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XCV.

Ueber die Bewegungen des Brustkastens.

Aus den Sitzungsberichten der niederrheinischen Gesellschaft zu Bonn vom 12. März 1856. Abgedruckt in den Verhandlungen des naturhistorischen Vereins für Rheinland und Westphalen. Jahrgang XIII. S. 70–71.

Professor Helmholtz theilte die vorläufigen Resultate 70 seiner Untersuchungen über die Bewegungen der Rippen mit. Eine jede Rippe ist mit zwei Gelenken an der Wirbelsäule befestigt, und wenn sie vom Brustbein gelöst ist, dreht sie sich um eine durch die genannten beiden Befestigungen bestimmte Axe, welche von innen und von vorn nach hinten und aussen gerichtet ist. Da nun die vorderen Enden der Rippe alle tiefer liegen, als die hinteren Befestigungen, so ist der Erfolg einer solchen Drehung stets der, dass das vordere Rippenende, indem es sich hebt, sich auch von der Mittelebene des Körpers und dem Brustbein entfernt. So lange nun die natürlichen Verbindungen der Rippen bestehen, ist es nicht möglich, dass sich die vorderen Enden der Rippen vom Brustbein entfernen, und deshalb können sich die Rippen nur heben, indem sie selbst und ihre Knorpel sich gleichzeitig biegen.

Wenn man daher das Brustbein zwischen je zwei Rippen quer durchsägt und die Zwischenrippenmuskeln wegnimmt, erhält man eine Reihe von Rippenringen, die hinten an der Wirbelsäule zwar durch Gelenke befestigt sind, sich in diesen Gelenken aber nicht frei bewegen können, sondern vielmehr eine Gleichgewichtslage haben, in welche sie stets wieder zurückspringen, sobald man sie nach unten oder oben aus ihr entfernt. Die Federkraft der oberen Rippen ist am stärksten,

sie wird nach unten hin immer schwächer. Der Thorax ist demnach als ein Korb von elastischen Stäben zu betrachten. deren jeder eine Gleichgewichtslage hat, aus welcher er bei der Inspiration durch den Muskelzug entfernt wird, und in welche er bei der Exspiration von selbst wieder zurückspringt. Die Exspiration scheint bei ruhigem Athmen nur durch das Nachlassen der Inspirationsmuskeln bewirkt zu werden, ja es wird sogar durch die Verengung der Stimmritze meist no der Ausgang der Luft erschwert, um denselben zu verzöger Es wurden männliche und weibliche Rippen vorgelegt, u daran nachzuweisen, wie beträchtlich der Unterschied der Bieg samkeit zwischen beiden sei.

Dadurch erklärt sich die grosse Beweglichkeit des ober-2 Theiles der Brust bei Frauen gegenüber der von Männern.

Wegen der Biegsamkeit der Rippen kann der Thorax bein Einathmen sehr verschiedene Formen annehmen. Der V tragende glaubt aus den geschilderten Verhältnissen schliessen zu dürfen, dass die äusseren Zwischenrippenmuskeln namentlich bei der Respiratio thoracica, die inneren bei der abdominalis in Anwendung gezogen werden.

XCVI.

Die Wirkungen der Muskeln des Armes.

Vorgetragen in der ärztlichen Section der niederrheinischen Gesellschaft für Natur und Heilkunde vom 10. Decbr. 1856. Aus der Allgemeinen medicinischen Centralzeitung. Jahrgang 1857. S. 85.

Herr Professor Helmholtz berichtete über Versuche, 85 welche theils an Leichen, theils an Lebenden angestellt waren, um die Wirkung verschiedener Muskeln des Körpers zu bestimmen. An Leichen war nicht, wie gewöhnlich geschieht, ein Zug vom Muskel oder von seiner Sehne aus ausgeübt worden, um dadurch das Glied zu bewegen, sondern es war das Glied bewegt worden, zu dem der Muskel ging, und die dabei erfolgende Verkürzung oder Verlängerung des Muskels beobachtet worden.

Der Vortragende sprach besonders über die obere Extremität. Er wies zunächst nach, dass die Bewegungen des Schultergürtels in Hebung oder Senkung des Schlüsselbeins, und Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung desselben bestehen, und dass zu jeder dieser Stellungen des Schlüsselbeins eine Drehung des Schulterblattes im Acromialgelenke eintreten kann, wobei sich dessen unterer Winkel nach innen oder aussen bewegt, sodass also diese Drehung des Schulterblattes nicht blos als eine accessorische Bewegung für die Hebung der Schulter zu betrachten ist, sondern als eine selbständige Bewegung. Die Hebung des Armes geschieht bis zur Horizontale im Schultergelenke, von da ab weiter durch Drehung der Scapula im Acromialgelenke und durch Hebung des Schlüsselbeins. Zur

Hebung der Schulter ist namentlich die Clavicularportion des Cucullaris bestimmt, welche fast ganz zu trennen ist von dem Reste des Muskels, und an der Wirbelsäule bis zum fünfter Halswirbel reicht. Dieselbe agirt auch beim Lebenden ganz unabhängig vom Reste des Muskels. Zur Drehung der Scapula mit dem unteren Winkel nach aussen wirken der Rest des Cucullaris und der untere Theil des Serratus anticus major: zur Drehung nach innen dagegen der Levator anguli Scapulae mit dem Pectoralis minor. Das Verständniss der Muskelwir kungen zur Bewegung des Oberarmes ist leicht, wenn man als normale Lage des Armes die wählt, wo er unter 45° gegen den Horizont geneigt, seitlich vom Körper absteht, die Beuge seite des Ellenbogengelenkes gerade nach vorn gekehrt. E ist dies in jeder Beziehung die mittlere Lage für seine Bewegungen im Schultergelenk. Als Drehungsaxen wähle man 1) eine horizontal von vorn nach hinten, 2) eine parallel der Länge des Oberarmbeins, 3 eine senkrecht gegen die beiden vorigen von oben und aussen nach unten und innen gehende. Die Bewegungen um die erste Axe sind Hebung (Supraspinatus, mittlerer Theil des Deltoideus) und Senkung (Teres major: um die zweite Axe: Rotation nach aussen (Infraspinatus und Teres minor) und Rotation nach innen (Subcapularis); UL die dritte Axe Vorwärtswendung (Coracobrachialis) und Rückwärtswendung (hintere Abtheilung des Deltoideus, welche an Lebenden ganz unabhängig von dem Rest des Muskels wirkt,

Ain Vorderarm sind die Wirkungen der Flexoren. Extensoren und Pronatoren keinem Zweifel unterworfen. Dagegen hat der sogenannte Supinator longus keinerlei Beziehu zur Supination, sondern ist ein reiner Beuger, der sogar bei Beugung mit Pronationsanstrengung gebraucht wird. Da de Supinator brevis sehr schwach ist, dient er wohl mehr zu Schutz des Kapselbandes, an das er angeheftet ist, als zur Bewegung des Armes. Der eigentliche Supinator ist der Biceps brachii. Um kräftige Supination bei gestrecktem Arme hervorzubringen, spannt der Lebende gleichzeitig Biceps und Tr ceps, deren beugende und streckende Wirkungen sich gegeseitig aufheben, während die supinirende Wirkung der um d-t Radius aufgerollten Sehne des Biceps bestehen bleibt. B

gebeugtem Arme supinirt der Biceps allein. Bei gleichzeitiger Pronationsanstrengung wird der Biceps zur Beugung des Armes nicht gebraucht, sondern nur der Brachialis internus und Supinator longus.

Der Palmaris longus wird gespannt, so oft die Hand hohl gemacht wird, und scheint die Beugesehnen vor dem Druck der zusammengefalteten Haut zu schützen.

Der Flexor brevis des Daumens wird nur in der opponirten Stellung gebraucht, der Extensor brevis nur in der reducirten, sodass der Daumen in der Opposition zwei Flexoren und einen Strecker, in der Reduction einen Beuger und zwei Strecker hat. Der Abductor brevis wirkt ebenfalls nur in der Opposition, und abducirt dann die erste Phalanx.

Endlich zeigte der Vortragende noch, dass in gebogener Stellung die ersten Phalangen um ihre eigene Axe durch die M. Interossei rotirt werden können, eine Bewegung, die man bisher noch nicht beachtet zu haben scheint.

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