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10. Ueber die abkühlende Wirkung von Luft

strömen; von A. Oberbeck.

1. Wird ein dünner Platindraht durch einen electrischen Strom bis zu mässiger Rothgluth erwärmt und dann ein Luftstrom gegen denselben gerichtet, so hört das Glühen auf. Hat man die Stromintensität so regulirt, dass die Rothgluth eben beginnt sichtbar zu werden, so genügt hierzu ein recht schwacher Luftstrom, etwa der Hauch der ausgeathmeten Luft. Alle in dieser Beziehung anzustellenden Versuche weisen darauf hin, dass die abkühlende Wirkung der bei dem Draht vorbeifliessenden Luft nicht unbedeutend ist.

Ist man in der Lage, die Temperatur des erwärmten Drahtes genauer bestimmen zu können, so braucht man sich selbstverständlich nicht auf die Temperatur der beginnenden Rothgluth zu beschränken. Vielmehr kann man jede höhere Temperatur des galvanisch erwärmten Drahtes benutzen und die Abkühlung durch geeignete Luftströme unter Beibehaltung der Wärmeentwickelung in der Zeiteinheit beobachten.

Da mir frühere Untersuchungen über diesen Gegenstand nicht bekannt sind, so habe ich hierüber einige Versuche angestellt, indem ich mir die folgenden Fragen vorlegte:

a) Welche Temperaturerniedrigungen erfährt ein Draht bei gleichmässig andauernder Wärmeerzeugung durch Luftströme von bekannter Geschwindigkeit ?

b) Welche Wärmemengen werden einem auf einer constanten höheren Temperatur erhaltenen Draht durch Luftströmungen von bekannter Geschwindigkeit in der Zeiteinheit entzogen?

2. Versuche zur Beantwortung dieser Fragen schienen mir aus verschiedenen Gründen nicht ohne Interesse.

Sind zunächst für einen bestimmten Draht bei Erwärmung desselben durch einen sich stets gleichbleibenden Strom die Temperaturerniedrigungen infolge der Wirkung verschiedener

Luftströme ermittelt worden, so kann man umgekehrt aus der beobachteten Abkühlung einen Schluss auf die Geschwindigkeit eines unbekannten Luftstromes ziehen. Es liesse sich vielleicht sogar nach diesem Princip ein Anemometer herstellen. Jedenfalls hätte dasselbe den Vorzug einer sehr compendiösen Form. Denn es brauchte der dem Wind ausgesetzte Theil nur aus einem dünnen Platindraht von wenigen Centimetern Länge zu bestehen, der mit zwei stärkeren metallischen Zuleitungen versehen ist, denen man eine beliebige, zweckmässige Gestalt geben kann. Aber wenn auch wirkliche Geschwindigkeitsmessungen auf Schwierigkeiten stossen sollten, so würde ein derartiger Apparat jedenfalls geeignet sein, die relative Geschwindigkeit an verschiedenen Orten eines künstlich erzeugten Luftstromes zu messen. Man kann demselben z. B. feste Wände entgegenstellen und hierdurch seine Richtung und Stärke ändern oder seine Intensität schwächen, indem man ihm durchlässige Wände entgegensetzt. In allen diesen Fällen würde man aus der abkühlenden Wirkung auf die Luftgeschwindigkeit einen Schluss ziehen können.

Die Winde sind, wie Langley 1) vor kurzem nachgewiesen hat, gewöhnlich Luftströmungen von veränderlicher Stärke. Dementsprechend wird ein Platindraht, welcher in den Lauf derselben gebracht und galvanisch erwärmt wird, bald höhere, bald niedrigere Temperaturen zeigen, jedenfalls aber schneller den Veränderungen des Windes folgen, als ein gewöhnliches Robinson'sches Anemometer.

Aber selbst abgesehen von allen weiteren Anwendungen dürfte die Frage nach der abkühlenden Wirkung von Luftströmen theoretisch nicht ohne Interesse sein. Unter gewissen Umständen kann dieselbe allerdings nach bekannten Regeln berechnet werden. Handelt es sich z. B. um eine ausgedehnte Platte, welche in ihrer ganzen Ausdehnung auf der einen Seite auf constanter höherer Temperatur erhalten, auf der anderen Seite überall von einem Luftstrom von niedrigerer Temperatur getroffen wird, so kann man zunächst die einfache Annahme machen, dass auf dieser Seite die freie Oberfläche der Platte auf der

1) S. P. Langley, The internal work of the wind. Smithsonian Contributions to knowledge. 884. p. 1–23. 1893.

Temperatur des Luftstromes erhalten wird. Der Wärmefluss durch die Platte würde dann hach der Theorie der Wärmeleitung zu berechnen sein. Ist die Temperaturdifferenz aber auf den beiden Grenzflächen erheblich, so steigt die Temperatur der Platte auch auf der kälteren Seite über die Temperatur der vorbeiströmenden Luft. Ohne Kenntniss der von derselben mitgeführten Wärmemengen würde man die weitere Rechnung nicht durchführen können. Dass es sich hierbei um eine für die Meteorologie nicht unwichtige Frage: um die Abkühlung des Erdbodens durch kalte, die Erwärmung desselben durch wärmere Winde handelt, mag noch nebenbei erwähnt werden. Noch complicirter wird der Vorgang bei der Wirkung von Luftströmen auf Körper anderer Gestalt, z. B. auf eine Kugel. Die Intensität der Luftströme ist hier für verschiedene Stellen der Kugel verschieden. Von der entsprechenden Mitnahme der Wärme von der Oberfläche hängt aber wieder die Leitungsbewegung der Wärme im Innern der Kugel ab.

3. Besitzt der erwärmte Körper so geringe Querdimensionen wie ein dünner Platindraht, so kann man mit grosser Annäherung die Temperatur des Drahtes als überall gleich annehmen. Diese Temperatur liegt aber mehr oder weniger hoch über derjenigen der vorbeifliessenden Luft. Hiernach besteht zwischen der Drahtoberfläche und einer derselben sehr naheliegenden Fläche in der Luft ein Temperaturunterschied von endlicher Grösse. Die Theorie der Wärmeleitung setzt aber stets voraus, dass zwischen sehr nahe gelegenen Flächen sehr kleine Temperaturunterschiede auftreten. Es ist daher zweifelhaft, ob auf diesen Vorgang die Gesetze der Wärmeleitung mit Berücksichtigung von Convectionsströmungen, welche ich früher entwickelt habe1), noch anzuwenden sind.

Hiernach schien es mir geboten, zunächst möglichst einfache, orientirende Versuche über diesen Vorgang anzustellen. 4. Leitet man durch einen dünnen Platindraht einen so schwachen Strom, dass eine merkliche Erwärmung des Drahtes nicht stattfindet, so entspricht der Widerstand des Drahtes der Temperatur der Umgebung. Bei Verstärkung des primären

1) A. Oberbeck, Wied. Ann. 11. p. 489-495; p. 634-652. 1880.

Stromes steigt die Temperatur des Drahtes. Der Widerstand desselben wächst dann ebenfalls. Hieraus kann man einen Schluss auf die höhere Temperatur des Drahtes ziehen. Die hier in Betracht kommenden Widerstandsbestimmungen wurden mit Hülfe eines Differentialgalvanometers ausgeführt.

Der Strom einer Accumulatoren batterie wurde zu dem Zweck durch einen Regulirwiderstand, ein Ampèremeter, den zu untersuchenden Platindraht und durch einen weiteren Draht geleitet, welcher ungefähr denselben Widerstand, aber viel grösseren Querschnitt, als der Platindraht besitzt. Derselbe war so gross gewählt, dass auch bei den stärksten Strömen eine merkliche Erwärmung nicht eintrat. Von den Enden des Platindrahtes, sowie von den Enden des zuletzt erwähnten Widerstandes gehen Zweigleitungen zu den beiden Rollen eines Spiegelgalvanometers. In diese Zweige sind ausserdem noch Widerstandskästen eingeschaltet. Bezeichnet man die Widerstände, von denen die Zweige abgehen, mit w1 und w2, die Widerstände der beiden Zweigleitungen mit z, und z2, die Stromintensitäten in denselben mit ¿ und ¿1⁄2, so ist:

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wenn J die Intensität des Hauptkreises ist. Die Galvanometernadel ist im Gleichgewicht, wenn die beiden Zweigströme in einem von der Einheit wenig abweichendem Verhältniss stehen, also wenn

i = kig.

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Da ausserdem die Zweigwiderstände z1 und z, mehr als tausendmal grösser als w1 und w2 sind, so ist die Nadel für jeden Werth von J in Ruhe, wenn

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ist. Bei jeder Versuchsreihe blieben W2 und Z2 unverändert. Also kann der einzuschaltende Widerstand z1 stets als Maass für w1 gelten.

Bezeichnet man die Werthe von w1 und 21 für einen schwachen Hauptstrom mit w。 und zo, für einen stärkeren Strom mit w und z, so ist

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Aus diesem Widerstandsverhältniss kann ein Schluss auf die Temperatur des Platindrahtes gezogen werden. Zu dem Zweck war das Verhältniss der Widerstände w/w für eine Reihe bekannter Temperaturen bestimmt worden, wobei der Platindraht bis etwas über 200° erwärmt worden war. Ferner wurde das Verhältniss w/w, für den Beginn der Rothgluth im Dunkeln (etwas über 400°) und bei Tageslicht (ungefähr 520°) ermittelt und hieraus eine Curve construirt, in welcher die Temperaturen als Abscissen, die Widerstandsverhältnisse als Ordinaten dienten.

Genauere Bestimmungen der Temperatur sind hierbei nicht zu erwarten. Für den hier verfolgten Zweck genügt aber eine Schätzung derselben in der besprochenen Weise vollständig. Mit der beschriebenen Anordnung wird zunächst eine Versuchsreihe ausgeführt, bei welcher der Platindraht in ruhender Luft sich befindet. Für jede Stromstärke erreicht schnell die Temperatur desselben einen Grenzwerth. Die dann noch durch den Strom erzeugten Wärmemengen werden theils durch Strahlung, theils durch Leitung an die angrenzende Luft in Verbindung mit Convectionsströmen der erwärmten Luft abgegeben.

Bei weiteren Versuchsreihen werden Luftströme gegen den Draht gerichtet. Dieselben wurden durch einen electromagnetischen Ventilator von 1/4 Pferdekraft erzeugt. Die Stärke des Luftstromes hängt von der Rotationsgeschwindigkeit des Motors und diese von der Stärke des erregenden Stromes ab und konnte auf diese Weise in ziemlich weiten Grenzen verändert werden. Die Geschwindigkeit ist verschieden in verschiedener Entfernung von dem Motor. Sie wurde jedesmal an der Stelle, wo der Draht sich befand, mit Hülfe eines kleinen Fuess'schen Anemometers gemessen. Diesem Apparat ist eine Correctionstabelle beigegeben, nach welcher aus den Angaben des Zählerwerks die Windgeschwindigkeit entnommen werden konnte.

Sobald der Motor in Bewegung gesetzt wird, sinkt die Temperatur des Drahtes und wird bald bei gleichbleibender Stromintensität constant. Ihre Messung in der oben besprochenen Weise macht daher keine Schwierigkeit. Auch jetzt wird bei gleichbleibender Windgeschwindigkeit eine Ver

Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. 56.

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