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wenn der in Frage stehende Punkt auf diese Weise bestimmt entschieden wird, sollten selbst meine Ansichten dadurch widerlegt werden.

V. Ueber die optischen Eigenschaften der hemiprismatischen oder zwei- und eingliedrigen Aus einem Schreiben des Prof. F. E. Neumann an den Herausgeber.

Krystalle.

Unter der grofsen Anzahl schöner optischer Präpa

rate, welche Hr. Professor Nörrenberg in Tübingen mir bei meiner Anwesenheit daselbst im vorigen Jahre zeigte, zog dasjenige des Gypses ganz besonders meine Aufmerksamkeit auf sich. Es waren nämlich Gypsplatten, senkrecht geschnitten gegen die Linie, welche den Winkel der optischen Axen halbirt, und diese Platten zeigten in Betreff der Farben der Ringsysteme eine auffallende Verschiedenheit zwischen beiden Axen. Herschel) hat die zweiaxigen Krystalle nach den Farbenerscheinungen um ihre Axen in zwei grofse Klassen getheilt. Wenn man zwei Turmalinplatten rechtwinklig kreuzt und den Hauptschnitt eines zweiaxigen Krystalls parallel mit einer der Turmalinaxen dazwischen bringt, so kehren, bei einem Krystalle der ersten Klasse z. B. beim Topas, die centralen farbigen Räume um die Axen einander ihre blaue Enden zu; dagegen ihre rothe Enden, wenn der Krystall zur zweiten Klasse gehört, wie der Arragonit. Die eine der Gypsaxen gehört nun entschieden zur zweiten Klasse; sie ist lebhaft gefärbt, roth und grün, und das Roth ist der andern Axe zugekehrt; diese andere Axe zeigt nur eine schwache und undeutliche Färbung der Enden der centralen gelben Ellipse, so 1) Philosoph. Transact. 1820.

Poggendorff's Annal. Bd. XXXV.

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dafs man zweifeln kann, ob diese Axe nicht zur ersten Klasse gehöre, oder doch zu jener seltenen dritten Klasse, wo beide Enden der centralen Ellipse keinen Unterschied der Färbung sehen lassen. In der That bin ich bei meinen ersten Platten, die über 4 Linien dick waren, in diesem Zweifel gewesen; erst bei Platten von etwa zwei Linien sah ich eine unzweideutige Färbung der Enden der centralen Axenräume, das Roth der andern Axe zugekehrt 1).

Diefs Phänomen rührt nicht her von einer fehlerhaf

1) Durch die Güte des Hrn. Prof. Nörrenberg, welcher mich bereits im Sommer 1832, auf einer Durchreise durch Darmstadt, mit der in Rede stehenden Erscheinung bekannt machte, besitze ich einen von ihm selbst geschliffenen Gypskrystall, an dem die Farbenverschiedenheit der Ringsysteme um beide Axen ungemein schön zu beobachten ist. Ich finde jedoch die Farben an diesem Exemplare etwas anders als sie von Hrn. Prof. Neumann an seinen Krystallen wahrgenommen worden sind, und halte es deshalb nicht für ganz überflüssig sie hier kurz anzugeben. Vorausgesetzt, dafs jener Krystall, an dem die beiden geschliffenen Flächen unter sich parallel, und gegen die sogenannte Mittellinie etwa senkrecht sind, in der gehörigen Lage zwischen die beiden rechtwinklig gekreuzten Turmaline gebracht sey, der schwarze Strich des einen Ringsystems also in die Verlängerung von dem des andern Systems fallen würde, erblickt man Folgendes.

Das Ringsystem der einen Axe (wahrscheinlich der rothen des Hrn. Professor Neumann) hat in seiner, von dem Ringsystem der andern Axe abgewandten Hälfte einen lebhaften gelben Farbenton, der besonders in den Zwischenräumen der Ringe sichtbar ist, aber sich selbst in den Farben der Ringe noch deutlich erkennen läfst, da deren Blau dadurch einen grünen Ton besitzt. Dieser gelbe Farbenton nimmt von dem schwarzen Striche abwärts zu beiden Seiten hin allmälig an Stärke ab, und zwar so, dafs er desto schmäler wird, je näher er dem Mittelpunkt des Ringsystems kommt; er erstreckt sich jedoch noch über die Mitte hinaus, in die andere Hälfte des Ringsystems hinein, und er füllt namentlich den ganzen Raum, welcher vom innersten Ringe dieses Systems eingeschlossen wird. Die zweite Hälfte des Ringsystems dieser Axe, d. h. die dem Ringsystem der andern Axe zugewandte Hälfte, zeigt dagegen einen schön veilchenblauen Farbenkeil, der aber erst etwa beim zweiten Ringe (von der Mitte aus gezählt) anfängt, und von da ab nach den äu

ten Lage der Schnitte, auch nicht von den fast unvermeidlichen Drückungen bei Bearbeitung der Platten, wie

fseren Ringen eben so an Breite zunimmt, als die Intensität seiner Farbe abwärts von dem schwarzen Striche, der ihn halbirt, nach beiden Seiten hin allmälig schwächer wird.

Das Ringsystem der andern Axe (der matten des Hrn. Prof. Neumann) zeigt diese lebhaften Farbenkeile nicht; die Zwischenräume der Ringe sind farblos, gleich wie der vom innersten Ringe eingeschlossene Raum; allein man bemerkt in der dem Ringsystem der ersten Axe zugewandten Hälfte, zu beiden Seiten des schwarzen Strichs, an den zwei oder drei ersten Ringen einen schönen rosenrothen Farbenton, der aber nur schmal ist und sich weiter abwärts von der Mitte des Systems bald verliert. In der von dem Ringsystem der ersten Axe abgewandten Hälfte hat der schwarze Strich zu beiden Seiten einen meergrünen Farbensaum, der zwar breiter ist und sich weiter abwärts von der Mitte verfolgen läfst als der rosenrothe, aber doch bei weitem nicht die Intensität und Extension des gelben oder veilchenblauen Keils im Ringsystem der ersten Axe besitzt.

Dieses erste Ringsystem unterscheidet sich überdiess noch dadurch von dem der matten Axe, dafs die Ringe darin ungleich zahlreicher sind als beim letzteren. Bei Anwendung von weifsem Lichte zählt ruan in jenem System (der sogenannten rothen Axe) mit Leichtigkeit 18 bis 20 Ringe; bei dem Systeme der matten Axe dagegen kaum 6 bis 8. Die Farben der eigentlichen Ringe, so weit sie nicht durch die erwähnten Farbenkeile abgeändert werden, scheinen bei beiden Axen gleich zu seyn, und das Roth unter denselben nach innen zu liegen; doch wage ich darüber, wie überhaupt über die Folge dieser Farben, nicht zu entscheiden.

Der Nörrenberg'sche Gypskrystall, gemessen in Richtung der sogenannten Mittellinie, auf welcher die geschliffenen Flächen senkrecht stehen, mifst 6,5 Par. Linien, ist also bedeutend dicker (oder länger, wenn man will) als der von Hrn. Prof. Neumann untersuchte. Ich glaubte daher anfangs das Abweichende in den von uns beobachteten Farben läge in der Verschiedenheit der Dimensionen der Krystalle; allein ich habe später Gelegenheit gehabt, zwei andere, Hrn. Prof. Mitscherlich zugehörige Krystalle zu untersuchen, einen etwa 5, und den andern etwa 4 Linien dick; und habe an beiden im Wesentlichen dieselben Farben wie am Nörrenberg'schen Krystall wahrgeP.

nommen.

unangenehm störend diese auch sonst auf die Regelmäfsigkeit der Ringe wirken; vielmehr ist er ein constantes, an die krystallinische Structur gebundenes Phänomen. Die Zerstreuung der Axen ist auf beiden Seiten der Mittellinie ungleich. Es hat, um in der Terminologie der Fresnel'schen Theorie zu reden, eine jede Farbe ihre eigenen Elasticitätsaxen, die nicht allein der Gröfse nach verschieden sind, was bekannt war, sondern auch der Lage nach. Diefs ist die Bedeutung der schönen Entdeckung von Hrn. Nörrenberg beim Gyps, von der Sie gerne diese kurze Notiz in Ihre geschätzten Annalen aufnehmen werden.

Es ist aber das Verhalten der optischen Axen im Gyps nicht die einzige bekannte Thatsache, aus welcher sich wenn es noch erlaubt ist, die Terminologie der Fresnel'schen Theorie auf unsymmetrische Krystalle anzuwenden eine Zerstreuung der Elasticitätsaxen ergiebt. Schon früher hat Hr. Nörrenberg, gleichzeitig mit Herschel ein Factum aufgefunden, aus welchem mit unmittelbarer Evidenz hervorgeht, dafs die Elasticitätsaxen der verschiedenen Farben eine verschiedene Richtung haben ich meine die Erscheinungen, welche der Borax 1) zeigt. Hier liegen nicht, wie beim Gyps, die gröfsten und kleinsten Elasticitätsaxen in der Ebene, durch welche die Krystallgestalt symmetrisch getheilt wird, sondern in einer darauf senkrecht stehenden; wie beim Gyps variiren aber der Lage nach für die verschiedenen Farben die beiden Elasticitätsaxen, welche in der symmetrisch theilenden Ebene liegen; die optischen Axen für die einzelnen Farben liegen in verschiedenen, gegen jene Ebene senkrechten Ebenen; sie sind also über einen Theil einer Kegeloberfläche zerstreut. Herschel sagt von der Curve, in welcher die Farbenaxen beim Borax dem Auge erscheinen, dafs sie wahrscheinlich Stücke unbekannter, von der Fresnel'schen Elasticitätsoberfläche abhängiger 1) Diese Annalen, Bd. XXVI S. 309.

Linien seyen. Es ist also um so mehr herrvorzuheben, dafs dem Phänomen eine neue, mit der Fresnel'schen Theorie in keinem Zusammenhange stehende, ja ihr widersprechende Thatsache zum Grunde liegt. Die Analogie, die Sie, verehrter Freund, zwischen diesem Phänomen und demjenigen sahen, wo die optischen Axen der einzelnen Farben in zweierlei auf einander senkrechten Ebenen liegen, wie Sie diefs wahrscheinlich für den Gyps in höheren Temperaturen machten, und wie Brewster diefs am Glauberit nachgewiesen hat 1); diese Analogie ist nur scheinbar, weil sich hier alles aus der verschiedenen Länge der Elasticitätsaxen für die einzelnen Farben erklärt, ohne dafs ihre Richtung variirt.

Ich komme auf den Gyps zurück. Ich kann Ihnen eine andere Thatsache mittheilen, welche für sich schon die Verschiedenheit der beiden optischen Axen des Gypses beweist. Nach Hrn. Mitscherlich's schöner Entdeckung nähern sich die beiden Axen bei erhöhter Temperatur und vereinigen sich zwischen 70° und 80° R. Aber ich habe gefunden, dafs die Geschwindigkeit, mit welcher die Axen sich gegen einander bewegen, für die beiden Axen sehr verschieden ist, die eine Axe bewegt sich beinahe halbmal schneller als die andere. Zur bequemen Bezeichnung nenne ich die eine Axe die rothe, diejenige mit lebhafter Färbung, die andere die matte Axe. Es ist die letztere, welche die viel raschere Bewegung mit der Temperaturveränderung macht. Doch, ehe ich zu den hierüber angestellten Beobachtungen übergehe, erlauben Sie mir, Ihnen die Methode anzugeben, deren ich mich zur Bestimmung der Lage der optischen Axen überhaupt bedient habe; sie ist einfach und läfst jede erreichbare Genauigkeit zu. Ich lasse das Licht 2) durch eine Turmalinplatte auf eine Linse fallen, in deren Focus ungefähr sich der Krystall befindet; auf diesen habe ich ein Fernrohr gerichtet, vor dessen Ocular die zweite 1) Annal. Bd. XXVII S. 480. 2) Von einer Löthrohrlampe.

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