Gelehrten seiner Zeit offen gestanden, nicht nur als den Musarum Evergetem Optimum Maximum (wie ihn fein andächtigster Verehrer Meibom nennt), sondern auch als ein Muster aller Regenten- und Minister - Tugenden. abzuschildern, und gegen alles, was etwa einen Schatten auf seinen Charakter werfen könnte, besonders gegen die Anschwärzungen des tadelsüchtigen Seneca, mit Faust und Ferse zu vertheidigen. Auch wo sie mit allem Krámmen und Winden seine schwache Seite doch nicht ganz verbergen können, geben sie sich so viel Mühe, sie zu bemånteln, und bringen so viele Entschuldigungen vor, warum fie ihn dennoch leider! nicht von allen den Fehlern und Gebrechen freysprechen können, ohne die er — nicht Måcenas gewesen wäre: daß man glauben sollte, es sey der Welt und den Wissenschaften unendlich daran gelegen, daß der große Musenwohlthäter durch alle Prådicamente einer Leichenrede ein Muster aller Tugenden gewesen seyn müßte. Wenn man bedenkt, daß diese Herren am Ende doch wohl keinen andern Beweggrund dazu gehabt haben, als ihm für Wohlthaten, welche nicht sie, sondern Leute, die schon viele hundert Jahre todt und verwest sind, von ihm empfingen, ihre Dankbarkeit zu bezeugen: so kann man nicht umhin, zu gestehen, daß die Gelehrten eine sehr gutherzige Art von Menschen sind; und die lobbegierigen Großen unsrer Zeit haben alle Ursache, sich dieß zum Beweggrunde dienen zu lassen, dem guten Kaiser August und seiz nem tugendhaften Minister Måcen in ihrer Frey= gebigkeit und Achtung gegen so dankbare Seelen rühmlichst nachzuahmen. Bey allem dem, und wiewohl man wenig berühmte Nahmen des Alterthums öfter und mit einem günstigern Vorurtheile genannt findet, scheint es doch, als ob die Vorstellung, die man sich gewöhnlich von seinem Charakter und von der Rolle, die er in Augusts merkwürdiger Re gierung gierung spielte, zu machen pflegt, nicht die richtigste sen. 1) Die Praefectura Urbis et Italiae, die ihm Octavian nach dem Siege bey Actium auf einige Zeit übertrug, war eine bloße Priz -vat- Commission, keine öffentliche Staatsbedienung. 1 Staatsbedienung, begnügte sich mit dem Ansehen, daß ihm sein persönliches Verhältniß zu Augusten gab, und war zufrieden, unter zehntausend anderu Römischen Rittern nur um eine einzige Stufe höher zu stehen, als der gemeinste Römische Bürger. Gesezt aber auch, man wollte ihn, wegen seines Einflusses auf August, eben so uneigentlich, wie man Diesen den ersten oder zweyten Römischen Kaiser zu nennen pflegt, dessen Minister heißen; wiewohl solche Vermengungen der Nahmen immer auch Unrichtigkeit in den Begriffen nach sich ziehen: so scheint doch das große Aufheben, das die Neuern von ihm als dem größten aller Musageten machen, und das, was seinen Nahs men zum höchsten Ehrentitel aller Staatsmänner, die den Gelehrten günstig sind, gestempelt hat, mehr auf übertriebenen Vorstellungen zu beruhen, als auf Wahrheit. Daß er Dichter, wißige Köpfe und Gelehrte aller Arten (wenn sie Leute von guter Gesellschaft waren) gern um sich leiden mochte, und sie gelegenheitlich dem August empfahl, hatte, vors Erste, einen sehr in die Augen fallenden politischen Grund; und dann, was war es mehr, als was sich bey ́jeder nicht ganz barbarischen Nation beynahe von jedem Manne von seinem Stande und Vermögen fagen låßt? -,,Seine Tafel stand diesen Herren, deren Küche oft nicht die zuverlässigste ist, offen. “ Dafür war sie auch (wie August zwischen Scherz und Ernst sagte) eine mensa parasitica, wo die Nomentanen, Balathronen und Bathyllen eben so gut ihren Plaß fanden, als Virgil und Varius, kurz, was die Tafeln der Großen und Reichen von jeher waren. ,,Aber, er schenkte ja dem. Horaz ein Landgütchen, und machte, daß August gegen Virgilen die nemliche Freygebigkeit bewies." Gut! Was Horazen betrifft, so liebs te er diesen vorzüglich; das Geschenk war auch an sich 1 eben eben nicht beträchtlich 2) und für einen Mann, den Au. gust aus der Beute der Proscriptionen und Bürgerkriege unermeßlich reich gemacht hatte, eine Kleinigkeit. Und für Virgilen, der durch Octavian selbst, während dem schändlichsten und grausamsten aller Triumvirate, um sein väterliches Erbgut gekommen war, was konnte dieser für einen Dichter wie Virgil weniger thun, 'als ihm wiedergeben, was ihm mit Ungebühr genommen worden war? Und wenn auch Horaz und Virgil eine Art von Eleinem Glücke, womit nur so unschuldige und genügsame Leute als ihres gleichen zufrieden zu feyn pflegen, durch Måceng Vermittelung gemacht hätten: was hat Måcen hierin vor einer Menge anderer seiner Art, vor und nach ihm, voraus? Nie ist vielleicht, wenn man die Sache genau untersuchen wollte, ein größerer Ruhm wohlfeiler erkauft worden, als der seinige. Man hat ihm zum Verdienst angerechnet, was der Zufall für ihn, ja sogar was Er für sich selbst that: und am Ende ist es doch weit weniger sein eignes Licht, als der Glanz, der von den Verdiensten und dem Ruhm seiner Freunde auf ihn zurückfiel, wor aus der Nimbus entstand, in welchem die Nachwelt dies sen vermeinten Mufageten zu sehen gewohnt ist. 1 Wie wenig übrigens den Meisten daran gelegen seyn mag, ihre Begriffe von einem Manne, der seine Rolle längst ausgespielt hat und ihnen weder Böses noch Gutes thun kann, mehr oder weniger zu berichtigen; so darf dieß doch weder dem Ueberseßer der Horazischen Briefe, noch Lesern, denen es darum zu thun ist, sie besser zu verstehen und einen Sinn für ihre feinsten Schönheiten zu be kommen, gleichgültig seyn. Ich bin mit Shaftesby, ry3) völlig überzeugt, daß man, ohne mit den Charaktern 23 eines 2) ie man aus dem 16ten Briefe sehen wird. 3 Characteristicks Vol. III. Misc. I. c. 3. " cines August, Macen, Florus, Lollius u. f, w. genauer bekannt zu seyn, an den Briefen, die an sie gerich tet sind, den Geschmack nicht finden könne, den sie sonst. für jeden Leser, der zum zartern Gefühl des Wahren und Schönen organisirt ist, haben müssen. Und da dieß die hauptsächliche Ursache ist, warum ich mir die Arbeit der gegenwärtigen Uebersetzung durch eine jedem Briefe vorangeschickte. Einleitung mit Vergnügen erschwert habe: so wird das engere und individuelle Verhältniß, worin unser Dichter mit Mäcenas gestanden, mich um so mehr rechtfertigen, wenn ich noch einige Blåtter dazu anwende, den Charakter dieses berühmten Mannes in so viel Licht zu sehen, als zu einer richtigern Vorstellung von diesem Verhåltniß und zu besserm Verständniß der au ihn geschriebe nen Briefe dienlich seyn kann. 3 Desto mehr Macenas hatte, ungeachtet er fein Geschlecht von uralten Hetrurischen Fürften ableitete 4), weder einen von Voreltern geerbten Ruhm zu behaupten, noch scheint ihn die Natur mit der Anlage zu dem, was man einen gro Ben Mann nennt, beschenkt zu haben. hatte er hingegen dem Glücke zu danken, welches ihn gerade in die Umstände seßte, worin er sich am meisten geltend machen konnte; und darin, daß er aus diesen günstigen Umständen den möglichsten Vortheil zu ziehen. wußte, scheint sein größtes Verdienst bestanden zu haben. Ohne starke Leidenschaften, ohne Ehrgeiz, aber mit feinen Sinnen und hellem Kopfe, lebhaft genug um in entscheidenden Augenblicken thätig zu seyn, klug und kaltblütig genug um alles, was er auf sich genommen, recht und ganz zu thun, sanguinisch genug um sich immer einen guten Erfolg zu versprechen und nicht leicht vor 4) Das find die atavi reges in der Ode an Måcenas an der Spige des ersten Buchs der Horazischen Oden. |