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Null ist bei solchen Bewegungen, wo die Arbeit der ponderomotorischen Kräfte zwischen dem inducirenden und dem von einem constanten Strome durchflossenen inducirten Leiter gleich Null wäre. Für die Induction durch Aenderung der Stromstärke liefs sich der Werth herleiten aus der Beobachtung, dafs der gesammte Inductionsstrom (sein Zeitintegral) bei Oeffnung des inducirenden Stromes ebenso grofs ist, wie bei der Ueberführung seines Leiters in unendliche Entfernung.

Aus diesen Thatsachen, die durch alle Beobachtungen der Folgezeit nur bestätigt worden sind, leitete Hr. F. E. Neumann sein bekanntes Gesetz für die Gröfse der inducirten elektromotorischen Kräfte her; indem er das Ampère'sche Gesetz als den quantitativen Ausdruck für die ponderomotorischen Kräfte zu Grunde legte. So weit also dieses durch Beobachtungen wirklich bestätigt war, so weit galten auch die daraus abgeleiteten Gesetze der inducirten elektromotorischen Kräfte. Dieses durch Beobachtungen gesicherte Gebiet umfasste aber, wie gesagt, nur die gegenseitige Wirkung geschlossener Ströme.

Nun lag es aber in der Natur der Sache, dafs man bei den Wirkungen, die ein so zusammengesetztes und variables Gebilde, wie ein elektrischer Stromkreis hervorbringt, nicht stehen bleiben konnte. Man musste versuchen, die Wirkungen des Ganzen in die Wirkungen seiner einzelnen Elemente aufzulösen. Ausserdem existiren Bewegungen der Elektricität bekanntlich auch in nicht zum Kreise geschlossenen Leitern, und solche baben unzweifelhaft elektrodynamische Wirkungen. Festgestellt ist die Existenz solcher Wirkungen wenigstens schon für die beinahe zum Kreise geschlossenen Entladungsdrähte der Leydener Flaschen. Solche geben elektromagnetische Ablenkungen der Magnetnadel und inducirte Ströme, sogenannte Nebenströme. Aber schon an diesen gaben sich die grofsen Schwierigkeiten, mit denen die Beobachtung der Wirkungen so flüchtiger Ströme verknüpft ist, zu erkennen.

Sobald man aber den Versuch macht aus der Wirkung der geschlossenen Stromkreise Rückschlüsse zu ziehen auf die Wirkungen, welche die einzelnen Theile dieser Stromkreise auf einander ausüben, ist man gezwungen Hypothesen zu machen, für welche bisher die experimentelle Prüfung fehlte.

Von den verschiedenen elektrodynamischen Theorien, welche seit Ampère's Arbeiten aufgestellt worden sind, mufste man vor allen Dingen verlangen, dass sie in Bezug auf die gegenseitigen Wirkungen geschlossener Ströme auf einander Folgerungen geben, die mit Ampère's Theorie und den von Neumann senior daraus hergeleiteten Inductionsgesetzen übereinstimmen, weil die Uebereinstimmung der letzteren mit den Thatsachen hinreichend verbürgt erschien. Eine Theorie, welche das nicht leistete, konnte überhaupt nicht gebraucht werden. In der That entsprechen nun aber dieser Forderung Theorien sehr verschiedener Art, von denen ich hier nur 1) Ampère's Annahme anziehender oder abstofsender Kräfte zwischen den Stromelementen, 2) Faraday's und Grass mann's Annahme von Kräften, welche immer senkrecht gegen das Stromelement wirken, 3) Hrn. F. E. Neumann's Potentialgesetz, 4) Hrn. W. Weber's Annahme anziehender oder abstofsender Kräfte zwischen den Elektricitäten selbst, deren Gröfse nicht blofs von der Entfernung, sondern auch von der Geschwindigkeit und Beschleunigung abhängig ist, 5) eine ähnliche Annahme von Gaufs, die nachher Riemann wieder aufgenommen hat, mit etwas abweichender Form des Gesetzes, ferner 6) Hrn. C. Neumann's Annahme eines sich mit mefsbarer Geschwindigkeit im Raum ausbreitenden Potentials, und endlich 7) Hrn. Cl. Maxwell's Zurückführung der elektrodynamischen Wirkungen auf magnetische und dielektrische Polarisation des raumfüllenden Aethers, welche eine mathematische Durcharbeitung Faraday'scher Ansichten giebt, als die bekannteren nennen will.

Diese verschiedenen Theorien unterscheiden sich durch

ihre verschiedenen Annahmen über die Art der Wirkung von Stromelement zu Stromelement, oder auch von elektrischen Massentheilchen zu Massentheilchen, und es fallen defshalb ihre Folgerungen über die Wirkungen ungeschlossener Ströme zum Theil verschieden aus, während Uebereinstimmung herrscht, soweit nur geschlossene in Betracht kommen. Eben defshalb ist aber eine Entscheidung zwischen denselben nur zu gewinnen durch die experimentelle und theoretische Untersuchung ihrer Folgerungen für ungeschlossene Ströme, und alle Versuche, dies durch Untersuchungen an geschlossenen Strömen leisten zu wollen, sind principiell falsch angelegt.

Da die Schwierigkeiten der experimentellen Ausführung hauptsächlich durch die kurze Dauer der zu einem Ende der Leitung führenden Ströme bedingt sind, welche letztere nur so lange andauern bis die zur Ladung der Oberfläche des betreffenden Leiters nöthige Elektricitätsmenge herbeigeführt ist, so war eher Aussicht über diejenigen Theile der Kräfte Aufschluss zu erhalten, welche der Wirkung von Stromelementen auf Stromenden entsprechen, als über diejenigen Theile, welche von Stromende auf Stromende wirken. Denn im ersteren Falle hat man es doch nur mit einem dieser sehr flüchtigen Stromendtheile zu thun, während die mitwirkenden Stromelemente einem starken dauernden Strome angehören oder auch durch einen starken Magneten vertreten werden können.

In der That besteht in dieser Beziehung eine Differenz zwischen den von Hrn. F. E. Neumann 1) für geschlossene Ströme aufgestellten Potentialgesetze, dessen unbeschränkter Anwendung auch auf ungeschlossene Ströme aber nach unserer bisherigen Kenntnifs der Thatsachen nichts im Wege stand, wie ich mich nachzuweisen bemüht habe, und zwischen dem Ampère'schen Gesetze andererseits, und derjenigen Form des Inductionsgesetzes, welches 1) Ueber ein allgemeines Princip der mathematischen Theorie inducirter elektrischer Ströme (der Akademie vorgetragen am 9. August 1847). Berlin, Reimer 1848.

ebenfalls und schon früher von Hrn. F. E. Neumann 1) direct aus dem Ampère'schen Gesetze abgeleitet worden war, und welches übrigens mit dem aus der Weber'schen Hypothese über das Grundgesetz der elektrischen Kräfte hergeleiteten übereinstimmt, so wie mit den Gesetzen, welche Hr. C. Neumann, Sohn, nach einander von verschiedenen Hypothesen ausgehend abgeleitet hat.

Wenn man aus dem Potentialgesetze die Kräfte herleitet, die von jedem Punkt des einen Leiters auf jeden Punkt des anderen wirken müssten, um den in den Potential gegebenen Betrag der Arbeit zu leisten, so erhält man aufser den ponderomotorischen Kräften, welche von Stromelement zu Stromelement wirken, und die mit den von Ampère angenommenen vollkommen übereinstimmen, noch solche, die zwischen den Stromelementen und Stromenden wirken, deren Intensität der Geschwindigkeit proportional ist, mit der die Dichtigkeit der Elektricität an dem Stromende wächst, ferner proportional der nach der Verbindungslinie beider gerichteten Stromcomponente in dem Stromelement, und umgekehrt proportional der Entfernung zwischen beiden. Die Kraft ist anziehend, wenn die in dem Stromende sich anhäufende Elektricität in dem Stromelement von jenem wegfliefst.

Hrn. Grafsmann's ponderomotorisches Gesetz enthält die Kraft, welche Stromenden auf Stromelemente, nicht aber die, welche die letzteren auf erstere ausüben. Darin ist also die Gleichheit der Action nicht gewahrt. Das Grafsmann'sche Gesetz fällt übrigens seinem Resultat nach mit Faraday's Regel zusammen, wonach die ponderomotorische Kraft auf Stromelemente immer senkrecht zu ihnen selbst und zu den Magnetkraftlinien gerichtet ist. Nur sind in Faraday's Vorstellung und in der sich ihm anschliefsenden von Cl. Maxwell die Stromenden durch die Annahme beseitigt, dafs von jedem Stromende 1) Die mathematischen Gesetze der inducirten elektrischen Ströme. Schriften der Berl, Akad. d. W. von 1875. Berlin, Reimer 1846.

aus sich elektrische Bewegungen in das isolirende Medium hinein fortpflanzen, welches die Leiter von einander

trennt.

Ich habe in meiner der Akademie im Februar 1873 gemachten Mittheilung schon erwähnt, dafs man diese vom Potentialgesetz geforderten ponderomotorischen Wirkungen auf Stromenden von denen, welche die Stromelemente erleiden, würde isoliren können, wenn man als Vertreter der geschlossenen Stromsysteme starke in sich selbst zurücklaufende ringförmige Magnete ohne Pole anwendet. Diese wirken auf andere Magnete und geschlos sene Ströme gar nicht ponderomotorisch ein, wohl aber würden sie nach dem Potentialgesetze auf Stromenden einwirken müssen, beziehlich letztere auf die ringförmigen Magnete, und zwar so, dafs wenn der Magnet durch ein System von Kreisströmen ersetzt gedacht wird, er diejenige Seite des Ringes dem Stromende zuzuwenden streben wird, in welcher die dem Stromende zufliefsende Elektricität von der Axe des Ringes wegfliefst.

Es erschien möglich auf einem von mir schon in Borchardt's Journal für Mathematik Bd. 78, S. 281 angedeuteten Wege Stromenden von hinreichender Wirksamkeit zu erhalten mittels elektrischer Convection. Ich verstehe hierunter entsprechend dem Gebrauche, der von diesem Worte in der Wärmelehre gemacht wird, die Fortführung der Elektricität mittelst der Fortbewegung elektrisch geladener Körper. Das Potentialgesetz schreibt elektrodynamische Wirkungen nur der in ponderablen Trägern sich bewegenden Elektricität zu, nicht aber der convectiv fortgeführten. Es war also zu versuchen, ob eine Elektricität ausströmende Spitze die Wirkung eines Stromendes zeige, da die durch die Fortbewegung der elektrisch abgestofsenen Luft fortgeführte Elektricität möglicher Weise nicht als elektrodynamische Fortsetzung der durchströmten Leitung in Betracht kam.

Versuche dieser Art übernahm Hr. N. Schiller während des vorigen Sommers im physikalischen Laboratorium

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