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men des Elektrolyten entspringen liefsen, zu verdrängen. Sie erklärte ohne weitere Annahme die zahlreichen Versuche, welche H. Davy ) kurze Zeit nachher über die Hinüberführung der Bestandtheile zu den Elektroden veröffentlichte. Das späte Auftreten der Ionen eines Elektrolyten, der sich nicht in unmittelbarer Berührung mit den Polen befindet, ihr gänzliches Ausbleiben, wenn sie eine Flüssigkeit, mit deren Bestandtheilen sie unlösliche Verbindungen eingehen, von den Elektroden trennt, waren vortreffliche Belege, welche Davy der Theorie lieferte.

Trotz der klaren Vorstellung, die Grotthufs bis hierhin von der Elektrolyse sich gebildet, die namentlich aus der Bemerkung, welche ich oben mit seinen eigenen Worten wiedergegeben, hervorgeht (die Prämisse der Folgerung realisiren wir bekanntlich heutigen Tages leicht durch einen Inductionsstrom), verfiel er in der weitern Ergründung der Erscheinung in einen wesentlichen Irrthum. Er dachte sich nämlich dieselbe dadurch bedingt, dafs die Metalle, zwischen denen der Elektrolyt eingeschaltet, die Sitze zweier Kräfte seyen, welche entgegengesetzt auf die beiden Bestandtheile jedes Atoms wirkend, den einen abstofsen, den andern anziehen und sich umgekehrt dem Quadrate der Entfernung verändern. Dieser Ansicht huldigten lange mehr oder weniger sämmtliche Physiker, die unserm Gegenstande ihre Aufmerksamkeit schenkten; ihr entsprach die Benennung der Pole, die man den eingetauchten Metallen gab. Grotthufs war jedoch auch hier den übrigen darin voraus, dafs er bereits (freilich im Widerspruche mit seiner Hypothese) die auf jedes Theilchen des Elektrolyten wirkende Kräfte überall gleichstark im Bogen hinstellte, eine Annahme, die bekanntlich für die einfachsten Bedingungen des Versuches richtig ist.

Erst Faraday drang tiefer in den Vorgang ein. In ganz entgegengesetzter Weise fafste er die Bedingungen desselben auf und ward dadurch zu der grofsen Entdeckung der festen elektrolytischen Wirkung des Stromes geführt, 1) Gilb. Ann. Bd. 28, S. 26.

die gegenwärtig das Fundament aller weiteren Untersuchungen über die Elektrolyse bildet. Er brachte durch

diese Umgestaltung die Theorie in Einklang mit dem Ohm'schen Gesetze, ohne dasselbe zu kennen.

»Ich denke mir, sagt er im §. 524 seiner Experimental-Untersuchungen '), die Effecte als entsprungen aus inneren, der in Zersetzung begriffenen Substanz angehörigen Kräften und nicht aus äufserlichen, wie sie betrachtet werden könnten, wenn sie unmittelbar von den Polen abhingen. Ich nehme an, die Wirkungen seyen Folge einer durch den elektrischen Strom hervorgebrachten Abänderung der chemischen Verwandtschaft der in und neben der Bahn des Stromes liegenden Theilchen, durch welche diese das Vermögen erlangen, in einer Richtung stärker als in der andern zu wirken, demgemäfs durch eine Reihe folgweiser Zersetzungen und Wiederzusammensetzungen in entgegengesetzter Richtung fortgeführt und endlich an den in Richtung des Stromes liegenden Gränzen des in Zersetzung begriffenen Körpers ausgetrieben oder ausgeschlossen werden und dieses in gröfserer oder geringerer Menge, je nachdem der Strom mehr oder weniger stark ist. Ich glaube daher, es würde philosophischer seyn und die Thatsachen unmittelbarer bezeichnen, von dem zersetzt werdenden Körper in Bezug auf den durch ihn gehenden Strom zu sprechen, als in Bezug auf die mit ihm in Berührung stehenden sogenannten Pole, und demgemäfs zu sagen, dafs während der Zersetzung Sauerstoff, Chlor, Jod etc. zu dem negativen Ende, Wasserstoff, Metalle u. s. w. zu dem positiven Ende der zersetzt werdenden Substanz übergeführt werden. <<

»Die Pole, heifst es weiter im §. 556 2), sind blofs die Oberflächen oder Thüren, durch welche die Elektricität zu der zersetzt werdenden Substanz ein- oder austritt. Sie begränzen die Ausdehnung jener Substanz in dem Laufe des elektrischen Stromes, sind die Enden derselben in dieser 1) Pogg. Ann. Bd. 32, S. 435.

2) Ebend. Bd. 32, S. 450.

Richtung, und deshalb gehen die Elemente bis dahin und nicht weiter. «

Faraday erklärt hierdurch zuerst mit Bestimmtheit die chemische Zersetzung als die Leitung des elektrischen Stromes durch den Elektrolyten. Er bewies für dieselbe die wichtige Beziehung '):

>> Die Summe der chemischen Zersetzung ist constant für jeden Querschnitt eines zersetzt werdenden Leiters von gleichförmiger Beschaffenheit, welche Entfernung auch die Pole von einander oder von dem Querschnitte haben mögen, vorausgesetzt nur, dafs der elektrische Strom in constanter Quantität erhalten werde. «<

In diesen Sätzen wird noch heute unsere Vorstellung von dem Processe der elektrischen Zersetzung zusammengefafst. Faraday glaubte in einer spätern Abhandlung 2), dafs sie einer Modification bedürfen würden. Zu dieser Aeufserung bestimmte ihn vorzugsweise die chemische Theorie der galvanischen Kette, die er so eifrig zu vertheidigen sich bemühte, sowie der Umstand, dafs Elektrolyte häufig schwache Ströme leiten, ohne dafs eine Zersetzung wahrnehmbar wird. Beide Punkte sind jedoch seitdem hinreichend von der Wissenschaft erledigt, ohne den aufgestellten Sätzen irgend zu nahe zu treten. Im Gegentheil hat jede genauere Untersuchung für dieselben nur neue Bestätigungen geliefert.

Wir veranschaulichen uns den Vorgang gewöhnlich, indem wir eine lineare Reihe neben einander befindlicher Atome, wie Fig. 1 Taf. II. angiebt, darstellen. Der Zeichnung liegt die Annahme zu Grunde, dafs die Entfernung zwischen den benachbarten Atomen des Elektrolyten grösser als diejenige ist, in welcher die chemisch verbundenen Ionen jedes Atoms von einander abstehen. Diese Annahme ist gewiss für die Fälle gestattet, welche uns später allein beschäftigen, in denen der Elektrolyt durch ein Lösungsmittel den flüssigen Aggregatzustand erhält.

1) Pogg. Ann. Bd. 32, S. 426.

2) Ebendas. Bd. 35, S. 259.

Die erste Wirkung des Stromes wird darin bestehen '), die Theilchen des zersetzt werdenden Körpers in eine solche Lage zu bringen, dafs das Kation jedes Atoms der Kathode, das Anion der Anode zugewandt ist. Alsdann entfernen sich die beiden Ionen von einander, bewegen sich in entgegengesetzter Richtung und kommen so mit den ebenfalls wandernden benachbarten zusammen (Fig. 1 6 Taf. II). Hierdurch sind sie aber in eine Lage gelangt, wo jedes Anion nach der Kathode, jedes Kation nach der Anode gerichtet ist. Es mufs daher wieder eine Drehung jedes Atoms erfolgen, die entgegengesetzte Stellung eintreten, wenn ununterbrochen an derselben Elektrode derselbe Bestandtheil frei werden soll (Fig. 1 c, Taf. II.).

Es würde gewifs von grofser Wichtigkeit seyn, wenn wir diese Bewegungen, welcher die kleinsten Theilchen eines Elektrolyten während des Durchganges des Stromes unterworfen sind, genauer, als in den allgemeinsten Umrissen darstellen könnten. Sie werden nicht allein über das Wesen der Elektricität, sondern auch über die chemische Constitution der Körper Licht verbreiten.

Es scheint möglich, durch den Versuch die relativen Wege, welche die beiden Ionen während der Elektrolyse zurücklegen, in vielen Fällen zu bestimmen. Da uns im Folgenden dieser Punkt allein beschäftigen wird, so wollen wir ihn in der Zeichnung ebenfalls allein hervortreten lassen. Zu dem Ende wählen wir die Darstellungsart, die Berzelius in seinen Werken giebt, in welcher die beiden Ionen unter einander sich befinden und in horizontaler Richtung an einander verschieben (Fig. 2, Taf. II.). Gesetzt der Elektrolyt sey durch ein indifferentes, den Strom nicht leitendes Lösungsmittel in den flüssigen Zustand gebracht. Vermögen wir die Flüssigkeit an irgend einer bestimmten Stelle zu spalten, so werden wir nach der Elektrolyse in jedem Theile die Ionen in einem andern Verhältnisse finden, wie vor derselben. Dieses Verhältnifs wird durch die

1) Vergl. Faraday §. 1705 Pogg. Ann. Ergänzungsbd. I, S. 263.

Wege bedingt, die jedes Ion während des Durchganges des Stromes zurücklegt.

Machen wir z. B. die Annahme, welche in den älteren Darstellungen stillschweigend vorausgesetzt wurde, dafs die Wege einander gleich seyen, demnach die beiden wandernden lonen sich in der Mitte ihrer ursprünglichen Entfernung begegnen, so lehrt ein Blick auf die Fig. 2 Taf. II, dafs nach der Elektrolyse der Theil der Flüssigkeit, der an die Anode gränzt, ein halbes Aequivalent des Anions mehr, ein halbes Aequivalent des Kations weniger enthalten wird, wie vor derselben. Für den andern Theil, der mit der Kathode in Berührung stand, gilt natürlich das Umgekehrte. Unter Aequivalent ist die Menge des frei gewordenen Bestandtheils verstanden.

Legen die beiden Ionen nicht gleiche Wege zurück, begegnen sie sich nicht in der Mitte, so wird die Seite der Flüssigkeit, auf der das schneller sich bewegende Ion auftritt, um mehr als ein halbes Aequivalent desselben vermehrt, und um weniger als um ein halbes Aequivalent des andern vermindert worden seyn. Die Fig. 3 Taf. II. zeigt dief's für die Annahme, dafs das Anion, das Kation des Weges zurücklegt. Die Seite der Flüssigkeit an der Anode enthält nach der Zersetzung Aequivalent des Anions mehr, Aequivalent des Kations weniger, als vor derselben. Die andere Seite zeigt das umgekehrte Verhältniss.

Es gilt offenbar dieses Resultat allgemein. Legt das eine Ion des Weges zurück, das andere

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so wird 1

die Seite der Flüssigkeit, in welcher ersteres auftritt, n

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Aequivalent desselben mehr, Aequivalent des andern Ions weniger enthalten. Die entgegengesetzte Beziehung wird für die andere Seite des Elektrolyten gelten.

Die ersten Versuche, die Ueberführung der Ionen quantitativ zu bestimmen, wurden von Faraday ) angestellt. Er behandelte jedoch den Gegenstand nur nebenbei, und 1) Experim. Untersuch. §. 525–530 Pogg. Ann. Bd. 32, S. 436.

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