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loser Wärme wie die des Ofens. Auch die Localisation der Eindrücke ist höchst unvollkommen, weil die äussere Haut nicht die optischen Apparate vor sich hat wie die Netzhaut des Auges, durch welche die Strahlungen eines jeden äusseren Punktes im Gesichtsfelde auch auf einen einzigen Punkt der Nervenausbreitung concentrirt und von allen übrigen gesondert werden. Doch ist es wahrscheinlich, dass sich geschickte Blinde in unbekannten Räumen nicht nur nach der Resonanz des Schalles, sondern hauptsächlich auch nach den Wärme17 strahlungen orientiren, welche ihnen von den Körpern zuge sandt werden, denen sie sich nähern, sodass hier in der That die Haut anfängt die Rolle eines unvollkommenen Auges spielen, um in ganz eigenthümlicher Weise mittels des Lichtes zu sehen, welches dem wirklichen Auge unsichtbar ist.

Wir haben hier also den Fall, dass ein und dasselbe Object, diese Strahlung, welche wir bald Licht, bald strahlend Wärme nennen, von zwei Nervenapparaten empfunden wri und in ihnen die aller verschiedenartigsten Empfindungen atregt, welche wiederum durch ihre Verschiedenartigkeit be weisen, dass ihre Qualität nicht durch das empfundene Ober bestimmt wird, sondern von dem Nervenapparate abhängt welcher in Thätigkeit gesetzt worden ist.

Wenn nun die Lichtempfindung im allgemeinen weder dem Umfange, noch der Qualität nach einem bestimmten äusserer Objecte, dem Lichte, entspricht, wird man für ihre einzelzet Unterarten dasselbe vermuthen können. Und in der That ver hält es sich mit der Farbenempfindung ganz ähnlich. Wr haben oben gesehen, dass dieselbe Farbenempfindung vor e fach farbigem Lichte, oder von verschiedenen Combinatione anderer Farben hervorgebracht werden kann, und je weisshe die Farbe, desto mannigfaltiger werden die möglichen Co binationen verschiedenfarbigen Lichtes, die ihr entsprecisen Welche Farbencombinationen gleich aussehen, hängt übri nur von dem physiologischen Gesetze ihres Zusammenwir ab, und es haben bisher durchaus keine objectiven Bezieh gen dafür aufgefunden werden können. Es können dar sogar individuelle Verschiedenheiten vorkommen.

eines Gelbsüchtigen muss, wie ein von einem farbigen Gla

bedecktes Auge, gewisse zusammengesetzte Farben unterscheiden können, welche ein gesundes für gleich hält, und solche für gleich halten, welche letzteres unterscheidet. Ebenso müsste eine vollständige Revolution der Farbenempfindungen entstehen, wenn durch irgend einen Umstand die Grenzen der Schwingungsdauer, welche für die Empfindung unseres Auges gezogen sind, verändert werden könnten. Die Gleichheit der Farbe verschieden zusammengesetzten Lichtes hat also nur subjectiven 18 Werth, keinen objectiven, und die Gruppen gleichfarbiger Farbencombinationen entsprechen keinerlei objectivem, von der Natur des sehenden Auges unabhängigem Verhältnisse.

Wenn es sich aber mit der Farbe als Eigenschaft des Lichtes so verhält, so verhält es sich nothwendig ganz ebenso mit der Farbe als Eigenschaft von Körpern. Ein Körper erscheint farbig, wenn er von auffallendem weissen Lichte nicht alle einfachen Farben gleichmässig, sondern einige stärker, andere wenig oder gar nicht zurückwirft. Das von einem farbigen Körper zurückgeworfene Licht ist also selbst farbig. Diese Auswahl einiger Strahlen, welche zurückgeworfen, anderer, welche verschluckt werden, hängt offenbar von Eigenthümlichkeiten des inneren Baues der Naturkörper ab, welche wir aber bis jetzt noch nicht viel näher zu definiren wissen. Ein Körper, welcher blos orangefarbiges Licht zurückwirft, wird eine andere innere Structur haben müssen, als einer, welcher nur rothes und gelbes Licht, oder ein dritter, welcher rothes, orangenes und gelbes zurückwirft. Doch wird die Farbe der drei Körper bei weisser Beleuchtung dieselbe sein können. Also wieder wird die orange Farbe des Körpers einer grossen Gruppe von verschiedenen Arten innerer Structur entsprechen, deren Aehnlichkeit aber keinen objectiven, sondern nur subjectiven Werth hat. Hier kommt ausserdem nicht nur die Beschaffenheit des Auges, sondern auch der Beleuchtung in Betracht. Zwei Körper können im Tageslicht gleiche; im Lampenlicht ungleiche Farbe haben, und umgekehrt. Damit stimmt denn auch überein, was die tägliche Erfahrung lehrt, dass die Körper der aller verschiedensten Art gleiche Farbe haben können, ud die aller ähnlichsten verschiedene.

Wie also die Lichtempfindung überhaupt in ihrer Eigen

thümlichkeit nicht von der Natur des gesehenen Objectes, des Lichtes, abhängt, so ist auch die Farbe nicht eine Eigenschaft der Körper an sich, sondern eine Eigenschaft, welche das Auge erst den Körpern anheftet, wobei es in der Wahl der 19 bestimmten gesehenen Farbe nur durch zufällige Verbindungen von Eigenschaften des Körpers bestimmt wird.

Wir können das Verhältniss vielleicht am schlagendsten bezeichnen, wenn wir sagen: Licht- und Farbenempfindungen sind nur Symbole für Verhältnisse der Wirklichkeit; sie haben mit den letzteren ebenso wenig und ebenso viel Aehnlichkeit oder Beziehung, als der Namen eines Menschen, oder der Schriftzug für den Namen mit dem Menschen selbst. Sie be nachrichtigen uns durch die Gleichheit oder Ungleichheit ihrer Erscheinung davon, ob wir es mit denselben oder anderen Gegenständen und Eigenschaften der Wirklichkeit zu thun haben, ebenso wie wir in der Erzählung von fremden Menschen und Städten an dem gleichen oder ungleichen Namen er fahren, ob von denselben oder anderen die Rede ist. Weiter leisten sie aber auch nichts. Ueber die wirkliche Natur. der durch sie bezeichneten äusseren Verhältnisse erfahren wir durch sie ebenso wenig wie aus den Namen über die unbekannten Menschen und Städte, und der Physiker, welcher dieselben Verhältnisse der Wirklichkeit auf anderem mittelbaren Wege näher kennen lehrt, vertritt die Rolle desjenigen, der uns durch Beschreibungen das Aussehen und die Art jener Menschen und Städte kennen zu lehren sucht. Der wesentlichste Unterschied zwischen der Symbolik der menschlichen Sprache und dieser Symbolik unserer Sinnesnerven scheint mir der zu sein, dass jene ein Erzeugniss der Willkür, letztere uns von der Natur selbst, welche unseren Körper in der bestimmten Weise aufgebaut hat, mitgegeben ist. Die Sprache unserer Sinuesnerven kennt keine Sprachstämme und Dialekte, sie ist für die ganze Menschheit dieselbe, und deshalb dürfen wir, mit wenigen Ausnahmen krankhafter Abweichung, auch bei jedem Menschen das Verständniss für unsere Empfindungen voraussetzen. Man denke aber weiter, wie sich unsere Vorstellung von der Sinnenwelt ohne die Symbolik unserer Sinne verhalten würde, wern wir fähig wären, das direct wahrzunehmen, dem sich der Phy

siker durch lange Verkettung von Schlüssen nähert, überall nichts, als immer wieder dasselbe einförmige Wirken anziehen- 20 der und abstossender Molecularkräfte, keine Mannigfaltigkeit als der dürre Wechsel der Zahlenverhältnisse, kein Licht, keine Farbe, kein Ton, keine Wärme. Dank sei unseren Sinnen, sie zaubern uns aus den einen Schwingungsverhältnissen Licht und Farben, oder Wärme hervor, aus den anderen Töne; chemische Anziehungskräfte werden wiedergegeben als Geschmack und Geruch, kurz, die ganze entzückende Pracht und belebende Frische der Sinnenwelt verdanken wir erst den Symbolen, durch welche sie uns die Nachrichten davon überbringen. Noch einen anderen Gesichtspunkt kann ich hier andeuten. Wo es sich um Zahlenunterschiede von Grössenverhältnissen handelt, muss eine Messung ausgeführt werden, welche mehr oder weniger zeitraubend ist. Der Physiker, welcher einen Ton durch seine Schwingungszahl, einen Lichttrahl durch seine Wellenlänge definiren will, braucht dazu mühsame Untersuchungsmethoden; dafür giebt uns unser Ohr einen Ton, unser Auge eine Farbe. Im Augenblick wissen wir, was wir zu wissen brauchen, und mögen der Natur dankbar sein, dass sie uns nicht mit mehrerem behelligt. Man lenke an die Monate, vielleicht Jahre der Arbeit, welche es inem Physiker kosten würde, alle Farbentöne einer einmal geehenen Landschaft zu definiren, welche unser Auge mit einem Blicke auffasst und ebenso schnell bereit ist, mit einem neuen Bilde zu vertauschen.

Helmholtz, wissensch. Abhandlungen. II.

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LXXVII.

Ueber die thatsächlichen Grundlagen der Geometrie.

Aus den Verhandlungen des naturhistorisch-medicinischen Vereins I Heidelberg. Bd. IV. S. 197-202. 22. Mai 1866.

Bd. V. S. 31-32. 30. April 1869.

Zusatz ebenia

Die Untersuchungen über die Art, wie Localisation Gesichtsfelde zu Stande kommt, haben den Vortragenden ver anlasst, auch über die Ursprünge der allgemeinen Raur schauung überhaupt nachzudenken. Es giebt hier zunächs eine Frage, deren Beantwortung jedenfalls in das Gebiet d exacten Wissenschaften gehört, nämlich die, welche Sätze & Geometrie Wahrheiten von thatsächlicher Bedeutung a sprechen, welche dagegen nur Definitionen oder Folget v Definitionen und der besonderen gewählten Ausdrucks sind. Diese Untersuchung ist ganz unabhängig von der wertet Frage, woher unsere Kenntniss der Sätze von thatsächl Bedeutung herstammt. Die erstgenannte Frage ist de nicht so leicht, wie es wohl häufig geschieht, zu entsche – weil die Raumgebilde der Geometrie Ideale sind, denez s. die körperlichen Gebilde der wirklichen Welt immer nähern können, ohne jemals der Forderung des Begriffes ständig zu genügen, und weil wir über die Unveränderl; E der Form, die Richtigkeit der Ebenen und geraden Li die wir an einem festen Körper finden, gerade mittes be selben geometrischen Sätze die Prüfung anstellen D welche wir an dem betreffenden Beispiele etwa thats zu beweisen unternehmen wollten.

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