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1835.

ANNALEN

No. 5.

DER PHYSIK UND CHEMIE.

BAND XXXV.

I. Achte Reihe von Experimental-Untersuchungen über Elektricität; con Hrn. Michael Faraday.

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[Uebersandt vom Hrn. Verfasser in einem besonderen Abzuge aus den Philosoph. Transact. f. 1834, pt. II. Die siebente Reihe findet sich in diesen Annal. Bd. XXXIII S. 301, 433, 481, die sechste Reihe nebst dem Nachweis zu den früheren Reihen in demselben Bande, S. 149.]

§ 14. Ueber die Elektricität der voltaschen Säule, ihre Abkunft, Menge, Stärke und ihre allgemeinen Kennzeichen.

I. Ueber die einfache voltasche Kette.

875) Elektricität in der voltaschen Säule hat so viele ausgezeichnete Physiker beschäftigt, dafs ein Unbefangener, welcher zwar diese Aufgabe nicht studirt hätte, aber doch die Talente dieser Männer zu würdigen verstände, glauben könnte, die Wahrheit wäre hier einigermassen aufgedeckt. Wenn aber derselbe in diesem Glauben eine Vergleichung der Resultate und Schlüsse unternähme, würde er bald auf solche Widersprüche gerathen, auf solches Gleichgewicht der Meinung, solche Variation und Combination der Theorie, dafs er völlig in Zweifel bleiben müfste, was er für die wahre Auslegung der Natur zu halten habe. Er würde genöthigt seyn, die Versuche zu wiederholen, und dann statt des Urtheils Anderer sein eigenes zu gebrauchen.

Die grofse Frage über den Ursprung der

876) Diese Sachlage mag mich in den Augen Derer, die bereits über diesen Gegenstand nachgedacht haben, entschuldigen, dafs ich auf eine Untersuchung desPoggendorff's Annal. Bd. XXXV.

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selben eingegangen bin. Meine Ansichten über die feste Wirkung der Elektricität auf die in Zersetzung begriffenen Körper (783) und über die Einerleiheit der dabei angewandten Kraft mit der zu überwältigenden (855), gegründet nicht auf eine blofse Meinung oder oberflächliche Kenntnifs, sondern auf ganz neue, meiner Einsicht nach genaue und entscheidende Thatsachen, setzen mich, glaube ich, in den Stand, die Aufgabe unter Vortheilen zu untersuchen, die keiner meiner Vorgänger besafs und mir Ersatz für deren höheren Scharfsinn leisten. Betrachtungen dieser Art haben mich veranlasst, zu glauben, ich möchte zur Entscheidung der Frage Einiges beitragen können, und im Stande seyn, an dem grofsen Werke der Entfernung zweifelhafter Kenntnisse mitzuwirken. Solche Kenntnisse bilden das frühe Dämmerungslicht in jeder fortschreitenden Wissenschaft, und sind wesentlich für deren Entwicklung; allein der, welcher sich bemüht, das Trügerische in derselben zu zerstreuen und das Wahre deutlicher an's Licht zu ziehen, ist eben so nützlich an seinem Platz und eben so nothwendig in dem Fortgang der Wissenschaft als der, welcher zuerst in die intellectuelle Finsternifs einbricht und zuvor unbekannte Bahnen zur Erkenntnifs aufschliefst.

877) Die Einerleiheit der Kraft, welche den voltaschen Strom oder das elektrische Agens ausmacht, mit derjenigen, welche die Elemente elektrolytisch zusammenhält (855), oder in anderen Worten, mit der chemischen Verwandtschaft, schien darauf hinzudeuten, dass die Elektricität der Säule nichts anderes sey als eine Aeufserungs-, Erscheinungs- oder Daseynsweise der wahren chemischen Action oder vielmehr ihrer Ursache; und ich habe demgemäfs bereits gesagt, dafs ich mit Denen übereinstimme, welche glauben, dafs die Elektricität von chemischen Kräften hergegeben werde (857).

878) Allein die grofse Frage, ob sie ursprünglich von dem Metallcontact oder der chemischen Action her

rühre, d. h. ob jener oder diese den Strom erzeuge und bedinge, war mir noch zweifelhaft; und der schöne und einfache Versuch mit Platin und amalgamirtem Zink, welchen ich, nebst den Resultaten, umständlich beschrieben habe (863 u. ff.), entscheidet diesen Punkt nicht; denn in jenem Versuch findet die chemische Action nicht ohne Berührung der Metalle statt, und der Metallcontact ist unwirksam ohne die chemische Action. Mithin kann jener wie diese als die bedingende Ursache des Stroms angesehen werden.

879) Ich hielt es für nothwendig, diese Frage durch die möglichst einfachsten Formen des Apparats und des Versuchs zu entscheiden, damit kein Trugschlufs sich unversehens einschleiche. Die bekannte Schwierigkeit, Zersetzungen durch ein einfaches Plattenpaar hervorzubringen, es sey denn in der diese Platten zur Thätigkeit anregenden Flüssigkeit selbst (863), schien mir bei dergleichen Versuchen ein unübersteigliches Hindernifs in den Weg zu legen; allein ich erinnerte mich der leichten Zersetzbarkeit einer Jodkaliumlösung (316), und da ich keinen theoretischen Grund einsah, warum, wenn Metallcontact unwesentlich sey, nicht ohne denselben eine elektrochemische Zersetzung erhalten werden sollte, ging ich an einen solchen Versuch, und zwar mit Erfolg.

880) Eine Zinkplatte, etwa 8" lang und 0",5 breit, wurde gereinigt und in der Mitte rechtwinklich gebogen a, Fig. 1 Taf. I. Eine Platinplatte, etwa 3" lang und 0,5 breit, wurde an einem Platindraht befestigt und letzterer wie b in der Figur gebogen. Beide Metalle wurden wie in der Zeichnung zusammengestellt, allein noch aufserhalb des Gefäfses c und seines Inhalts, welcher aus verdünnter, mit etwas Salpetersäure gemengter Schwefelsäure bestand. Bei r wurde ein zusammengeschlagenes und mit Jodkalium-Lösung befeuchtetes Stück Fliesspapier auf das Zink gelegt, und das Ende des Platins darauf gedrückt. Wenn alsdann die Platten in die Säure

des Gefäfses c getaucht wurden, trat bei r sogleich eine Wirkung ein; das Jodid wurde zersetzt, und das Jod erschien an der Anode (663), d. h. an dem Ende des Platindrahts.

881) So lange die Enden der Platten in der Säure blieben, beharrten der elektrische Strom und die Zersetzung bei x. Bei Fortrückung des Drahtendes von Stelle zu Stelle auf dem Papier war die Wirkung offenbar sehr kräftig; und als ich ein Stück Kurkumäpapier zwischen das weifse Papier und das Zink legte (beide Papiere mit Jodkalium-Lösung befeuchtet) wurde Alkali an der Kathode (663), d. h. am Zink entwickelt, im Verhältnifs zur Jodentwicklung an der Anode. Mithin war die Zersetzung vollkommen polar und entschieden abhängig von einem elektrischen Strom, der vom Zink durch die Säure zum Platin im Gefäfse c und vom Platin zurück durch die Lösung zum Zink am Papiere ging.

882) Dafs die Zersetzung bei r eine wahre elektrolytische Action war, herrührend von einem durch die Umstände in dem Gefäfse, c erzeugten Strom, und nicht von einer blofsen directen chemischen Action des Zinks und Platins auf das Jodid, und selbst nicht von einem etwa durch Wirkung der Jodidlösung auf die Metalle bei hervorgerufenen Strom, zeigte sich zunächst durch Herausziehen der Platten aus der Säure in dem Gefälse c, wobei alle Zersetzung bei ≈ aufhörte, und dann in-dem man die Metalle entweder in oder aufser der Säure in Berührung setzte, wobei zwar eine Zersetzung des Jodids bei eintrat, aber in umgekehrter Ordnung; denn nun erschien das Alkali am Ende des Platindrahts und das Jod am Zink, der Strom ging also gegen vorhin in umgekehrter Richtung und ward erzeugt durch den Unterschied der Wirkung der im Papier enthaltenen Lösung auf die beiden Metalle. Daher verband sich dann das Jod mit dem Zink.

883) Bei Anstellung dieses Versuchs mit Zinkplatten, die auf ihrer ganzen Oberfläche amalgamirt waren (863), wurden die Resultate mit gleicher Leichtigkeit und in gleichem Sinne erhalten, selbst wenn das Gefäfs c (Fig. 1 Taf. I) nur verdünnte Schwefelsäure enthielt. Was für ein Ende des Zinks auch in die Säure getaucht war, so blieben doch die Wirkungen sich gleich, so dass, wenn man auch annehmen wollte, das Quecksilber hätte hiebei den Metallcontact abgegeben, doch die Umkehrung des amalgamirten Stücks diesen Einwurf vernichtet haben würde. Der Gebrauch von unamalgamirtem Zink (880) entfernt übrigens jede Möglichkeit eines Zweifels.

884) Als in Verfolgung anderer Ansichten (930) das Gefäls c statt der Säure mit einer Lösung von Aetzkali gefüllt wurde, ergaben sich die nämlichen Resultate. Ungehindert trat die Zersetzung des Jodids ein, wiewohl kein Metallcontact von ungleichen Metallen stattfand, und der elektrische Strom gleiche Richtung hatte wie bei Anwendung von Säure.

885) Selbst eine Kochsalzlösung im Glase c brachte alle diese Wirkungen hervor.

886) Ein Galvanometer mit Platindrähten, eingeschaltet in die Bahn des Stroms zwischen der Platinplatte und dem Zersetzungsort z, zeigte durch seine Ablenkung Ströme von gleicher Richtung an, wie sie durch die chemische Action nachgewiesen waren.

887) Betrachten wir diese Resultate im Allgemeinen, so führen sie zu sehr wichtigen Folgerungen. Zunächst beweisen sie aufs Entschiedenste, dafs Metallcontact nicht nothwendig ist zur Erzeugung eines voltaschen Stroms, und dann zeigen sie eine höchst ungewöhnliche Beziehung zwischen den chemischen Verwandtschaften der Flüssigkeit, die den Strom erregt, und derjenigen, welche durch diesen Strom zersetzt wird.

888) Um die Betrachtung zu vereinfachen, wollen wir zum Versuch mit amalgamirtem Zink zurückkehren.

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