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Veränderungen nicht gerade auf Induction von Complementärfarben zurückführen. Ein solches Beispiel, auf welches sich Brewster beruft, ist in dem Spectrum des Smalteglases der Streifen im röthlichen Orange, der etwa von der Linie C bis D reicht. Er ist viel dunkler als der danebenliegende rothe und gelbe Streifen, und scheint zwischen diesen beiden, bei gewöhnlicher Helligkeit des Spectrum gesehen, ganz dieselbe rothe Färbung darzubieten wie der Streifen des äussersten Roth. In einem stärker beleuchteten Spectrum erkennt man aber deutlich, dass er in das Orange zieht. Brewster hatte den Streifen zuerst1) orange-roth (orange-red) genannt, später 2) beruft er sich darauf, dass J. Herschel3) ihn rein roth gefunden habe, und glaubt darin eine Veränderung der Farbe durch Absorption zu sehen. Auch hier genügt es den betreffenden Streifen sich abgesondert darzustellen, um sich zu überzeugen, dass seine Farbe durchaus nicht verändert sei. Ebenso verhält es sich mit den grünlichblauen Farbentönen auf der grünen Seite der Linie F, welche, wie Brewster bemerkt, durch ein tiefblaues Glas (wahrscheinlich Smalteglas) gesehen, grün werden. Sobald man sie isolirt untersucht, findet man keine Farben- 520 änderung an ihnen.

Endlich kommt bei einigen Versuchen von Brewster noch eine andere physiologische Thatsache in Betracht, dass nämlich dasselbe homogene Licht bei verschiedener Lichtstärke nicht ganz gleiche Farbeneindrücke hervorruft. Bei blendender Helligkeit scheinen vielmehr alle Farben weiss zu werden. Am leichtesten geschieht dies mit dem Violett, welches im Spectrum des directen Sonnenlichtes schon bei einem sehr mässigen Grade von Helligkeit weissgrau erscheint und nur einen schwachen violetten Schein behält. Auch zeigte mir Hr. Prof. Moser, dass durch ein sehr dunkles violettes Glas die Sonne vollständig ebenso weiss erschien, wie die stark beleuchteten Wolken, welche man neben dem Glase vorbei erblickte. Ebenso wird das Blau bei einer Helligkeit, welche ohne Belästigung

1) Edinburgh Transactions. Vol. IX. P. II. p. 439.

2) In der Antwort gegen Airy.

3) Treatise on Light. Art. 496 u. 506.

des Auges zu ertragen ist, weissblau, bei stärkerer weiss. Das Grün wird erst gelbgrün, ehe es wie das Gelb bei gesteigerter Helligkeit die Farbe ganz verliert. Roth zeigt die Erscheinung am schwersten und nur bei den höchsten Graden der Helligkeit habe ich es sowohl im Spectrum, als durch ein rothes Glas nach der Sonne blickend hellgelb werden sehen. Um bei den Versuchen darüber die Einmischung jedes andersfarbigen Lichtes zu vermeiden, habe ich sie mit Farbenstreifen des Sonnenspectrum angestellt, welche nach der vorher beschriebenen Methode durch zwei Prismen isolirt und gereinigt waren. Die verschiedenen Abstufungen der Helligkeit habe ich theils dadurch hervorgebracht, dass ich das direct von der Sonne kommende Licht mit solchem vertauschte, welches von verschieden stark beleuchteten Theilen des Himmels ausgegangen war, theils aber auch, weil nach Brewster's Theorie die Farben im Spectrum des Sonnenlichtes denen im Himmelslichte nicht gleich sein sollen, dadurch, dass ich die Farben des Sonnenspectrum bald direct, bald durch zwei, nahe rechtwinkelig gekreuzte Nicol'sche Prismen betrachtete. Auch durch Reflexion 521 von unbelegten Glasplatten, oder indem man sie auf einem weissen Schirm auffängt, kann man ihre Helligkeit ohne Verdacht einer Farbenänderung schwächen.

Wenn also eine gewisse Dicke der Lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd-Ammoniak das Blau des Spectrum hell und weisslich, eine stärkere Dicke es tief dunkelblau erscheinen lässt, so ist daraus nur zu schliessen, dass diese Flüssigkeit auch blaue Strahlen absorbirt, aber keineswegs, dass sie weisses Licht aus dem homogenen blauen fortgenommen habe. Ferner erklärt sich daraus, dass das Gelb im Spectrum des Tageslichtes oder des blauen Himmels kaum zu bemerken ist, während es in dem viel helleren Spectrum des directen Sonnenlichtes einen breiten Raum einnimmt. Das reine Gelb bildet nämlich im Spectrum des Flintglases einen äusserst schmalen Streifen, und ist im blauen Lichte des Himmels schwächer als seine Nebenfarben, sodass man es bei schwacher Vergrösserung des Spectrum zwischen dem breiten und glänzenden Roth und Grün schwer bemerkt. Dagegen sieht man es bei starker Vergrösserung oder isolirter Betrachtung der

einzelnen Farben sehr deutlich auch im Himmelslichte. Im Spectrum des directen Sonnenlichtes ist dagegen Gelb die hellste Farbe und von blendendem Glanze. Grün und Roth sind durch gesteigerte Intensität auch gelblich geworden, und deshalb tritt das Gelb so deutlich hervor. Schwächt man aber die Helligkeit des Sonnenspectrum durch Reflexion von unbelegten Glasplatten, oder durch fast rechtwinkelig gekreuzte Nicol'sche Prismen, so tritt das Gelb ebenso zurück wie im Spectrum des Tageslichtes. Bestimmt man ausserdem in einem Spectrum von mässig starkem Sonnenlicht, andererseits in dem des Tageslichtes die Farbenstufen der einzelnen Fraunhofer'schen Liniengruppen in der Nähe des Gelb, isolirt von den Nebenfarben, so findet man sie ganz gleich.

Es bleibt nun von den Thatsachen, welche Brewster zur Stütze seiner Theorie angeführt hat, ein Versuch übrig, von dem ich nicht weiss, ob ich seine Wiederholung als gelungen 522 betrachten darf, und einige, welche ich nicht anstellen konnte, weil ich die dazu gehörigen absorbirenden Mittel nicht hatte. Der erstere ist angestellt mit Perubalsam, Schwefelbalsam, Pech und rothem Glimmer. Das Roth des Spectrum soll, durch diese Mittel angesehen, orange erscheinen. Bei mässiger Lichtstärke konnte ich durch die Balsame und Pech, in welchen Abstufungen der Dicke ich sie auch anwandte, nichts davon erkennen; das Roth behielt seine Farbe ganz unverändert. Nur bei grosser Lichtstärke, wo ein das Spectrum umgebender brauner Lichtschein ankündigte, dass viel Licht zerstreut wurde, sah ich das Roth etwas orange. Das erklärte sich aber in diesem Falle aus der Zumischung des zerstreuten braunen, aus Roth, Gelb und etwas Grün zusammengesetzten Lichtes, und aus der Neigung des Roth bei grösserer Helligkeit gelblich zu werden. Vielleicht hat auch Brewster ein so helles Spectrum angewendet. Isolirt man übrigens das Roth nach meiner obigen Methode, so bleibt es stets ganz unverändert.

Verschiedene Versuche sind von Hrn. Brewster mit gefärbten durchsichtigen Oblaten (wafers) aus Gelatine angestellt worden. Ich fand dergleichen hier nicht im Handel, und da nur die Farben, nicht die Farbstoffe angegeben waren, konnte ich sie mir nicht darstellen. Uebrigens scheint mir der Gebrauch solcher Oblaten

deshalb bedenklich, wenigstens wenn sie zwischen Auge und Prisma eingeschaltet werden, weil auch die besten Leimplatten, wie man sie zwischen Glasplatten aus dem reinsten Hausenblasenleim bildet, nicht zu den klar durchsichtigen Körpern gehören. Wenn man auch durch ein solches Blatt ziemlich gut hindurchsehen kann, so machen mehrere übereinander das Bild nebelhaft, zum Beweise, dass sie viel Licht zerstreuen. Dies würde in der That auch die Wirkung erklären, welche orangene, gelbe und grüne solche Oblaten haben sollen, das Roth des Spectrum orange zu färben. Es genügt dazu die Zerstreuung des vorwaltenden farbigen Lichtes über das Roth. Wodurch 523 eine grüne solche Oblate ein weissliches Band im Blau hervorbringt, weiss ich nicht zu ermitteln, da ich den Versuch nicht wiederholen kann.

Ein blassrothes Glas, welches das Grün zwischen und F absorbirt (wahrscheinlich mit Goldpurpur gefärbt), und ein blassgelbes, welches das Blau schwächt, sollen combinirt das Blau violett machen. Die Erklärung wird dieselbe sein wie beim Olivenöl.

Roth von einer Messingplatte reflectirt, soll nach J. Herschel orange werden. Die Mittel zur Erklärung davon hat Airy in seiner Abhandlung gegen Brewster gegeben.

Ich habe jetzt die von Brewster vorgebrachten Thatsachen alle erwähnt. Wenn ich auch nicht alle Versuche nachahmen und widerlegen konnte, so glaube ich, geht aus den Erörterungen über die, deren Wiederholung mir gelungen ist, zur Genüge hervor, dass bei seiner Methode mehrere bisher unbeachtete Umstände von Einfluss sind, welche eine sichere Beurtheilung der Farben unmöglich machen und den bis jetzt von ihm hingestellten Thatsachen alle Beweiskraft für seinen Zweck nehmen. Um gültige Gründe zur Widerlegung der bisher angenommenen Verbindung der Brechbarkeit oder Wellenlänge mit der Farbe zu gewinnen, muss man jedenfalls eine andere gesichertere Beobachtungsmethode anwenden, ähnlich derjenigen, welche ich in dieser Abhandlung beschrieben habe, wobei eine Hauptbedingung ist, dass die zu untersuchenden Farben von den übrigen abgesondert und von den letzten Spuren unregelmässig gebrochenen Lichtes frei sind.

LI.

Ueber die Zusammensetzung von Spectralfarben.

Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie. Bd. 94. S. 1 bis 28. 1855 (Theilweis vorgetragen vor der British Association zu Hull im September 1854.)

In meiner Abhandlung „,Ueber die Theorie der zu- 1 sammengesetzten Farben") habe ich den Beweis geführt, dass Mischung farbiger Pigmente nicht nothwendig dieselbe Mischfarbe giebt, welche durch Zusammensetzung des entsprechenden farbigen Lichtes gewonnen wird. Bei dieser Gelegenheit hatte ich vermittelst einer eigenthümlichen Methode Untersuchungen über die Resultate der Zusammensetzung einfacher prismatischer Farben angestellt und dabei unter anderen, den früheren Annahmen widersprechenden Resultaten auch gefunden, dass nur ein einziges Paar einfacher Complementärfarben, Indigblau und Gelb, im Spectrum vorhanden sei. Dies war, wie auch später Hr. Grassmann 2) streng und ausführlich nachgewiesen hat, mit der von Newton aufgestellten Form, in der man das Gesetz der Farbenmischungen auszudrücken pflegte in geradem Widerspruche, auch wenn man die Vertheilung der Farben in Newton's Farbenkreise nach Belieben geändert hätte. Ich selbst habe das genannte Ergebniss meiner damaligen Untersuchungen als höchst auffallend bezeichnet, vermied es aber die Schlüsse, welche sich daran zu knüpfen

1) Pogg. Ann. Bd. 87, S. 45.

und Physiol. 1852, S. 461.

2) Pogg. Ann. Bd. 89, S. 69.

J. Müller's Archiv für Anat.

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