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den bereits erwähnten Gründen) auch aus dem Anfang der Ode 2. im IVten Buche zu schließen, welche mehrere Jahre nach dieser Epistel geschrieben zu seyn scheint.

(5) Vermuthlich eben der Celsus von Albinova, an welchen der achte Brief geschrieben ist, und der damals einer von Tibers Geheimschreibern war.

(6) Drey Jahre nach der Schlacht bey Actium (A. V. 726.) weihte August in seinem Hause auf dem Palatinischen Berge dem Apollo einen Tempel, mit einer großen Gallerie, worin eine griechische und eine lateinische Bibliothek allen Ge kehrten offen stand. Daß August die prächtige Bibliothek des Lucullus, in welcher die Griechen, die nach Rom kamen, sich (nach Plutarchs Ausdruck) wie in einem Prytaneum oder gelehrten Rathhause zusammen fanden, in diese Palatinische habe bringen lassen, ist eine bloße, wiewohl wahrscheinliche, Bermuthung: aber daß er auch die colossalische dreyßig Ellen hohe Bildsäule des Apollo, welche Lucullus aus Apollonia im Pontus nach Rom ins Capitolium geschafft hatte, in der Pa latinischen Bibliothek aufgestellt habe, wie der Abt Belley versichert und sich deswegen auf das 7. Cap. des XXXIV. -Buchs des Plinius beruft, davon sagt Plinius kein Wort.

(7) Diese Stelle, in einem bloßen Gelegenheitsbriefe an einen Commensalen des Tiberius, scheint mir ganz vorzüglich merkwürdig. Ste beweiset, däucht mich, daß die Tugend dem Horaz mehr am Herzen gelegen habe, als man sich, bey dem gemeinen Vorurtheil gegen seine Grundsäge, vorzustellen pflegt. Dá er noch einer von den Römern war, welche die Republik gesehen und ihre Erhaltung eifrig gewünscht hatten: so konnte er sich an die große Veränderung, welche nihil prisci et inF4

*) Mémoires de Litterature. Tom. 45. p. 14.

tegri

tegri moris übrig ließ, nie recht gewöhnen; und alle Augens blicke entwischt ihm, so zu sagen, ein Gedanke, eine Gesīnz nung, die für eine so verderbte Zeit zu edel, zu altrömisch war, und nicht-mehr recht passen wollte. Er kann sich nicht von der süßen Täuschung trennen, daß ein Römer noch ein Vater: land habe, und er fühlt noch nichts lächerliches dabey, einem jungen Höfling — von Weisheit und Tugend mit Wärme, und mit eben dem Ton von Gewißheit zu sprechen, wie ein erfahrner Arzt einem Kranken von der Lebensordnung spricht, die er zu halten, und von den Arzneyen, die er zu nehmen habe. Dieß macht, däucht mich, dem Herzen unsers Dichters Ehre, und um so mehr Ehre, weil man, mit einem mäßigen Theil von Aufmerksamkeit und Sinn, diese Art zu denken durch alle seine Werke durchscheinen sieht. ·

(8) Wer dieser Munatius gewesen, ob ein Sohn, Neffe oder sonstiger Anverwandter des L. Munatius Plancus, welcher einer von den Anhängern Julius Căsars, nach dessen Tole im Jahr 712 Consul, hierauf Proconsul in Gallia Comata, in der Folge einer der ansehnlichsten Anhänger des Antonius, und, nachdem er diesen verlassen und zum Octavianus Casar übergegangen, bey dem lehtern sehr beliebt, und im Jahr 742 mit Aemilius Lepidus Censor war, - oder ob er den Nahmen des Munazischen Hauses aus andern, bey den Römern gewöhnlichen, Ursachen geführt? ist eben so unbekannt als unerheblich.

Vierter

Vierter Brief.

An Albi us

Tibullus.

Einleitung.

Daß der Tibull, an welchen diese kleine Epistel geschrie ben ist, eben derjenige sey, der uns den Abdruck feiner sanften, von den Grazien selbst zu zarten Empfindungen und wollüftig melancholischer Schwärmeren gebildeten Seele in seinen Elegien hinterlassen hat, ist, ungeachtet des Scrupels des gelehrten Cruquius, keinem Zweifel unterworfen. Von der Freundschaft unsers Dichters zu ihm befinden sich in dessen Werken zwey Denkmale, die 33fte Ode des ersten Buchs, und der gegenwärtige Brief, dessen eigentliches Datum sich zwar nicht gewiß bestimmen läßt, der aber doch einige Jahre nach jener Ode, wiewohl vielleicht früher als die meisten übrigen Episteln, geschrieben zu seyn scheint.

Wie die gelehrte Cohorte der Ausleger auf den Einfall verfallen konnte, diefen kleinen vertraulichen Brief für ein Trostschreiben zu erklären, worin Horaz seinen kummervollen Freund durch eine liebliche Ansprache seines Leides habe ergößen wollen, wäre schwer zu begreifen, wenn man nicht aus so vielen Beyspielen wüßte, daß diese Herren oft den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen können. In dem ganzen Briefchen ist zwar keine Spur von der vorgeblichen Schwermuth des Tibullus: aber es kam ihnen doch gar nicht natürlich vor, daß ein Dichter, der,

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der, laut seiner noch vorhandnen Elegien, so viel angenehmes mit den Delien und Neåren zu verkehren gehabt hatte, auf einmal so still und einsam in Wåldern herum kriechen und sich in moralische Betrachtungen vertiefen sollte. Nun fiel ihnen ein, daß Tibull in seinem heróischen Gedicht an Meffalla Corvinus von großen Reichthümern spricht, deren er durch die Unbeständigkeit des Glücks beraubt worden sey, - und daß er gleich die erste seiner Elegien damit anfångt, `fich für arm zu erklären. Dieß glaubten sie, mache nun alles sehr begreiflich: denn natürlicherweise habe einer, der aus einem reichen Mann ein armer Mann geworden, alle Ursache von der Welt, den Kopf hången zu laffen, u. s. w. Sie vergaßen aber, daß Tibull, an eben dem Orte, wo er von seinen verlornen Reichthümern spricht, auch zu verstehen giebt,`` daß er noch Etwas zu verlieren habe, und daß die Armuth, die er in der ganzen ersten Elegie mit sehr anmuthigen Farben schils dert, und bey welcher er sich höchst glücklich preist, bloß vergleichungsweise mit den Reichthümern eines Macens oder Messalla oder Eneus Lentulus, diesen Nahmen verdiente; kurz, daß es eine Art von Armuth war, woben kein gesunddenkender Mensch den besagten Encus Lens tulus um die fünf und zwanzig Milliorken Gulden beneiden wird, die er (nach Seneca's Versicherung *) besaß ohne sie genießen zu können, und größentheils wieder verlor, ohne zu wiffen wie es damit zugegangen.

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Das Wahre von Tibulls Umstånden scheint dieß gewesen zu seyn. Er verlor in den bürgerlichen Unruhen,

unter

*) Seneca, de Benefic. II. 27. Er war, fagt Sencca, das höchste Beyspiel von Reichthum bey Privatleuten, denn er sah fich, durch die liberalitatem Augusti, im Besig von 400 Millionen Sefterzien. Wenn vier Sefterzien auf einen Denar, und vier Denare auf eis nen Gulden gerechnet werden, so giebt dieß die obige Summe.

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unter dem letzten Triumbirat, in seiner frühen Jugend die beträchtlichen Güter, welche seine Vorfahren als rỗmische Ritter vermuthlich durch Staatspachtungen gewon nen hatten. Er bekam aber, als August die verderblis chen Folgen der Bürgerkriege wieder möglichst zu vergüten suchte, so viel davon zurück, oder rettete wenigstens noch so viel aus dem Schiffbruch, als er brauchte, um, bey nicht allzu ausschweifenden Wünschen, unabhängig und vergnüglich leben zu können. Dieß lettere bezeugt die gegenwärtige Epistel, und in Tibulls eignen Gedichten ist nichts, was nicht damit übereinstimmte.

Seine Anhänglichkeit an Messalla Corvinus beweiset nichts für die vermeinte Dürftigkeit Tibulls. Denn jeder Römer von mittelmäßigem Stand und Vermögen hatte unter den Großen seinen Patron, deffen Client er war. Dieses Verhältniß war der Kütt, womit der Stif ter Roms fein politisches Gebäude zusammengefügt hatte; und in dem Zeitpunkte, da die Republik sich unvermerkt in eine Monarchie verwandelte, war es nothwendiger als jemals, einen Freund und Beschüßzer zu haben, der Demjenigen nahe wäre, von welchem alles abhing.

Aber dieß Verhältniß verhinderte nicht, sondern be förderte vielmehr die Freyheit und sichre Muße, worin Tibull jenen wohlthätigen Gottheiten diente, zu deren. Dienst der weise Solon noch in seinem hohen Alter sich, bekannte, und von denen, wie er sagt, alle Freuden der Sterblichen kommen.

Tibull liebte mit seiner Phantasie in den golduen Zeiten Saturns und in Elysischen Gefilden herumzuschweifen; er liebte, wie Horaz, Freyheit und gelehrten Müffiggang. Daher lebté er auch, wie Horaz, am liebsten auf dem

Lande,

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