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Fafst man Alles zusammen, so kommt man zu dem Resultate, dafs sämmtliche Erscheinungen, welche man am Elektrophor beobachtet aus denselben Gesichtspunkten erklärt werden können und erklärt werden müssen, welche schon vor Riefs) zur Erklärung benutzt wurden. Man hat sich demnach den Vorgang an diesem Apparate ungefähr folgendermafsen vorzustellen:

Die durch Reiben der oberen Kuchenfläche erregte Elektricität wirkt durch den Isolator hindurch (durch Fernwirkung), vertheilend auf die Bodenplatte. Ist die primäre Erregung stark genug, so durchbricht die angezogene der primären ungleichnamige Elektricität der Bodenplatte den Luftraum zwischen dieser Platte und dem Kuchen, und geht in Form von Funkenentladung theilweise auf die untere Kuchenfläche über. Durch diese, sowie durch die auf der Bo denplatte noch zurückgebliebene Elektricität wird die Kraft, welche in dem Raume zwischen dem erst später aufgelegten Schilde und dem Kuchen thätig ist, verringert, und dadurch ein Elektricitätsaustausch in diesem Raume verhindert. Die in dem Schilde durch Vertheilung hervorgerufene, der primär erregten ungleichnamige, Elektricität bleibt demnach auf demselben und kann durch Ableitung der gleichnamigen und durch Abheben des Schildes frei d. h. elektroskopisch wirksam gemacht werden. Alle übrigen begleitenden Erscheinungen lassen sich von diesen Gesichtspunkten aus nach bekannten Gesetzen erklären.

1) Siehe z. B. Erxleben, Anfangsgründe der Naturlehre mit Zusätzen von Lichtenberg, 6. Aufl., 1794, S. 519 ff. oder Biot, Experimentalphysik, bearb. von Fechner, 2. Aufl. 1829, Bd. II, S. 247 bis 252.

V. Ueber die Elasticität des Kautschuks;
von Emilio Villari,

Prof. in Floreuz.

(Mitgetheilt vom Hrn. Verf. aus dem Nuovo Cimento, Ser. II, Vol. I.)

I. Elasticität des Dehnens.

Sicherlich ist das Kautschuk, vermöge seiner Eigenschaft, welche es dem physikalischen Studium darbietet, eine der sonderbarsten Substanzen. Seine physischen Eigenschaften sind gleichsam beständige Ausnahmen von analogen Eigenschaften aller anderen bekannten Körper. Es ist cine um so seltsamere Substanz, wenn man erwägt, dafs es hinreicht, ihr eine geringe Menge Schwefel hinzuzufügen, um ihre physische Natur mit einem Male und gleichsam vollständig umzuwandeln.

Joule studirte die Wärme-Erscheinungen, welche das vulcanisirte Kautschuk beim Ausziehen zeigt, und beobachtete, dass es sich erwärmt, wenn es gedehnt wird 1), wogegen Metalldrähte beim Ziehen sich erkalten. Aus dieser Eigenschaft folgerte Thomson, dafs das gespannte Kautschuk sich durch Wirkung der Wärme zusammenziehen müsse, und wirklich fand Joule dieses durch den Versuch bestätigt, was auch Tyndall in seinem schätzbaren Buche über die Wärme 2) durch eine neue Untersuchung bewahrheitete ). Etwas Analoges ist neuerlich von Reusch an der Guttapercha, einer dem Kautschuk ziemlich ähnlichen Substanz beobachtet "), welche, wenn sie durch Zug um 1) Joule, Philosophical Magazine, T. XIV (1857) p. 227.

2) Tyndall, Heat considered as a mode of motion, Edit. II, Lond. 1865, p. 90.

3) Geschichtlich muss ich bemerken, dass Bertin in seinem Bericht über die ausländischen Arbeiten (Ann. de chimie et de phys. Ser. IV, T. XV, p. 506) angiebt, die eben so feinen als genauen Versuche von Fizeau hätten bewiesen, dass das Kautschuk sich der allgemeinen Regel anderer Körper anschliesse.

4) Reusch, Pogg. Ann. Bd. CXXXIV (1868) S. 315,

das Drei- oder Vierfache ihrer ursprünglichen Länge ver längert worden ist, sich beim Eintauchen in heifses Wasser in sehr sonderbarer Weise zusammenzieht.

Allein die hervorragendste und eigenthümlichste Unregelmässigkeit in der Elasticität des Kautschuks ist dessen Vulcanisirung '). Die Elasticität des vulcanisirten Kautschuks ist sprichwörtlich und so grofs, dafs ein dünner Faden desselben leicht bis auf das Sechs- oder Siebenfache seiner ursprünglichen Länge gebracht werden kann. Welchen Gesetzen solche übermässigen Verlängerungen unterliegen und wie der Elasticitätscoëfficient einer solchen Substanz beschaffen sey, ist, glaube ich, bisher noch von Keinem bestimmt worden, und daher halte ich es nicht für überflüssig, die Resultate meiner Versuche über die Elasticität des vulcanisirten Kautschuks auseinander zu setzen.

Die ersten Untersuchungen über die Elasticität der einem Zuge unterworfenen festen Körper, namentlich der Metalldrähte, wurden von Graves and angestellt, und später wurden sie von Wertheim wieder aufgenommen und mit grofser Genauigkeit und Umsicht ausgeführt 2). Die Gesetze, zu welchen er durch zahlreiche Versuche über die Elasticität des Dehnens geführt wurde, lassen sich in folgende vier zusammenfassen: 1) Die Verlängerungen sind proportional der Länge der Drähte; 2) Diese Verlängerungen sind proportional den spannenden Gewichten; 3) Sie stehen im umgekehrten Verhältnifs zum Querschnitt der gedehnten Körper; und 4) jeder Körper hat einen speciellen Elasticitätscoëfficienten.

1) Das gewöhnliche Kautschuk ist bei gewöhnlicher Temperatur cine ziemlich elastische Substanz, erweicht aber bei 25° oder 30° und wird teigig, und bei Temperaturen unter 0° wird es hart und unelastisch. Kurz vor 1842 erfand Charles Goodyear in New-York und bald darauf T. Hancok in Newington bei London das Verfahren, dem Kautschuk seine Elasticität bei allen Temperaturen zu erhalten, indem sie es eine kleine Menge Schwefel absorbiren liefsen und es einer Temperatur von 150° aussetzten. Das so mit Schwefel vereinigte Kautschuk wird vulcanisirtes genannt.

2) Ann. de chim. et de phys. Sér. III, T. XII, XXIII und L,

Diese Gesetze bewähren sich nur, wenn man die im Allgemeinen ziemlich eng beschränkte Elasticitätsgränze der Körper nicht überschreitet, weil über diese Gränze hinaus die Körper bleibende Verlängerungen erleiden, die oftmals gröfser sind als die elastischen Verlängerungen selbst.

Unter diesen Gesetzen sind, wie man sieht, das erste und dritte für sich klar, brauchen also nicht experimentell bewiesen zu werden; das zweite und vierte dagegen sind ausschliesslich durch das Experiment gefunden. Die ersteren können also keine anderen Ausnahmen darbieten als wegen Anomalien und Unregelmässigkeiten in den untersuchten Drähten und sie müssen sich durch das Experiment hinreichend bestätigen, wie sie es wirklich thun. Das zweite Gesetz dagegen kann solche darbieten und bietet beim Kautschuk wirklich sonderbare und wichtige Anomalien dar.

Da nicht alle Physiker unter Elasticitätscoëfficienten dasselbe verstehen, so wird es gut seyn, den Werth dieses Coëfficienten festzustellen, ehe ich meine Versuche über den Gegenstand auseinandersetze.

Bezeichnen wir mit 2 die Verlängerung, welche (innerhalb der Elasticitätsgränze) ein Stab von der Länge L und dem Querschnitt S durch Wirkung eines Gewichtes P erleidet, so haben wir nach den Elasticitätsgesetzen

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Dieser Werth von & ist für jeden Körper constant und wird daher von vielen Physikern Elasticitätscoëfficient genannt. Er bezeichnet die Verlängerung, welche ein gegebener Faden von der Einheit der Länge und des Querschnitts durch eine der Einheit gleiche Last erleidet. Im Laufe dieser Abhandlung werden wir diesen Werth von e als Coëfficient der Dehnungs-Elasticität beibehalten, dabei das Millimeter und das Kilogramm als Einheit des Maasses und des Gewichtes annehmend.

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Und viele Physiker nehmen den Werth, den reci

proken von ε, als Coëfficienten oder Modulus der Elasti

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wenn

Wie man sieht, bezeichnet der Elasticitätscoëfficient Q ein Gewicht, oder eigentlich, da Q gleich z wird, man gleich 1 setzt, dasjenige Gewicht, welches fähig ist, an einem Stabe von der Einheit der Länge und des Querschnitts eine der Einheit gleiche Verlängerung hervorzubringen, oder Q ist gleich dem Gewicht, welches die Längeneinheit des Stabes von der angenommenen Querschnittseinheit verdoppeln kann, wohl verstanden, wenn diefs möglich wäre, ohne die Elasticitätsgränze des betrachteten Stabes zu überschreiten. Es ist ein abstracter Coefficient für alle Körper ausser dem Kautschuk, weil keiner, aufser dem letzten, sich ums Doppelte verlängern kann. Durch diese Betrachtung, welche wir in einigen der diese Abhandlung begleitenden Tabellen gegeben haben, ist er auch der Werth von , obwohl wir

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für den Elasticitätscoëfficienten immer den Werth von ε beibehalten, von welchem wir, wenn wir nicht weitere Erklärungen hinzufügen, beständig reden werden.

Diefs vorausgesetzt und ohne von anderen, gegebenen und angenommenen Definitionen des Elasticitätscoëfficienten zu sprechen, wollen wir zu den Versuchen übergehen, die über die Elasticität des Kautschuks angestellt wurden.

Um die Verlängerungen und Längen des Kautschuks zu messen, habe ich eine directe Methode angewandt. Der zu untersuchende Faden wurde an beiden Enden umgelegt und durch gewächsten Bindfaden fest zusammengeschnürt, um so zwei kleine Oesen zu bilden; das Schnüren geschah, während der Faden stark gespannt war. Nur auf solche Weise wurde es mir möglich, bei der äusserst elastischen Substanz eine feste und dauerhafte Verbindung herzustellen. Eine

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