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Ich möchte schliesslich nicht unerwähnt lassen, dass sich das in dem Vorstehenden beschriebene Instrument innerhalb gewisser Grenzen auch zur Messung constanter Ströme sehr wohl eignet. Bei Anwendung einer Torsionssaite von 0,2 mm Dicke und 10 cm Länge, welche zu den Wechselstrommessungen meist benutzt wurde, erhielt ich für einen Strom von 10-5 Amp. bei 2 m Scalenabstand nach der Poggendorf'schen Methode einen (einseitigen) Ausschlag von ca. 1,5 mm. Ströme in der Ordnung 2,10-7 Amp. waren beim Commutiren noch mit Sicherheit erkennbar; auch erwiesen sich die Ausschläge den Stromintensitäten proportional. Der Ausschlag selbst vollzieht sich in so kurzer Zeit, dass man selbst bei Elongationen von einigen Centimetern ohne besondere Aufmerksamkeit die Bewegung der Scala im Fernrohr nicht wahrnimmt.

Durch Anwendung dünnerer Stahlsaiten kann man infolge der Verringerung der Richtkraft des Systems die Empfindlichkeit des Instrumentes für constanten Strom noch erheblich steigern. Es empfiehlt sich dann, das System selbst permanent zu magnetisiren und statt der äusseren Wolframstahlmagnete weiche Eisenstücke oder Messingbügel zu verwenden, weil man in diesem Falle die Rollen dem Magnetsystem viel näher bringen kann, ohne dass es Gefahr läuft, in einen Zustand labilen Gleichgewichtes zu gerathen und an einen Electromagnetpol herangezogen zu werden. Durch Erfüllung dieser Vorschriften habe ich die Empfindlichkeit für constanten Strom leicht auf das zehnfache steigern können, doch geschah dies leider etwas auf Kosten der tadellosen Stabilität, und auch die Unabhängigkeit gegen magnetische Störungen erwies sich als nicht mehr ebenso vollkommen. Man wird sich daher für dieses Empfindlichkeitsbereich in den meisten Fällen vortheilhafter eines gewöhnlichen Spiegelgalvanometers bedienen oder des Vibrationsgalvanometers in der zuerst beschriebenen Form, indem man zugleich den zur Messung dienenden Strom mit Hülfe eines gleichmässig arbeitenden Interruptors periodisch unterbricht, der auf den Eigenton des Instrumentes abgestimmt ist.

Berlin, Physikal. Inst. der Universit. Juli 1895.

4. Ueber die Bewegung der Electricität in Lösungen und Metallen; von R. Reiff.

In einer Arbeit im 55. Bande dieser Annalen1) habe ich aus der v. Helmholtz'schen 2) Behandlung der Dispersion auch die allgemeineren Gleichungen für die Bewegung der Electricität in Dielectricis, die aus mehreren Molecülgattungen bestehen, abgeleitet. Es liegt nun nahe, diese Art der Behandlungsweise auszudehnen auf den Fall, dass einzelne dieser Molecülgattungen sich der Electricität gegenüber leitend verhalten und so die allgemeinen Gleichungen für die Bewegung der Ionen in Lösungen aufzustellen. Dabei ist aber dann zunächst die Frage zu behandeln, wodurch sich die electrolytisch dissociirten Molecüle vor nicht zerfallenen auszeichnen. Es wird sich zeigen, dass wir für dieselbe die Dielectricitätsconstante unendlich gross annehmen müssen. Hat man dann so einen für die Theorie der Electrolyse genügenden Satz von Gleichungen erhalten, so kommt man in Versuchung, die gewonnenen Resultate auch auf die Bewegung der Electricität in Leitern auszudehnen und man gelangt so zu einer Theorie der metallischen Leitung, welche mit derjenigen der electrolytischen in den wesentlichsten Theilen übereinstimmt. Es ist Geschmackssache, ob man diese Theorie gelten lassen will, da wohl schwerlich der experimentelle Beweis für dieselbe erbracht werden kann. Aber es ist immerhin der Mühe werth, die letzten Consequenzen aus den Gleichungen zu ziehen.

§ 1. Die Bedingung für die Dissociation der Dielectrica. Nach der Theorie, welche v. Helmholtz für die Bewegung der Electricität in einem bipolaren Dielectricum gegeben hat, rührt der electrische Polarisationsstrom im Dielectricum her von der relativen Bewegung der Atome gegen den Schwerpunkt

1) R. Reiff, Wied. Ann. 55. p. 82. 1895.

2) v. Helmholtz, Wied. Ann 48. p. 389. 1893.

der Molecüle. Ist a die Geschwindigkeit der Atome des Molecüls, so ist der Polarisationsstrom bestimmt durch die Gleichung

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wo die -Componente der Polarisation des Molecüls, o die absolute Dichte der wahren Electricität ist. 6/2 ist die Raumdichte der positiven Electricität, - 6/2 die Raumdichte der negativen Electricität. Die positiv geladenen Atome haben die Geschwindigkeit a, die negativ geladenen die Geschwindigkeit, es geht also die Menge

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durch die Flächeneinheit. Integrirt man die Gleichung (1), so erhält man bei constantem o

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wenn wir mit § die Verschiebung des Atoms aus der Ruhelage bezeichnen. Bezeichnet man weiter mit X, Y, 3 die Componenten der electrischen Polarisation des Aethers, so erhält man im Gleichgewichtszustand

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wo die Dielectricitätsconstante bedeutet.

Aus dieser Gleichung folgt, dass bei gegebener Dichtigkeit eine gegebene electrische Kraft eine um so grössere Verschiebung der Atome aus der Gleichgewichtslage hervorbringt, je grösser die Dielectricitätsconstante ist. Wird x=00 oder sehr gross, so entspricht also einer unendlich kleinen Kraft eine endliche Vergrösserung des Atomabstandes oder eine unendlich kleine Kraft wird hinreichen, um,,Dissociation" der Molecule zu bewirken. Eine Molecülgattung also, für welche x = ∞o ist, müssen wir als electrolytisch dissociirt ansehen oder wenigstens als derart beschaffen, dass eine unendlich kleine äussere electrische Kraft hinreicht, um Dissociation herbeizuführen.

Da wir nun wissen, dass im Wasser die Electrolyte dissociirt sind, so müssen wir für diese die Dielectricitätsconstante unendlich gross annehmen. Es folgt daraus, dass

die Dielectricitätsconstante x nicht allein von den Eigenschaften des Molecüls selbst abhängt, sondern wesentlich auch von den Eigenschaften der das Molecül umgebenden Molecülgattungen.

Die folgende Ueberlegung zeigt die Richtigkeit dieser Bemerkung. Es sei r der Abstand der Atome eines bipolaren Molecüls, so sind zwischen diesen beiden Atomen Kräfte wirksam, welche herrühren theils von der Einwirkung der Massen der Atome aufeinander, theils von der Einwirkung ihrer Ladungen aufeinander, theils auch von der Einwirkung der Ladungen auf die Massen. Weiter aber wirken auf die Atome die umgebenden Molecüle ein. Diese Molecularwirkung ist proportional der Dichtigkeit der umgebenden Massenvertheilung bez. proportional der wahren electrischen Dichtigkeit derselben; sie hängt weiter ab vom Atomabstand.

Bezeichnen wir mit f(r) den ersten Theil, die Atomkräfte, mit (r) o den zweiten Theil, die Molecularkräfte, so ist im Falle des Gleichgewichtes, wenn keine äusseren Kräfte wirken, (4) f(r) (r) σ = 0.

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Wirkt nun noch auf die Molecüle, deren Atome die Ladung e tragen, eine äussere electrische Kraft X, also auf + e die Kraft e X, auf e die Kraft eX, so wird der Atomabstand verändert und man hat den neuen Atomabstand zu berechnen aus:

(4a)

f(r1) (r1)σ = 2 eX.
— 9

Ist X so beschaffen, dass r1 wenig von r verschieden ist, so können wir nach (4) und (4a) schreiben:

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Nach Gleichung (3) ist aber die Verschiebung der Atome aus ihrer Gleichgewichtslage bestimmt durch

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2 § ist aber die Vergrösserung des Molecularabstandes und man erhält daher

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Diese Gleichung, welche also eine Beziehung zwischen Dichte und Dielectricitätsconstante darstellt, stimmt überein mit der Ketteler'schen1) Formel. (Die Clausius-Mossotti'sche Formel gibt für alle Körper A/B = }.)

Wir haben bisher angenommen, dass die Substanz nur eine Molecülgattung enthalte; befindet sich dagegen eine Molecülgattung (1) mit der Dichtigkeit σ, in einer Molecülgattung (2) mit der Dichtigkeit 6, und nehmen wir der Einfachheit halber an, dass die äusseren Molecularkräfte, welche auf (1) wirken, nur von der Gattung (2) herrühren, dass also die Molecülgattung (1) sich in sehr verdünntem Zustande befinde, so folgt wie bei Gleichung (4) als Bedingung des Gleichgewichtes

(9)

f1 (r) — 92 (r) σ2 = 0,
92 2

also bei Einwirkung einer electrischen Kraft X

(10)

dr (f'(r) - p2(r) 62) = 2 e X,
— 41⁄2(1) 02)

X12

und die Dielectricitätsconstante 12 des Molecüls (1) im Lösungsmittel (2) ergiebt sich aus

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212

wonach also wirklich die Dielectricitätsconstante 12 abhängt von den Eigenschaften des Molecüls (2).

Aus (10) erkennt man, dass die Atome des Molecüls (1) um ein endliches aus ihrer Gleichgewichtslage entfernt werden,

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zu setzen. Da σ, nicht 0, wenn auch sehr klein (bei grossen Verdünnungen) sein kann, so muss 12 gesetzt werden.

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Nehmen wir einmal an, man kenne die electrische Kraft, welche nothwendig ist, um ein Molecül zu dissociiren, oder besser, man kenne von der Substanz (1) die Dissociations

1) Ketteler, Wied. Ann. 33. p. 353. 1888.

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