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obigen Erklärungen im Interesse einer wissenschaftlichen und definitiven Klarstellung der obschwebenden Differenz unserer Anschauungen nicht thun zu dürfen.

Zunächst erlaube ich mir zu constatiren, dafs Hr. Helmholtz bereits selbst anerkannt und zugegeben hat, dals, unter einer bestimmten Voraussetzung, Versuche an geschlossenen Strömen“ zur Widerlegung seines elementaren Potentialgesetzes nicht „principiell falsch angelegt seyen". Diese Voraussetzung besteht darin, dafs bei den von C. Neumann, Riecke und mir angeführten elektrodynamischen Rotationen, die den beweglichen Leiter treibende Kraft, in Uebereinstimmung der bisherigen Anschauungen, auf alle Elemente des Leiters selber direct einwirke. Unter dieser Voraussetzung, welche von C. Neumann und Riecke vor dem Erscheinen der dritten Abhandlung von Helmholtz ') als selbstverständlich gemacht wurde, erklärt sich Hr. Helmholtz vollkommen damit einverstanden, dass jene nur mit geschlossenen Strömen ausführbaren Rotations versuche zur Widerlegung seines Potentialgesetzes principiell richtig angelegt seyn würden, indem er S. 306 a. a. O. wörtlich erklärt:

„Hr. Riecke hat recht, dals in diesem Falle das Potential, welches die Kreisströme auf den Radius ausüben, sich bei dessen Bewegung nicht ändert, weil er immerfort in symmetrischer Lage zu ihnen bleibt".

„An ähnlichen Beispielen hat Hr. C. Neumann Anstofs genommen?) und leugnet defshalb die Anwendbarkeit des von seinem Vater aufgestellten Potentialgesetzes auf Stromelemente".

Hr. Helmholtz sucht nun aber zu beweisen, dafs die HH. C. Neumann und Riecke sich in ihrer Voraussetzung, unter welcher jene Rotationsversuche, wie Hr.

1) Borchardt's Journal für Mathematik, Bd. 78, Heft 4, S. 273 bis 324 und Monatsberichte der Berl. Akademie d. W. 6 Febr. 1873, S. 92 bis 104.

2) Die elektrischen Kräfte. Leipzig 1873, S. 77 bis 79.

Helmholtz zugiebt, im Widerspruch mit seinem Potentialgesetze stehen würden, geirrt hätten. Es sey vielmehr eine nothwendige Consequenz seines Potentialgesetzes, dafs jene von den Magneten oder dem Solenoïd erzeugten Kräfte, durch welche der bewegliche Leiter in Bewegung gesetzt wird, nicht direct alle Elemente desselben afficirten, sondern nur diejenigen, welche in der Uebergangsschicht, d. h. in der sogenannten Gleitstelle liegen, zwischen dem Ende des starren Leiters und der Flüssigkeit, in welche derselbe eintauchen muss, um bei geschlossenem Strome beweglich zu seyn. Nur diese Elemente in der Gleitstelle seyen es, auf welche die elektrodynamisch vom Magneten ausgeübten Kräfte direct wirkten, und hierdurch werde, erst indirect, ähnlich wie der Körper einer Locomotive durch den Angriff der treibenden Kraft auf die Räder '), der übrige starre Theil des Leiters fortgeführt. Dem entsprechend erklärt Hr. Helmholtz, alle die von Neumann und Riecke gegen sein Potentialgesetz gemachten Einwände für nichtig, und giebt gleichzeitig ziemlich deutlich zu verstehen, dafs beide Herren ebenso wie Hr. Bertrand in Paris bei gröfserer Gewandtheit in der Mathematik, sich eigentlich selber durch eine methodische Durchführung des Beweises mit Beseitigung der früheren beschränkenden Annahmen" 2) aus seinem Potentialgesetze jene Folgerungen hätten ableiten können. Denn, sagt Hr. Helmholtz, „die mathematischen Methoden dafür waren durch die früheren Arbeiten gegeben“ und es wäre das, was dem vollständigen Beweise des Potentialgesetzes noch fehlte, „jetzt verhältnifsmäfsig leicht zu ergänzen“. gewesen. Hr. Helmholtz glaubt sich daher auch dem Leserkreise eines so hoch stehenden mathematischen Journales gegenüber zu einer besonderen Entschuldigung verpflichtet, dafs er überhaupt für eine solche Arbeit einen Platz in diesem Journale in Anspruch nehme, indem er wörtlich (S. 276 a. a. O.) bemerkt:

1) Diesen Vergleich gestatte ich mir zur Verdeutlichung. 2) Dritte Abhandlung, S. 176.

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Die mathematischen Methoden dafür waren durch die früheren Arbeiten gegeben, und ich würde kaum gewagt haben, für eine solche Arbeit den Platz in diesem Journale in Anspruch zu nehmen, wenn nicht die Schwierigkeiten, auf welche die HH. Bertrand, C. Neumann und Riecke bei der Anwendung des Potentialgesetzes gestofsen sind, und die Einwände, die sie daraus hernehmen zu dürfen glaubten, mir gezeigt hätten, dafs eine methodische Durchführung des Beweises mit Beseitigung der früheren beschränkenden Annahmen wünschenswerth und nützlich seyn würde".

Als Resultat dieser methodischen Durchführung des Beweises ergiebt nun das Potentialgesetz aufser den Kräften von Stromelement auf Stromelement noch weiter:

a) Kräfte zwischen Stromelementen auf Stromenden, b) Kräfte zwischen Stromenden" 1).

Die unter b) angeführten Kräfte sind es nun, welche in ihrer Anwendung auf Gleitstellen alle die von Bertrand, C. Neumann und Riecke gegen das Helmholtz'sche Potentialgesetz angeführten Bedenken als nichtige erscheinen lassen. Denn diese Kräfte zwischen Stromenden an den Gleitstellen erklären vollständig jene elektrodynamischen Rotationen. So bemerkt z. B. Hr. Helmholtz: Hrn. Riecke gegenüber

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Wenn, wie in dem Beispiel von Hrn. Riecke, ein Radius eines Kreises den Strom vom Mittelpunkte desselben, um den er drehbar ist, zur leitenden Peripherie führt, und dabei unter dem Einflusse anderer concentrischer Kreisströme steht, so wirkt, wie Hr. Riecke richtig bemerkt, nach dem Potentialgesetz unmittelbar gar keine Kraft auf den festen Theil des Radius, dessen relative Lage gegen die Kreisströme sich nicht verändert und es kommt allein das Kräftepaar zur Erscheinung, welches auf die Uebergangsschicht 1) Monatsberichte d. Königl. Akademie d. W. zu Berlin 6. Febr. 1873. S. 99.

an der Gleitstelle wirkt. Dieses aber bedingt in der That den ganzen Erfolg").

Nachdem nun die ganze Controverse in diese Phase der Entwickelung getreten ist, erkennt Hr. Helmholtz offenbar mit voller Klarheit, dafs das ganze Gebäude seiner Prämissen und mathematischen Deductionen, mit deren Hülfe er sein Potentialgesetz entwickelt hat, nothwendig zusammenbrechen mufs, wenn sich Experimente anstellen lassen, welche jene aus dem Potentialgesetze abgeleitete Wirkungsweise der Gleitstellen schlagend widerlegen. Denn von nun an, wo der Schwerpunkt der ganzen Streitfrage in die experimentelle Widerlegung der treibenden Kraft in den Gleitstellen verlegt ist, betont Hr. Helmholtz bei jeder Gelegenheit in den verschiedensten Formen und Wendungen, wie man sich diese Wirkungsweise der Gleitstellen etwa zu denken und anschaulich zu machen habe. Zum Beweise meiner Behauptung gebe ich hier eine kleine Zusammenstellung dieser charakteristischen Erläuterungen.

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Hr. Helmholtz behauptet nämlich, bei der elektrodynamischen Rotation des beweglichen Leiters seyen: ,,die Vorgänge in der Gleitstelle allein in diesem Falle das Treibende") und es wirkte unmittelbar gar keine Kraft auf den festen Theil") sondern es käme allein das Kräftepaar zur Erscheinung, welches auf die Uebergangsschicht an der Gleitstelle wirkt 4). Vielmehr ergäbe sich aus aus seinem Potentialgesetze, dafs rotirende Kräfte auf die stromleitenden Flüssigkeitsfäden des Quecksilbers oder der Elektrolyten einwirkten, durch welche man dem peripherischen Ende des Bügels den Strom zuleiten muss") und nur hierdurch entstände jene Rotation, denn es würden durch

1) A. a. O. 102.

2) Borchardt's Journ. Bd. 79, S. 306.

3) Ebendas. S. 302.

4) Ebendas. S. 302.

5) Pogg. Ann. Bd. 153, S. 549.

jene rotirenden Kräfte“ „die dem Leiter adhärirenden Theile dieser Flüssigkeitsfäden im Sinne der wirklich stattfindenden Rotation fortbewegt und nehmen den festen Leiter mit" 1).

Aus allen diesen Erläuterungen geht wohl zur Genüge hervor, welches bedeutende Gewicht Hr. Helmholtz selber, und zwar mit vollem Rechte, auf die einzige Stütze seines Potentialgesetzes legt, nämlich auf die aus demselben mathematisch deducirte Mechanik der Gleitstellen. Nachdem sich daher in dieser greifbaren Gestalt die ganze Controverse um einen bestimmten und experimentell erreichbaren Punkt gruppirt und consolidirt hatte, war ich entschlossen, mit Hülfe von Experimenten diese endgültige Entscheidung herbeizuführen. Diese Experimente waren daher ausschliesslich nur auf eine Widerlegung der Helmholtz'schen Mechanik der Gleitstellen gerichtet. Da jedoch diese Mechanik nur die einzige Stütze des Helmholtz'schen Potentialgesetzes war, so musste durch eine experimentelle Widerlegung dieser Gleitstellentheorie auch das unzertrennlich mit letzterer verbundene elementare Potentialgesetz experimentell widerlegt seyn.

Demgemäss wurde von mir zunächst der Faraday'sche elektrodynamische Rotationsversuch einfach dahin abgeändert, dafs die Enden des beweglichen Bügels nicht, wie gewöhnlich, direct in das Quecksilber tauchten; sondern vermittelst längerer Ketten, die lose in den hakenförmig umgebogenen Enden des beweglichen Bügels lagen, mit dem Quecksilber in leitender Verbindung standen. In diesem Falle befinden sich die wirksamen Gleitstellen, über welche bei der Rotation des Bügels die Kette hinweggleitet, zwischen dem untersten Ringe und der Quecksilberoberfläche, auf welcher derselbe schwimmt. Wären nun bei der elektrodynamischen Rotation des Bügels nach der Gleitstellentheorie von Helmholtz „die Vorgänge in der Gleitstelle allein in diesem Falle das Treibende" und 1) Pogg. Ann. Bd. 153, S. 549. Poggendorff's Annal. Bd. CLVIII.

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