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Er ist nicht blofs auf das Princip der lebendigen Kraft basirt, sondern in seinem weiteren Verlaufe wird noch eine zweite Annahme zu Hülfe genommen. Indem Helmholtz nämlich einen einzelnen beweglichen materiellen Punkt m betrachtet, welcher unter der Einwirkung eines einzelnen festen materiellen Punktes a steht, zieht er daraus, dafs die Lage von m durch seine Beziehung zu a nur der Entfernung ma nach bestimmt sey, den Schlufs, dafs Richtung und Grösse der von a auf m ausgeübten Kraft nur Functionen dieser Entfernung seyn können.

Die Richtung der Kraft scheint hier nur aus Versehen mit erwähnt zu seyn, denn wenn sie durch blofse Functionen der Entfernung bestimmt wäre, so müfste sie bei gleicher Entfernung, also in den verschiedenen Punkten einer um a beschriebenen Kugelfläche überall dieselbe seyn, was Helmholtz nicht gemeint haben kann. Dafs aber die Grösse der Kraft eine Function der Entfernung sey, ist gerade die eine der oben erwähnten Eigenschaften, welche, wie es dort schien, beide erst als Folgen des Princips der lebendigen Kraft bewiesen werden sollten, und von denen nun die eine zum Beweise der anderen unabhängig von diesem Principe angenommen wird. Der Grund, aus welchem Helmholtz diese Annahme über die Gröfse der Kraft ableitet, ist auch schon an einer früheren Stelle, nämlich in der Einleitung S. 5 erwähnt, wo es heifst: »Punkte haben keine räumliche Beziehung gegen einander, als ihre Entfernung, denn die Richtung ihrer Verbindungslinie kann nur im Verhältnifs gegen mindestens noch zwei andere Punkte bestimmt werden. « Hier aber zieht Helmholtz daraus einen anderen Schlufs, indem er weiter sagt: »Eine Bewegungskraft, welche sie gegen einander ausüben, kann deshalb auch nur Ursache zur Aenderung ihrer Entfernung seyn, d. h. eine anziehende oder abstofsende.« Dieses ist die zweite der oben erwähnten Eigenschaften, und somit hat Helmholtz selbst gezeigt, dafs, wenn man einmal von jener allgemeinen Betrachtung als richtig ausgeht, man daraus beide Eigenschaften gleich unmittelbar ableiten kann.

Das Princip der lebendigen Kraft erscheint daher, jenachdem man die Richtigkeit jener Betrachtung zugiebt oder nicht, zum Beweise der beiden Eigenschaften im einen Falle als unnöthig, im anderen als unzureichend.

Die Folgerungen, welche sich aus diesem Principe allein ergeben, lassen sich leicht übersehen.

Bleiben wir bei dem vorher betrachteten einfachen Beispiele eines festen und eines frei beweglichen materiellen Punktes stehen, und bezeichnen die veränderliche Geschwindigkeit des beweglichen Punktes m mit q, so dass mq2 seine lebendige Kraft darstellt, so wird jenes Princip mathematisch dadurch ausgedrückt, dafs mq2 eine blosse Function der Raumcoordinaten seyn mufs, in welcher die letzteren von einander unabhängige Veränderliche sind. Nun gilt allgemein der mechanische Satz, dafs, wenn X, Y, Z die in die drei rechtwinklichen Coordinatenrichtungen fallenden Componenten der auf m wirkenden Kraft bedeuten, dann

im q2 = f (Xdx+Ydy+Zdz)

ist. Soll hierin die linke Seite eine Function der angegebenen Art seyn, so mufs auch die rechte Seite eine solche darstellen, d. h. der unter dem Integralzeichen stehende Ausdruck muss integrabel seyn, und dieses ist die einzige Bedingung, welche der Kraft durch jenes Princip auferlegt wird.

Diese Bedingung lässt sich auf unendlich viele Weisen erfüllen, denn wenn man von einer ganz beliebigen Function der Raumcoordinaten f(x, y, z) ausgeht, und setzt:

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so erhält man dadurch jedesmal eine nach Gröfse und Richtung durch Functionen der Raumcoordinaten bestimmte Kraft, welche offenbar der Bedingung genügt.

Fragen wir nun, in welcher Beziehung diese allgemeine

Be

Bedingung zu den beiden oben besprochenen Eigenschaften, welche die Kraft zu einer Centralkraft machen, steht, so läfst sich, wie gesagt, keine von ihnen für sich allein daraus folgern, dagegen läfst sich leicht beweisen, dass, wenn Eine jener beiden Eigenschaften stattfindet, dann nothwendig auch die andere stattfinden muss; und nur dieser Satz hätte meiner Ansicht nach in der citirten Stelle von Helmholtz als Folge des Principes der lebendigen Kraft ausgesprochen werden dürfen.

Was endlich noch den anderen, vom Principe der lebendigen Kraft unabhängigen Grund anbetrifft, aus welchem Helmholtz die Nothwendigkeit der Centralkräfte schliefst, nämlich die oben angeführte allgemeine Betrachtung, so scheint mir diese, wenn wir von ihrer physicalischen Wahrscheinlichkeit, welche ich durchaus nicht bestreite, hier ganz absehen, und nur ihre mathematische Nothwendigkeit ins Auge fassen, ebenfalls nicht einwurfsfrei zu seyn; denn undenkbar ist es doch nicht, dafs selbst ein Punkt nach verschiedenen Richtungen mit verschiedener Kraft wirke.

Der zweite Abschnitt, in welchem die Betrachtungen des ersten verallgemeinert werden, enthält gegen das Ende S. 19 noch einen anderen Beweis der obigen Behauptung, in welchem scheinbar keine Nebenannahme vorkommt. Es wird nämlich für ein System materieller Punkte, welche theils gegenseitig auf einander einwirken, theils unter der Einwirkung fremder Kräfte stehen, aus dem Principe der lebendigen Kraft das Princip der virtuellen Geschwindigkeiten abgeleitet, und aus diesem dann geschlossen, dafs die gegenseitigen Kräfte je zweier Punkte »>in der Richtung der verbindenden Linie liegen, also anziehende oder abstofsende seyn müssen.« Dabei ist aber das letztere Princip durch die Gleichung (7.) S. 18 nur in einer speciellen Form ausgedrückt, welche es dadurch angenommen hat, dafs die ganze Entwickelung schon von der Voraussetzung ausgeht, dafs alle vorkommenden Kräfte in den Richtungen der Verbindungslinien wirken, wie es in den auf S. 15 Poggendorff's Annal. Bd. LXXXIX.

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befindlichen Formeln deutlich ausgesprochen ist. Wenn nun aus einer so entstandenen Gleichung umgekehrt wieder jene Voraussetzung geschlossen wird, so kann ich darin nur einen Zirkelschlufs sehen.

Im vierten Abschnitte bespricht Helmholtz die Abhandlung von Clapeyron über die bewegende Kraft der Wärme, in welcher als Aequivalent der von der Wärme geleisteten Arbeit ein blofser Uebergang einer gewissen Wärmemenge von einem warmen zu einem kalten Körper betrachtet wird, und führt dann ihr gegenüber die von Holtzmann über denselben Gegenstand geschriebene Abhandlung in der Weise an, als ob in dieser als Aequivalent der Arbeit ein wirklicher Verbrauch von Wärme in Rechnung gebracht wäre. Das ist aber ein Irrthum. Ich habe schon an einer früheren Stelle ') erwähnt, dass man zwar aus der Einleitung dieser Abhandlung die Vermuthung schöpfen kann, als wolle Holtzmann den Gegenstand von diesem Gesichtspunkte aus behandeln, dafs man sich aber durch eine nähere Betrachtung der mathematischen Entwickelungen leicht davon überzeugt, dass die aufgestellten Formeln, und namentlich auch die von Helmholtz speciell citirte Formel für die Elasticität des Wasserdampfes bei verschiedenen Temperaturen, auf der Annahme beruhen, dafs die Quantität der Wärme unveränderlich sey.

Einige andere Stellen, welche sich auf continuirliche elektrische Ströme und Elektrodynamik beziehen, muss ich hier übergehen, da ihre vollständige Erörterung hier zu weitläufig werden würde, und ich behalte mir daher vor, in späteren Arbeiten gelegentlich darauf zurückzukommen.

Schliesslich muss ich aber in Beziehung auf die ganze Schrift hier noch einmal aussprechen, was ich schon in meiner ersten darauf bezüglichen Anmerkung angedeutet habe, dafs sie trotz der erwähnten Ungenauigkeiten, selbst wenn diese vollständig als solche zugestanden werden, doch meiner Ansicht nach durch die vielen in ihr enthaltenen

1) Diese Ann. Bd. 79, S. 370.

schönen Gedanken einen grofsen wissenschaftlichen Werth besitzt, und ich würde daher auch die vorstehende Auseinandersetzung gern vermieden haben, wenn sie nicht zu meiner eigenen Rechtfertigung nothwendig gewesen wäre.

V. Ueber die Zusammensetzung des Rindstalgs; von WV. Heintz.

In

In einer im Jahre 1849 erschienenen Arbeit hat Arzbächer) nachzuweisen versucht, dafs das aus dem Rindstalg dargestellte Stearin zwei Procent Kohlenstoff mehr enthalte, als das aus dem Hammeltalg gewonnene, und Liebig2) hat die Richtigkeit der Resultate dieser Untersuchung gegen einen freilich nur vermeintlichen Angriff von mir in Schutz genommen. Bei meiner Untersuchung des Rindstalgs bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, dafs die Angaben von Arzbächer dennoch unrichtig sind.

Dieser stellte das Stearin auf folgende Weise dar. Das Fett wurde im Wasserbade geschmelzt und mit Aether geschüttelt. Nach dem Erkalten wurde letzterer abgegossen, das Stearin zwischen Papier geprefst und auf dieselbe Weise 4 bis 5 Mal behandelt. Das so gewonnene Stcarin schmolz bei 60°,6 C., war blendend weifs, leicht zerreiblich und pulverisirbar. Die Zahlen, zu welchen Arzbächer durch die Analysen des so aus Rindstalg dargestellten Stearins gelangte, waren folgende:

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1) Ann. der Chem. und Pharm. Bd. 70, S. 239. *

2) Ebend. Bd. 80, S. 296. * Anm.

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