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leicht zu berechnen, welche Temperatur der Draht besafs, da dessen Widerstand b war, und folglich auch, ob die gemessene Verlängerung a ausschliesslich der Temperaturerhöhung zuzuschreiben war oder nicht. Hierbei stellte sich immer heraus, dafs die Verlängerung des Drahtes gröfser war als dafs sie aus der Temperaturerhöhung erklärt werden konnte. 2) Die zweite Methode bestand darin, dafs der Draht in einem Luftbade erwärmt und dessen Länge und galvanischer Widerstand bei der erhaltenen Temperatur gemessen wurde. Ohne dafs der Draht im Geringsten verrückt wurde, liefs ich, nachdem derselbe wieder abgekühlt war, einen galvanischen Strom durch denselben gehen, und vergröfserte allmählich die Stromstärke bis dafs der Leitungswiderstand eben so grofs wurde als da der Draht in das Luftbad eingesetzt war, wonach die Länge des Drahtes wieder gemessen wurde. Es zeigte sich immer hierbei, dass die Länge im letzten Falle gröfser als in dem frühern war, obgleich der Leitungswiderstand und folglich auch die Temperatur in beiden Fällen dieselbe war. 3) Bei der dritten Methode wurde in der Art verfahren, dafs man einen Strom durch den Draht gehen liefs, während dieser in Eiderdaunen eingelegt und folglich der Abkühlung wenig ausgesetzt war, wonach die Länge und der Leitungswiderstand des Drahtes gemessen wurden. Darauf wurden die Eiderdaunen weggenommen und die Luft rings um den Draht mit einem Ventilator (einer Flügelwelle) in Bewegung gesetzt. Während also der Draht einer starken Abkühlung ausgesetzt war, wurde die Stärke des durch den Draht gehenden Stromes so abgepasst, dafs der Widerstand des Drahtes eben so grofs wie in dem ersten Falle, wonach man die Länge des Drahtes wieder maafs. Damit der Draht in beiden Fällen denselben Widerstand und folglich dieselbe Temperatur erhalte, mufste die Stromstärke im letzten Falle bedeutend gröfser als in dem ersten Falle genommen werden. Es zeigte sich immer hierbei, dafs die Länge des Drahtes im letzten Falle gröfser als im ersten war, obgleich er in beiden die nämliche Temperatur hatte. Alle

drei Methoden geben also dasselbe Resultat, nämlich dass der Draht bei dem Durchgange des Stromes mehr ausgedehnt wird, als es der Wärmeausdehnung entspricht. Damit diese Beobachtungsmethoden ein zuverlässiges Resultat geben, wird erfordert, dass der Widerstand, so wie er in dem Ohm'schen Gesetze vorkommt 1), nicht direct von der Stromstärke abhängig sey, dafs heisst, dafs der Widerstand, insofern die Temperatur unveränderlich gehalten wird, nicht mit der Stromstärke sich verändere. Mit anderen Worten, die angewandten Beobachtungsmethoden setzen voraus, dafs das Ohm'sche Gesetz vollkommen richtig sey; dieses Gesetz ist aber so vielfach geprüft worden, dafs irgend ein Zweifel an dessen Richtigkeit nicht obwalten kann.

Gegen die Richtigkeit der erhaltenen Resultate hat Hr. Wiedemann folgende Bemerkungen gemacht 2): 1) Wenn die vom Strom erwärmten Drähte von aussen abgekühlt werden, und ihre mittlere Temperatur dieselbe ist, wie die eines durch seinen ganzen Querschnitt hindurch gleichmässig erwärmten Drahtes, so braucht darum die Verlängerung in beiden Fällen noch nicht unbedingt dieselbe zu seyn. 2) Der indirecte Schlufs von dem Leitungswiderstande der Drähte auf ihre mittlere Temperatur erscheint nicht ganz sicher, da z. B. schon beim Umwickeln der Drähte um die Glasstäbe des Apparates zur Widerstandsmessung ihr Widerstand ein anderer werden kann, als wenn sie gerade ausgespannt sind. Eine directere Temperaturbestimmung der Drähte wäre also wünschenswerth. 3) Beim Durchleiten des Stromes durch den Draht könnten auch sowohl in Folge der Erwärmung desselben wie der ihn haltenden und mit den Neusilberdrähten verbundenen Klemmen thermoelektromotorische Kräfte auftreten, die die Genauigkeit der Widerstandsbestimmung beeinträchtigen könnten. Nach Hervorhebung

1) Diesen Widerstand habe ich in meiner Abhandlung Theorie des phénomènes électrique den principalen Widerstand genannt.

2) Die Lehre vom Galvanismus 2. Aufl., Bd. 1, S. 731 (1873).

dieser Zweifel fügt Hr. Wiedemann hinzu: Gerade bei der grofsen Bedeutung des zu beweisenden Resultats und der grofsen Schwierigkeit der Beobachtungen erscheint eine Hervorhebung und Beseitigung aller zweifelhaften Punkte besonders nöthig.

Diese Bemerkungen des Hrn. Wiedemann haben dem Hrn. Dr. Streintz Veranlassung gegeben diese Frage noch ein Mal zu behandeln, und er hat dabei eine Methode, die von der meinigen ganz verschieden war, benutzt 1). Hr. Streintz bestimmte mit Sorgfalt den Erstarrungs- und den Schmelzpunkt des Stearins. Der erstere betrug 530,4 und der letztere 55°,5 C. Nachdem der zu untersuchende Draht stellenweise mit einer äusserst dünnen Schicht Stearin überzogen war, wurde ein galvanischer Strom durch den Draht geschickt, und die Stromstärke allmählich erhöht bis das Stearin zu schmelzen begann, wobei die Verlängerung des Drahtes gemessen wurde. Als diese Verlängerung mit derjenigen, die der Draht beim Erhitzen in einem Luftbade zu derselben Temperatur erhielt, verglichen wurde, zeigte sich, dafs jene gröfser als diese war. Die Versuche des Hrn. Streintz bestätigen also vollständig das Resultat, wozu ich früher gekommen war. Der einzige Unterschied zwischen seinem Resultate und dem meinigen besteht darin, dafs er die galvanische Ausdehnung im Allgemeinen gröfser als ich gefunden. Nur bei Drähten von hartem Stahl zeigte sich die galvanische Ausdehnung unmerklich. Drähte von diesem Material waren aber von mir nicht untersucht worden. Auf die absolute Gröfse der galvanischen Ausdehnung darf man jedoch wohl nicht so grolses Gewicht legen, weil diese nach Hrn. Streintz' Versuchen sogar für Drähte von gleichem Materiale ganz verschieden ausfällt.

Hr. Wiedemann macht auch eine Bemerkung gegen die Zuverlässigkeit der Untersuchung des Hrn. Streintz. Nach seinem Erachten ist nämlich die erste der drei oben genannten Bemerkungen auch gegen diese Untersuchung 1) Die Lehre vom Galvanismus 2. Aufl., Bd. 2. Nachtrag 66.

gültig, und er giebt derselben einen bestimmteren Ausdruck indem er äufsert: „Auch diese sehr sorgfältigen Versuche lassen immer noch einen Zweifel zu. Gerade

bei dünnen Drähten ist die Oberfläche im Verhältnifs zur Masse sehr bedeutend, also die Wärmeabgabe nach aufsen und die Temperaturabnahme von dem centralen Theil nach den peripherischen Theilen sehr hervortretend. Wenn aber die durch den Strom erhitzten Drähte hierdurch innen eine höhere Temperatur besitzen als aufsen, so erscheinen sie im Vergleich zur äusseren Temperatur zu lang. Vielleicht würden gerade Versuche mit dickeren Stäben sicherer zum Ziele führen"1). Wir werden nun die Baschaffenheit dieser Bemerkungen in näheren Betracht ziehen.

Was die erste Bemerkung betrifft, so ist es deutlich, dafs der Temperaturunterschied zwischen Axe und dem Umkreise des Drahtes um so viel gröfser seyn mufs als der Draht stärker erhitzt wird. Bei meiner ersten Untersuchung war dieses mit dem Platindraht in den Versuchen 4 a und b der Fall. Die Temperatur des Drahtes war hier 73° über die der umgebenden Luft hinaus, und die Ausdehnung desselben betrug 139,5 Scalentheile 2). Als der galvanische Strom geöffnet wurde, verkürzte sich der Draht, wie die mitgetheilten Beobachtungen zu erkennen gaben, um 2,4 Scalentheile in 0,36 einer Secunde, das heifst, er verminderte seine Temperatur um 1,256 Grad in derselben Zeit und also um 3°,49 in einer Secunde. Der Draht war 118,4 Ctm. lang und dessen Durchmesser 0,0542 Ctm. Wenn das specifische Gewicht des Platins zu 21 und dessen Räumlichkeit für Wärme zu 0,0524 genommen werden, und wenn man das Gramm zur Einheit für das Gewicht wählt, so findet man, dass der Draht bei dieser Temperatur 0,648 Wärmeeinheit in der Secunde verlor.

Durch eine Kupferwand, die 1 Ctm. dick und deren eine Oberfläche 1 Grad wärmer als die andere ist, pflanzen 1) Pogg. Ann. Bd. 129, S. 26.

2) Sitzungsber. der K. Akad. d. Wissensch. zu Wien 1873. (Pogg. Ann. Bd. 150.)

sich, auf jedes Quadratcentimeter der Oberfläche, nach Neumann 66,47 Wärmeeinheiten in der Minute, also 1,108 Wärmeeinheit in der Secunde fort. Nach Wiedemann's Bestimmung des relativen Leitungsvermögen der Metalle gehen also, wenn die Wand aus Platin besteht, 0,126 Wärmeeinheit in der Secunde von der einen Oberfläche zu der anderen über.

Mit Benutzung dieser Angaben ist es leicht zu berechnen, wie viel die Temperatur in der Axe des Drahtes höher als am Umkreise war. Weil die Verlängerung und folglich auch die Temperatur des Drahtes, während des Durchganges des Stromes, constant waren, so mufs die Wärmemenge, die der Strom in einer Secunde entwickelte, derjenigen Wärmemenge, die der Draht durch Ausstrahlung und Berührung mit der umgebenden Luft in derselben Zeit verlor, gleich seyn. Der Strom entwickelte also in dem ganzen Drahte während einer Secunde 0,648 einer Wärmeeinheit. Wenn wir nun den Halbmesser des Drahtes ro nennen, und mit r den Halbmesser eines concentrischen Cylinders innerhalb des Drahtes bezeichnen, SO ist es selbstverständlich, dafs die Wärmemenge, die in diesem Cylinder während einer Secunde entwickelt wird, gleich 0,648 der Wärmeeinheit seyn muss. Die Oberfläche dieses Cylinders ist gleich 118,4 × 2лr = 743,93 r Quadratcentimeter. Weil die Temperatur des Drahtes constant bleibt, so muss die Wärmemenge 0,648 in der Secunde durch diese Oberfläche fortgehen. Wenn dt und dr die Differentiale der Temperatur und des Halbmessers bedeuten, und das absolute Leitungsvermögen des Platins, wie oben gezeigt wurde, zu 0,126 angenommen wird, so hat man folglich:

oder

r2

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