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II. Mittheilungen aus dem mineralogischen Institut der Universität Strafsburg.

(Forts. von Bd. 157, S. 115 ff.)

12. Ueber symmetrische Ver wachsungen circularpolarisirender Krystalle; von P. Groth.

Es ist bekanntlich schon vielfach darauf hingewiesen wor

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den, dafs in der Mehrzahl der sogenannten Zwillingsverwachsungen zwei Krystalle derart verbunden sind, dafs der eine zum anderen in Bezug auf eine Krystallfläche, welche an beiden parallel ist, symmetrisch liegt, oder, wie es treffend ausgedrückt worden ist, dafs beide eine bestimmte Krystallfläche gemein haben und umgekehrt liegen“, wobei die Fläche, mit welcher sie an einander grenzen, eine ganz beliebige seyn kann. Selbstverständlich kann jene gemeinsame Ebene, die Zwillingsebene, niemals eine solche seyn, nach welcher der einzelne Krystall symmetrisch ist. Es würde vielleicht eine gröfsere Klarheit in der Auffassung dieser Verhältnisse Platz gegriffen haben, wenn man stets ein solches Zwillingsgesetz auch entsprechend definirt hätte als symmetrische Verwachsung zweier Krystalle nach der Zwillingsebene, statt mit Hülfe der, in diesem Falle gänzlich unnöthigen „Drehungsaxe“.

Der Verf. hat in seiner kürzlich erschienenen „physikalischen Krystallographie" versucht, in dieser Art die Definition der wichtigeren Zwillingsgesetze consequent durchzuführen und zu zeigen, dafs nur einzelne der bekannten Verwachsungen in anderer Art aufzufassen seyen, nämlich als Analoga der Verwachsungen verschiedenartiger Krystalle (Eisenoxyd und Rutil u. s. f.). Besonders gilt dies von den häufigen Zwillingen des Quarzes, bei welchen das positive Rhomboëder des einen Krystalles parallel dem negativen des anderen ist; diese Verwachsung ist nicht symmetrisch nach dem Prisma erster Ordnung oder nach

der Basis, denn in diesem Falle müfste der eine Theil des Zwillings rechte, der andere linke Trapezoëder zeigen, ersterer die Polarisationsebene des Lichtes rechts, der andere links drehen; während bekanntlich stets zwei rechte oder zwei linke Quarze derart verwachsen sind.

Man hätte dann also scharf zu unterscheiden zwischen zwei ganz verschiedenen Klassen von regelmässigen Verwachsungen, denen von der Art der oben erwähnten Quarzzwillinge und den symmetrischen Zwillingen, bei denen ein Krystall das Spiegelbild des anderen in Bezug auf eine bestimmte Krystallfläche ist.

Den besten Prüfstein für die Richtigkeit der Erklärung der letzteren Klasse müssen offenbar die circularpolarisirenden Krystalle darbieten, weil das Spiegelbild eines rechtsdrehenden enantiomorphen Krystalls stets ein entgegengesetzt gestalteter und linksdrehender seyn mufs. Da circularpolarisirende, also einer enantiomorphen Hemiëdrie oder Tetartoëdrie angehörende, Krystalle keine Symmetrieebene besitzen, so kann bei ihnen jede beliebige Krystallfläche Zwillingsebene werden.

Man kannte bisher von, ihrer Ausbildung nach symmetrischen, Zwillingen derartiger Substanzen solche von Quarz, die bekannten anscheinend skalenoëdrischen Krystalle von Brasilien (s. G. Rose, Abhandl. d. Berl. Akad. 1846, S. 40, Fig. 50), welche nach des Verf's. Untersuchung (d. Ann. Bd. 137, S. 433) in der That aus rechts und links drehenden Theilen zusammengesetzt sind; die Zwillingsebene derselben ist eine Fläche des Prisma 2. Ordnung (s. Groth, physikal. Krystallographie, S. 443). Ferner sind die Verwachsungen von rechts und links drehenden Krystallen des unterschwefelsauren Blei, welche Brezina (Sitz. -Ber. d. Wiener Akad. 64 Bd., 1. Abth. Okt.) beschreibt, wohl als symmetrische Zwillinge nach der Basis aufzufassen. Im Folgenden sollen nun weitere, bisher nicht beobachtete symmetrische Verwachsungen der drei interessantesten circularpolarisirenden Substanzen beschrieben werden, nämlich des chlorsauren Natrium, des Quarzes

und des überjodsauren Natrium, welche eine vollständige Bestätigung der vom Verf. in dem citirten Werke gegebenen Darstellung der Zwillingskrystalle liefern.

1. Chlorsaures Natrium = Na Cl 03.

Von diesem Salze erhielt ich kürzlich aus der chemischen Fabrik des Hrn. Dr. Schuchardt in Görlitz eine Reihe sehr interessanter Krystalle, welche die Kenntnifs dieses merkwürdigen Körpers wesentlich erweitern '). Ich habe in meiner physikalischen Krystallographie S. 238 f. durch eine consequente Durchführung der N a umann'schen Auffassung der scheinbar holoëdrischen Formen als hemiëdrischer Gränzgestalten gezeigt, dafs bei den circularpolarisirenden tetartoëdrischen Krystallen des regulären Systems nicht, wie man bisher geglaubt hatte, die Lage des Tetraëders (rechts oder links) am Pentagondodekaëder den Sinn der Drehung bestimme, sondern dafs vielmehr beide Tetraeder an den Krystallen vorkommen könnten (s. S. 245, Z. 19 v. o.) und nur die beiden entgegengesetzten Pentagondodekaeder einander an einfachen Krystallen ausschlössen, diese daher allein geeignet seyen, den Sinn der Circularpolarisation erkennen zu lassen. Eine unverhoffte Bestätigung dieser Darstellung lieferte ein in jener Sendung enthaltener, optisch einfacher, rechts drehender Krystall, der die Combination des Hexaëders mit beiden Tetraëdern zeigte, die Flächen des einen etwas grösser als diejenigen des andern und fast so grofs, als die des Würfels.

Aus der 1. c. gegebenen theoretischen Herleitung aller möglichen Formen der tetartoëdrischen regulären Krystalle folgt ferner, dafs, wie das Octaëder in zwei Tetraëder, die

1) Hr. Dr. Schuchardt war so freundlich, mir den ganzen Vorrath der betreffenden Krystalle zu übersenden, und habe ich, nach Auswahl einer kleinen Zahl für mich, die übrigen, nach der krystallographischen Ausbildung sortirt, an genannten Herrn zurückgeschickt, von welchem demnach Interessenten die hier beschriebenen Arten von Krystallen beziehen können.

Pyramidenoctaëder in je zwei Deltoiddodekaëder zerfallen. Während bisher letztere Formen noch nicht am chlorsauren Natrium beobachtet worden waren, enthielt die mir zu Gebote stehende Sendung eine Anzahl bis zollgrofser Krystalle, gebildet allein von einem, sehr tetraëderähnlichen, Deltoiddodekaëder Fig. 1, Taf. IV, z. Th. in Combination mit dem gleichgestellten Tetraëder; die Messungen desselben konnten allerdings der unebenen Flächenbeschaffenheit halber nur angenäherte sein, lieferten aber mit Bestimmtheit den Beweis, dafs die Form das Zeichen

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besitze, dessen Winkel derjenigen Kanten, welche in den dreikantigen Ecken zusammenstofsen, 162° 40' (gefunden 161-163 an verschiedenen Krystallen). Diese Deltoiddodekaëder waren sämmtlich stark gestreift und gekrümmt, sowie trübe durch zahlreiche Flüssigkeitseinschlüsse; meist zeigten sie eine einzige Würfelfläche als diejenige, mit welcher sie auf der Glaswand des Krystallisationsgefälses aufgelagert waren, und diese Fläche zeigte dann stets ein scharf abgegränztes, diagonal gestelltes, Rechteck, welches bewies, dafs die Krystalle durch Fortwachsen aus Hexaëdern, der gewöhnlichen Form dieses Salzes, sich gebildet hatten (s. unten). Neben den Combinationen von 10 mit 30 0 kamen auch einzelne Krystalle, nur letztere Form zeigend, vor.

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Sowohl die Hälftflächner des Pyramidenoctaëders, als auch deren Combinationen mit dem Tetraëder, als endlich auch einfache Tetraëder selbst, fanden sich nun in einer ganzen Anzahl von Exemplaren zu je zweien mit einander verwachsen zu Zwillingen eines Gesetzes, welches allerdings bei natürlichen Mineralien der tetraëdrisch-hemiëdrischen Abtheilung des regulären Systems (Diamant) schon erkannt worden ist, aber in solcher Schönheit der Ausbildung noch nicht beobachtet wurde. Hier ist es ferner möglich, die Richtigkeit seiner Auffassung als symmetri

sches Zwillingsgesetz zu prüfen. Es sind nämlich zwei der erwähnten Krystalle senkrecht durcheinander gewachsen, d. h. symmetrisch in Bezug auf die Würfelfläche. Fig. 2, Taf. IV stellt den einfachsten Fall dar, in welchem beide Krystalle nur das Tetraëder zeigen, Fig. 3 den häufigsten, nämlich den zweier Deltoiddodekaëder. Obgleich auch diese Krystalle sehr trübe waren, gelang es doch, Schliffe von mehreren darzustellen, welche den Sinn der Drehung der Polarisationsebene mit Sicherheit zu erkennen gestatteten, und es ergab sich dabei, dass im Zwilling stets ein rechtsdrehender Krystall mit einem links drehenden verbunden sey. Im mittleren Theil, wo beide durcheinander gewachsen sind, herrscht gewöhnlich der eine vor, und der andere durchsetzt ihn in dreieckig begrenzten, durch die entgegengesetzte Drehung im polarisirten Licht leicht erkennbaren, Partien. Ueber die Ausbildung ist noch zu bemerken, dass bei allen eine Tetraederfläche des einen Krystalls als Auflagerungsfläche auf dem Boden des Krystallisirgefäfses gedient hat, daher, wenn der andere Krystall gleich grofs ist, auch dieser mit einer in dieselbe Ebene fallenden Fläche, d. h. mit einer solchen des sonst nicht auftretenden Gegentetraëders, aufgelagert erscheint.

Aufser den beschriebenen Krystallen lag mir noch eine grofse Zahl aus einer andern Darstellung herrührender vor, welche gleichsam ein Mittelglied zwischen jenen und denen der gewöhnlichen Ausbildung des Natriumchlorats bildeten. Es waren durchsichtige, einfache, theils rechts, theils links drehende Würfel, deren vier abwechselnde Ecken durch ein Deltoiddodekaeder zugespitzt waren, dessen Flächen aber derart regelmässig gerundet erschienen, wie man es kaum beim Diamant beobachtet, und welches daher nicht bestimmt werden konnte; manche Exemplare zeigten auch schmal das Dodekaëder. Oft herrschte das Deltoiddodekaeder über das Hexaëder vor, und es wurde hierdurch also eine Annäherung an den Habitus der oben beschriebenen Krystalle bewirkt. Zu den Flächen dieses Deltoiddodekaeders traten noch oft diejenigen des gleich

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