Page images
PDF
EPUB

berechtigt, im zweiten Theile der vorliegenden Experimentaluntersuchung einige theoretische Consequenzen dieser elektrodynamischen Theorie der Molecularkräfte vorläufig anzudeuten und mit bekannten Thatsachen der Erfahrung zu vergleichen.

Erster Theil.

1.

Die Bedingungen, uuter denen zwei verschiedenartige Körper durch gegenseitige Reibung elektrisch werden, sind vielfach zum Gegenstande eingehender, zum Theil sehr umfangreicher Untersuchungen gemacht worden 1). Im Wesentlichen handelte es sich jedoch hierbei nur um Ermittelung derjenigen Verhältnisse, von denen die Quantität und Qualität der erregten Elektricität der beiden Körper abhängt. Dagegen sind die Vorgänge, durch welche sich das gestörte elektrische Gleichgewicht im Innern oder an der Oberfläche der geriebenen Körper wieder herstellt, d. h. also die strömenden Bewegungen der Elektricität, so weit mir bekannt, bei der gleitenden Reibung noch nicht genauer erforscht worden 2).

Als Resultat der hierauf bezüglichen und sogleich näher zu beschreibenden Versuche hat sich allgemein folgende Thatsache ergeben:

Werden zwei verschiedene Körper, von denen der eine ein Isolator (Dielektricum), der andere ein sogenannter Halbleiter (Reibzeug) ist, mittelst gleitender Reibung gegeneinander verschoben, so entstehen in dem Halbleiter elektrische Ströme, deren 1) Vgl. Peclet, Annales de Chimie et Physique T. 57, p. 337 ff. Riefs, Die Lehre von der Reibungselektricität Bd. II, S. 362 ff. 2) In wie weit die neuerdings bei der rollenden Reibung von Joulin beobachteten Erscheinungen mit den hier von mir beschriebenen ursächlich zusammenhängen, hoffe ich in einer späteren Abhandlung zu zeigen. Vgl. Recherches sur l'électricité produite dans les actions mécaniques par L. M. Joulin. Annales de Chim. et phys. Mai 1874. T. II (5. Ser.) p. 5 bis 76.

Richtung von der Natur und Bewegung des Isolators in folgender Weise abhängt:

Wird der geriebene Isolator positiv elektrisch, so entstehen an der Berührungsfläche oder im Innern des Reibzeuges elektrische Ströme, welche parallel, aber entgegengesetzt der relativen Bewegung des Isolators sind; wird dagegen letzterer negativ elektrisch, so sind die erwähnten Ströme parallel und gleichgerichtet der relativen Bewegung des Isolators.

Das Schema auf Taf. VI, Fig. 1 und 2 mag das Gesagte erläutern. Als geriebenen Isolator denke man sich im ersten Falle z. B. eine ebene Glasfläche, im zweiten z. B. eine Harzfläche; als Reibzeug in beiden Fällen z. B. ein Stück weichen Leders. Werden nun die Isolatoren in der durch die grossen Pfeile angedeuteten Richtung relativ zum Reibzeug bewegt, so entstehen in letzterem elektrische Ströme, deren Richtung durch die kleinen Pfeile und die Vorzeichen der an den Enden des Reibzeuges auftretenden freien Elektricität angedeutet ist.

Am einfachsten läfst sich diese Thatsache durch folgende Versuche nachweisen. Fig. 3, Taf. VI stellt eine cylindrische Glaswalze einer gewöhnlichen Elektrisirmaschine dar, bei welcher das Reibzeug und die Conductoren entfernt sind. Dieselbe ist mittelst einer Curbel um eine horizontale Axe drehbar und an ihrer Oberfläche zur einen Hälfte durch Lack mit einer Harzschicht überzogen, ein Unterschied, der auf der Zeichnung angedeutet ist, indem die lackirte Seite schattirt ist. Als Reibzeug benutzte ich weiches Schafleder, welches auf ein rechteckiges Stück (40 Mm. lang, 25 Mm. breit) Gummi elasticum (wie dasselbe im Handel zum Ausreiben von Bleistiftstrichen vorkommt) aufgespannt wurde. Fig. 4, Taf. VI zeigt ein solches Reibzeug in natürlicher Gröfse. g ist das Gummistück, ab das Leder; letzteres ist nur an den Seiten a und b durch Siegellack mit dem Gummi verbunden, so dafs schmale Staniolstreifen s und s' zwischen Leder und

Gummioberfläche eingeschoben, und zur Ableitung der elektrischen Ströme mittelst Klemmschrauben benutzt werden können, wie dies in Fig. 4 angedeutet ist.

Die Befestigung der Reibzeuge geschah mit seidenen Schnüren oder Bändern (bb, Fig. 3, Taf. VI), welche mit Hülfe der isolirenden Glasständer B und C und der an diesen angebrachten Schrauben pp' straff gespannt werden konnten. Hierdurch wurde das Reibzeug g auf die Oberfläche der Walze gedrückt. Als Spiegel-Galvanometer G stellte mir mein verehrter College Hankel im hiesigen physikalischen Institute mit dankenswerther Bereitwilligkeit dasselbe Instrument zur Verfügung, dessen sich derselbe bei seinen Untersuchungen über Elektricitätserregung zwischen Metallen und erhitzten Salzen im Jahre 1859 bedient hatte 1).

Dasselbe besitzt mit Anwendung der astatischen Combination die Empfindlichkeit physiologischer Galvanometer.

Der Abstand der Scale vom Galvanometer betrug 3,65 Meter. Die Verbindung der beiden Enden des Reibzeuges mit dem Galvanometer G ist aus der Zeichnung ersichtlich.

Berührt nun das Reibzeug den nicht lackirten Theil der Oberfläche der Glaswalze (wie in Fig. 3, Taf. VI), und wird letztere, wie die Figur durch den Pfeil andeutet, von links nach rechts gedreht, so durchfliefst die Drahtleitungen ein elektrischer Strom in der durch die Pfeile bezeichneten Richtung. Wird der Sinn der Drehung umgekehrt, so kehrt sich auch die Richtung des Stromes um.

In einem bestimmten Falle stieg z. B. die Ablenkung des Galvanometers um 10 Scalentheile; beim Wechsel der Drehung verwandelte sich diese Ablenkung in die entgegengesetzte von nahezu gleicher Gröfse.

Wurde nun dasselbe Reibzeug auf die andere mit

1) Abhandlungen d. math. phys. Classe d. Königl. Sächs. Ges. d. Wiss. Bd. IV, S. 255 bis 301. In der Zeichnung ist an Stelle dieses Galvanometers das früher von mir zur Beobachtung der Flüssigkeitsströme benutzte abgebildet.

Lack überzogene Hälfte der Glaswalze geschoben, so war der Process derselbe, nur mit dem Unterschiede, dafs denselben Drehungsrichtungen der Walze Ströme von entgegengesetzter Richtung, wie im vorigen Falle, entsprachen. In einem bestimmten Falle stieg z. B. die Ablenkung des Galvanometers auf 18 Scalentheile, welche sich beim Wechsel der Drehung in nahezu den gleichen Betrag von entgegengesetztem Sinne verwandelte.

Die Intensität dieser Ströme scheint im Wesentlichen von denselben Bedingungen abzuhängen, an welche die Stärke der elektrischen Erregung bei der Reibung der Körper geknüpft ist.

Wird z. B. der Lederüberzug des oben beschriebenen Reibzeuges, wenn es die Glasoberfläche berührt, mit Amalgam für Elektrisirmaschinen präparirt, so steigt die Stärke dieser Ströme ganz aufserordentlich; man sieht dann nicht selten das Bild der ganzen, 0,75 Meter langen Scala durch wenige Umdrehungen der Walze, je nach der Richtung der Drehung, nach der einen oder der anderen Seite aus dem Gesichtsfelde wandern. Es mag hier eine Versuchsreihe mitgetheilt werden, bei welcher die Ablesungen des Galvanometers nach 10maliger Umdrehung der Walze stattfanden. Die Ablenkungen waren hierbei also noch nicht stationär, sondern würden sich bei weiter fortgesetzter Umdrehung der Walze noch beträchtlich vergröfsert haben.

Versuchsreihe 1.
1874. Dec. 4.

Abstand der Scala 3,65 Meter.

Reibzeug: Amalgamirtes Leder. Oberfläche: Glas. Zahl der Umdrehungen: 10.

Ablenkung des Galvanometers von der Ruhelage:

[merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small]

2.

Dafs mit Anwendung einer Elektrisirmaschine elektrische Ströme und hierdurch Ablenkungen eines geeigneten Multiplicators erzeugt werden können, ist eine längst bekannte Thatsache. Aber die Richtung der hierbei auftretenden Ströme hängt wesentlich nur davon ab, welcher der beiden Drähte des Multiplicators mit dem Reibzeuge und welcher mit dem Conductor der Elektrisirmaschine verbunden wird. Die Drehungsrichtung der Walze oder Scheibe ist hierbei selbstverständlich ohne Einfluss auf die Richtung der entwickelten Ströme. Letztere verdanken vielmehr lediglich der Ausgleichung der an den Oberflächen des Reibzeuges und des Isolators geschiedenen Elektricitäten ihren Ursprung. Bei den oben beschriebenen Versuchen jedoch entstehen die beobachteten Ströme durch eine Ausgleichung von Elektricitätsmengen, welche sich an den beiden Enden des Reibzeuges ansammeln, und mit der Umkehr der Drehungsrichtung der Walze oder Scheibe ihr Vorzeichen ändern 1).

1) Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit auf die höchst merkwürdigen Beobachtungen von Poggendorff an der Holtz'schen Maschine aufmerksam zu machen, bei denen sich unter ganz anderen Verhältnissen gleichfalls ein Einfluss der Drehungsrichtung auf die Richtung eines durch statische Elektricitätserregung erzeugten Stromes herausstellt. In der Sitzung der Königl. Akademie d. Wiss. zu Berlin vom 18. Januar 1875 theilte Poggendorff „Fernere Thatsachen zur Begründung einer endgültigen Theorie der Elektromaschine zweiter Art" mit. Am Schlusse dieser Abhandlung S. 70 wird wörtlich Folgendes bemerkt:

„Ich glaube übrigens die Bedeutung der hier beschriebenen Er scheinungen nicht zu überschätzen, wenn ich ihnen einige Wichtigkeit beilege, schon deshalb, weil meines Wissens, bei der sogenannten statischen Elektricität noch niemals ein Vorgang beobachtet worden ist, bei welchem in der Weise wie hier die Richtung eine Rolle gespielt hätte."

Ich glaube, dass die oben von mir beschriebenen Erscheinungen solche Vorgänge sind, die vielleicht bei einer dereinst vollendeten Theorie nicht nur äusserlich eine gewisse Analogie darbieten, sondern auch ursächlich auf ein gemeinsames Princip zurückführbar seyn dürften.

« ՆախորդըՇարունակել »