluorescenz müssen auf die nämlichen Theile des Spectrums fallen, in welchen Maxima der Absorption auftreten, also in unserem Falle das Hauptmaximum in den Bereich der selbst in verdünnter Lösung stark absorbirten gelbgrünen Strahlen, ein zweites weniger ausgeprägtes Maximum zwischen E und b.

Wir sehen, dafs die Theorie von den beobachteten Thatsachen vollkommen Rechenschaft giebt. Man könnte aber fragen, warum fluorescirt denn das gewöhnliche Anilinroth nicht, welches doch eine ähnliche Absorptionserscheinung zeigt wie das Magdalaroth? Wir antworten: weil dasselbe leuchtende Strahlen nur durch die nächst tiefere Octave, dagegen keine durch Einklang absorbirt, weil es demnach die Fähigkeit nicht besitzt, leuchtende Schwingungen auszusenden.

Der chemische Unterschied zwischen Magdalaroth und gewöhnlichem Anilinroth ist mir nicht bekannt; es ist aber wohl denkbar, dafs ein Molecül durch eine leichte Modification in seinem Bau die Fähigkeit erlangen kann, sichtbare Schwingungen auszusenden, während es vorher nur in tiefen ultrarothen Tönen zu schwingen vermochte.

Als nothwendige Folgerung aus der Theorie würde sich ergeben, dafs jeder Körper, welcher sichtbare Strahlen

durch Einklang absorbirt, in der aus diesen Strahlen zusammengesetzten Mischfarbe floresciren wird. Zeigt sich dagegen im Bereich des sichtbaren Spectrums zwar Absorption, aber keine Fluorescenz, so mufs diese Absorption auf Rechnung der nächst tieferen und höheren Octave gesetzt werden.

Mit der Fluorescenz des Magdalaroths analog ist die bekannte des Chlorophylls. Hr. Hagenbach') hat dieselbe neuerdings mit grofser Genauigkeit untersucht; nach seinen Angaben, welche ich an einem schon über ein Jahr gestandenen ätherischen Auszug aus Herba menthae piperitae durchaus bestätigt fand, beginnt das fluorescirende Spectrum etwas vor B im Roth und erstreckt sich mit der gleichen rothen Färbung, aber mit mannigfach wechselnder Intensität bis über das violette Ende hinaus. Hr. Hagenbach zählt sieben hellere Streifen auf und bezeichnet dieselben vom weniger brechbaren zum brechbareren Ende hin mit I bis VII. Bei der durch längeres Stehen modificirten Blattgrünlösung ist jedoch die Trennung zwischen Streif VI und VII nicht zu bemerken. Der erste Fluorescenzstreif liegt zwischen B und C, der zweite zwischen C und D näher bei D, der dritte nahe hinter D, der vierte unmittelbar vor E, der fünfte hinter b nach F hin, der sechste (aus VI und VII verschmolzen) bedeckt, hinter F beginnend, das noch übrige Spectrum. Bei weitem am hellsten ist der erste Streif, der nächsthelle ist der letzte. Jedem hellen Fluorescenzstreifen entspricht im Absorptionsspectrum ein dunkler Streifen, von denen der erste bei weitem der intensivste ist; die Absorption im Violett ist weniger intensiv, jedoch stärker als in den übrigen Streifen. Das Spectrum des rothen Fluorescenzlichtes, aus welcher Gegend des fluorescirenden Spectrums es auch genommen werden mag, beginnt genau an der Stelle wo die Fluorescenz auftritt, etwas vor B, erstreckt sich bis hinter C und ist am hellsten zwischen B und C. Die wirksamen d. i. die absorp1) Untersuchungen über die optischen Eigenschaften des Blattgrüns; Pogg. Ann, Bd. CXLI, S. 245.

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