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elementes machen kann, so weit, dass nur die von RiemaL acceptirte Form mit Ausschluss aller übrigen übrig bleibt.

Mein Ausgangspunkt war der, dass alle ursprüngliche Raummessung auf Constatirung von Congruenz beruht. and dass also das System der Raummessung diejenigen Bedingungen voraussetzen muss, unter denen allein von Constatirung der Congruenz die Rede sein kann.

Die Voraussetzungen meiner Untersuchung sind:

1) Die Continuität und Dimensionen betreffend. 200 Im Raume von a Dimensionen ist der Ort jedes Punktes bestimmbar durch Abmessung von continuirlich veränderlichen. von einander unabhängigen Grössen, sodass (mit eventueller Ausnahme gewisser Punkte, Linien, Flächen, oder allgemein. gewisser Gebilde von weniger als n Dimensionen) bei jeder Bewegung des Punktes sich diese als Coordinaten dienenden Grössen continuirlich verändern und mindestens eine von ihne nicht unverändert bleibt.

2) Die Existenz beweglicher und in sich fester Körper betreffend. Zwischen den 2n Coordinaten eines jeden Punktpaares eines in sich festen Körpers, der beweg wird, besteht eine Gleichung, welche für alle congruenten Punktpaare die gleiche ist.

Obgleich hier gar nichts weiter über die Art dieser Gleichung gesagt ist, ist sie doch in enge Grenzen eingeschlossen, weil nämlich für m Punkte m (m-1) 2 Gleichungen bestehen, i denen mn unbekannte Grössen enthalten sind, von denen wiederum noch (n-1), 2 willkürlich veränderlich bleiben müssen, wegen des nächsten Postulats. Ist m also grösser als (+1), so bestehen mehr Gleichungen als Unbekannte, und da alle diese Gleichungen in analoger Art gebildet sein müsse, D. so ist dies eine Bedingung, die nur durch besondere ArteL von Gleichungen erfüllt werden kann.

3 Die freie Beweglichkeit betreffend. Jeder Punkt kann auf continuirlichem Wege zu jedem anderen übergeheL. Für die verschiedenen Punkte eines und desselben in sich festen Systems bestehen nur die Einschränkungen der Bewegungen, welche durch die zwischen den Coordinaten von je zwei Punkten bestehenden Gleichungen bedingt sind.

Aus 2 und 3 folgt, dass, wenn ein festes Punktsystem A in einer gewissen Lage mit einem zweiten B zur Congruenz gebracht werden kann, dasselbe auch in jeder anderen Lage von A geschehen kann. - Denn auf demselben Wege, wie A in die zweite Lage geführt ist, kann auch B dahin geführt werden.

4) Die Unabhängigkeit der Form fester Körper von der Drehung betreffend. Wenn ein Körper sich so bewegt, dass n 1 seiner Punkte unbewegt bleiben, und diese so gewählt sind, dass jeder andere Punkt des Körpers nur noch eine Linie durchlaufen kann, so führt fortgesetzte Drehung ohne Umkehr in die Anfangslage zurück.

Dieser letzte Satz, der, wie die Untersuchung zeigt, von den vorausgehenden nicht implicirt ist, entspricht der Eigenschaft, die wir bei Functionen complexer Grössen die Monodromie nennen.

Sobald diese vier Bedingungen erfüllt werden sollen, folgt auf rein analytischem Wege, dass eine homogene Function zweiten Grades der Grössen du, dv, dw existirt, welche bei der Drehung unverändert bleibt, und also ein von der Richtung 201 unabhängiges Maass des Linienelementes giebt. 1)

Damit ist Riemann's Ausgangspunkt gewonnen, und es folgt auf dem von ihm betretenen Wege weiter, dass, wenn die Zahl der Dimensionen auf drei festgestellt, und die unendliche Ausdehnung des Raumes gefordert wird, keine andere Geometrie möglich ist, als die von Euklides gelehrte.

Das erste Postulat, welches auch Riemann aufgestellt hat, ist nichts als die analytische Definition der Begriffe der Continuirlichkeit des Raumes und seiner mehrfachen Ausdehnung.

Die Postulate 2 bis 4 müssen offenbar als erfüllt vorausgesetzt werden, wenn überhaupt von Congruenz die Rede sein soll. Also sind diese Annahmen die Bedingungen für die Möglichkeit der Congruenz, und liegen, wenn auch meist nicht

1) Der mathematische Beweis wird zunächst in den Sitzungsberichten der Göttinger Königl. Gesellschaft ausführlich gegeben werden.

deutlich ausgesprochen, den elementaren Beweisen der Geometri. die alle Raummessung auf Congruenz gründet, zu Grunde.

Das System dieser Postulate macht also keine Vorausetzungen, die die gewöhnliche Form der Geometrie nicht auch machte; es ist vollständig und genügend auch ohne die specielle Axiome über die Existenz gerader Linien und Ebenen, uni ohne das Axiom über die Parallellinien. In theoretischer Beziehung hat es den Vorzug, dass seine Vollständigkeit sich leichter controliren lässt.

Hervorzuheben ist, dass hierbei deutlicher heraustritt, wi ein bestimmter Charakter der Festigkeit und ein besondere Grad von Beweglichkeit der Naturkörper vorausgesetzt wird damit ein solches Messungssystem wie das in der Geometr gegebene überhaupt eine thatsächliche Bedeutung haben köze Die Unabhängigkeit der Congruenz fester Punktsysteme vo Ort, Lage und relativer Drehung derselben ist die Thatsache. auf welche die Geometrie gegründet ist.

Das tritt noch deutlicher hervor, wenn wir den Raum vergleichen mit anderen mehrfach ausgedehnten Mannigfaltigkeitet. zum Beispiel dem Farbensystem. So lange wir in diesem ken andere Methode der Messung haben als die durch das Mischun25gesetz gegebene, so besteht nicht wie im Raume zwischer j zwei Punkten eine Grössenbeziehung, die mit der zwische zwei anderen verglichen werden kann, sondern erst zwische Gruppen von je drei Punkten, die noch dazu in gerader L liegen müssen (d. h. zwischen Gruppen von je drei Farbe von denen eine aus den beiden anderen mischbar ist.

Eine andere Abweichung finden wir im Sehfelde je eAuges, wo keine Drehungen möglich sind, so lange wir auf de natürlichen Augenbewegungen beschränkt bleiben. Welte eigenthümlichen Aenderungen daraus für die Abmessung 202 durch das Augenmaass sich ergeben, habe ich in meinem Ha buche der physiologischen Optik und in einem früher hier ge haltenen Vortrage (5. Mai 1865) auseinandergesetzt.

Wie jede physikalische Messung muss auch die des Ra sich auf ein unveränderliches Gesetz der Gleichförmigkeit = den Naturerscheinungen stützen.

(Zusatz) 1868. In jenem Aufsatze ist ein Auszug von 31 meinen eigenen Untersuchungen gegeben, welche den Beweis lieferten, dass wenn wir den Grad von Festigkeit und von Beweglichkeit der Naturkörper, der unserem Raume zukommt, in einem Raume von übrigens unbekannten Eigenschaften zu finden verlangen, das Quadrat des Linienelementes ds eine homogene Function zweiten Grades der unendlich kleinen Incremente der willkürlich gewählten Coordinaten u, v, w sein müsse. Dieser Satz ist dort als die allgemeinste Form des Pythagoräischen Lehrsatzes bezeichnet. Durch den Beweis dieses Satzes ist die Voraussetzung der Riemann'schen Untersuchungen über den Raum gewonnen. An diesem Theile meiner Arbeit habe ich nichts zu ändern gefunden.

Aber ich habe ausserdem dort eine kurze Uebersicht der weiteren Consequenzen der Riemann'schen Untersuchungen gegeben, mich dabei stützend auf einen noch nicht veröffentlichten und nicht vollständig durchgearbeiteten Theil meiner Untersuchungen, in welchen sich ein Fehler eingeschlichen hat, 32 indem ich damals nicht erkannte, dass eine gewisse Constante, die ich reell nehmen zu müssen glaubte, auch einen Sinn gebe, wenn sie imaginär genommen werde. Die dort aufgestellte Behauptung, dass der Raum, wenn er unendlich ausgedehnt sein solle, nothwendig eben (im Sinne Riemann's) sein müsse, ist falsch.

Es geht dies namentlich hervor aus den höchst interessanten und wichtigen Untersuchungen von Hrn. Beltrami Saggio di interpretazione della Geometria Non-Euclidea, Napoli 1868, und Teoria fondamentale degli spazii di Curvatura costante, Annali di Matematica, Ser. II. Tomo II. Fasc. III. pag. 232-255; in welchen er die Theorie der Flächen und Räume von constantem negativem Krümmungsmaass untersucht und ihre Uebereinstimmung mit der schon früher aufgestellten imaginären Geometrie von Lobatschewsky nachgewiesen hat. In dieser ist der Raum unendlich ausgedehnt nach allen Richtungen; Figuren, die einer gegebenen congruent sind, können in allen Theilen desselben construirt werden; zwischen je zwei Punkten ist nur eine kürzeste Linie möglich, aber der Satz von den Parallellinien trifft nicht zu.

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LXXVIII.

Ueber die Thatsachen, die der Geometrie zum

Grunde liegen.

Aus den Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaft a zu Göttingen. 1868. 3. Juni No. 9.

Meine Untersuchungen über die räumlichen Anschau im Gesichtsfelde haben mich veranlasst, auch über die Frie nach dem Ursprunge und dem Wesen unserer allgemeiner Aschauungen vom Raume Untersuchungen anzustellen. Die Fr welche sich mir dabei aufdrängte, und die auch offenbar = das Bereich der exacten Wissenschaften gehört, war zus nur die: Wieviel von den Sätzen der Geometrie hat obt gültigen Sinn? wieviel ist im Gegentheil nur Definition of Folge aus Definitionen, oder von der Form der Darste abhängig? Diese Frage ist meines Erachtens nicht so g einfach zu beantworten, da wir es in der Geometrie stets idealen Gebilden zu thun haben, deren körperliche Darste in der Wirklichkeit immer nur eine Annäherung an die F194 derungen des Begriffes ist, und wir darüber, ob ein K fest, ob seine Flächen eben, seine Kanten gerade sind. mittels derselben Sätze entscheiden, deren thatsächliche R. -tigkeit durch die Prüfung zu erweisen wäre. Bei dieser U suchung hatte ich im Wesentlichen denselben Weg schlagen, dem Riemann in seiner kürzlich veröff Habilitationsschrift) gefolgt ist. Die analytische B

1) Abhandlungen der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften n Göttingen. Bd. XV.

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