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Wir haben in diesem Abschnitt vorausgesetzt, dass wir es mit binären gesättigten Molecülen zu thun haben. Unsere Gleichung (1) gilt aber, wie die Erfahrung an complicirteren Molecülen und Molecülcomplexen, gesättigten und ungesättigten, zeigt, allgemein. Wir stossen auf eine ähnliche Schwierigkeit wie die Electrolyse bei den ungesättigten Verbindungen. Hier wie sonst lässt sich dieselbe aber heben durch die Annahme, dass die Ionen das Vorzeichen ihrer Valenzladungen wechseln können oder wenigstens von einem Atom zum anderen verschieden haben. Es genügt also z. B. für CO anzunehmen, dass die zwei freien Valenzladungen des vierwerthigen C in dem einen Molecül positiv, in dem anderen negativ sind, wozu allerdings noch die weitere, nicht unwahrscheinliche Annahme kommt, dass die positiven und negativen Ladungen durchschnittlich gleich oft vorkommen, um so das Gas electrisch neutral zu machen. Im Hinblick auf die Annahme freier Ionen in Flüssigkeiten scheint hierin nichts Ungereimtes zu liegen.

Heilbronn, den 13. März 1895.

Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. 56.

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7. Messung der

Dielectricitätsconstanten verflüssigter Gase und die Mossotti-Clausius'sche Formel;

von F. Linde.
(Hierzu Taf. III Fig. 5-13.)

Die Dielectricitätsconstanten (D. C.) einer grossen Anzahl von Gasen und Dämpfen sind bekannt, besonders durch Messungen von Boltzmann 1), Klemenčič 2) und Lebedew 3). Die D. C. derselben Substanzen in flüssigem Zustand sind experimentell bestimmt fast bei allen denen, welche bei gewöhnlicher Temperatur und Atmosphärendruck flüssig sind. Die Mossotti-Clausius'sche Formel:

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wo K die D. C., d die Dichte, D die sogenannte Maximaldichte einer Substanz, gestattet die D. C. derselben für einen Aggregatzustand aus derjenigen in einem anderen Aggregatzustand zu berechnen. Für diejenigen Substanzen, bei welchen die D. C. in beiden Zuständen bekannt ist, hat Lebedew 1. c. den Gültigkeitsbereich der Formel besprochen. Er and sie geeignet 1. bei vielen Substanzen zu oben genannter Berechnung, 2. zur Berechnung der Veränderlichkeit der D. C. mit der Temperatur innerhalb eines Aggregatzustandes.

In der vorliegenden Arbeit ist die Lösung der Aufgabe versucht, durch Messung der D. C. einiger sehr flüchtiger Substanzen in flüssigem Zustande weiteres Material zur Prüfung obiger Formel zu liefern, und diese Prüfung dann durchzuführen.

Es kam zunächst die nur bei sehr schlechten Leitern anwendbare, von Schiller) angegebene Methode zur An

1) Boltzmann, Wien. Ber. 69. p. 795. 1874; Pogg. Ann. 155.

p. 403. 1875.

2) Klemenčič, Wien. Ber. 91. p. 712. 1885.
3) Lebedew, Wied. Ann. 44. p. 288. 1891.
4) Schiller, Pogg. Ann. 152. p. 535. 1874.

wendung, welche im wesentlichen in der Messung der Schwingungsdauer electrischer Schwingungen in einem ungeschlossenen Leiter besteht. Die Ergebnisse der dieser Methode zu Grunde liegenden Rechnung, wie sie Schiller durchgeführt hat, sind kurz folgende: Ist p der Selbstinductionscoefficient, w der Widerstand, e die electrostatische Capacität der ungeschlossenen secundären Spule eines Inductoriums, so treten in derselben beim Oeffnen des Primärstromes electrische Schwingungen auf, wenn:

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das natürliche logarithmische Decrement der Schwingungen bedeutet. Verbindet man das eine Ende der secundäre Spule mit einem Luftcondensator von der Capacität C, so geht T über in:

T1 = √p (c + C) (π2 + 22).

Tritt in demselben Condensator an die Stelle der Luft ein Dielectricum von der D. C. K, so wird die Schwingungsdauer:

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2

Isolirt das Dielectricum nicht vollkommen, so wird die Dämpfung grösser. Es muss dann T, auf die gleiche Dämpfung umgerechnet werden, wie sie für T1 und T gilt, oder es müssen alle drei Werthe der Schwingungsdauer durch Multiplication mit √1+22/72 auf die ohne Dämpfung geltenden reducirt werden.

Π

Das wichtigste der zur Messung der Schwingungsdauer nöthigen Instrumente ist der von Schiller 1. c. eingehend beschriebene Helmholtz'sche Pendelunterbrecher. Er besteht bekanntlich aus zwei Contacten, welche durch ein immer aus gleicher Höhe herabfallendes schweres Pendel aufgeschlagen werden können. Die Lage des einen ist fest, die des anderen ver

änderlich und kann durch eine Mikrometerschraube mit Trommeltheilung genau ermittelt werden. Die Verschiebung um einen Scalentheil der letzteren verändert die Zeit, welche zwischen dem Aufschlagen der Contacte verstreicht, um ungefähr ein Milliontel Secunde.

Die Messung der Schwingungsdauer geschieht in folgender Weise: Das eine Ende der secundären Spule eines Inductoriums ist durch den feststehenden Contact des Pendelunterbrechers mit dem einen Quadrantenpaare eines Electrometers verbunden, während das andere Ende der Spule und das zweite Quadrantenpaar zur Erde abgeleitet sind. Der primäre Strom ist durch den beweglichen Contact des Unterbrechers geschlossen, sodass die Zeitdifferenz zwischen dem Oeffnen des Primärstromes und dem Abtrennen des Electrometers von der secundären Spule beliebig variirt und genau gemessen werden kann. Man beobachtet die Umkehrpunkte der Schwingungen, d. h. diejenigen Stellungen des beweglichen Contactes, bei welchen die Ladung des Electrometers ihr Vorzeichen wechselt. Die Verschiebung zwischen zwei aufeinanderfolgenden Stellungen dieser Art ist dann die Schwingungsdauer, ausgedrückt in Scalentheilen der Trommel. Drei Werthe der Schwingungsdauer sind zu ermitteln: einmal, wenn nur Rolle und Electrometer den secundären Leiter bilden, sodann, wenn der Messcondensator mit Luft hinzugeschaltet ist, schliesslich, wenn derselbe mit der zu untersuchenden Flüssigkeit beschickt ist.

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Ausser dem Pendelunterbrecher, bezüglich dessen näherer Beschreibung ich auf Schiller's Arbeit verweise ich benutzte dasselbe Exemplar, wie Schiller waren erforderlich ein Inductorium, ein Electrometer und ein Messcondensator. Ersteres war ein gewöhnlicher Schlittenapparat. Das Electrometer, Mascart'scher Construction, hatte eine bifilar an einem Seidenfaden aufgehängte Nadel, welche durch Platindraht und concentrirte Schwefelsäure mit dem einen Pol einer Zamboni'schen Säule dauernd verbunden war. Der andere Pol der letzteren, sowie das eine Quadrantenpaar und das Gehäuse standen mit der Wasserleitung in Verbindung. Die Ablesung erfolgte mit Fernrohr, Spiegel und Scala aus ca. 3 m Entfernung. Bei dieser Anordnung verursachte die Ladung des isolirten Quadrantenpaares auf 1 Volt einen ersten

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Ausschlag von 200 Scalentheilen. Der Messcondensator war
von Hrn. Arons construirt, welcher ursprünglich die Messungen
selbst ausführen wollte, sie aber später, durch andere Arbeiten
verhindert, mir übertrug. Er besteht aus drei ineinander
gesteckten schmiedeeisernen Cylindern. Der innerste ist massiv,
6 cm dick, 20 cm lang und ist durch je 3 radiale Eisenstifte
an jedem Ende fest und leitend mit dem äussersten Cylinder
verbunden, welcher bei gleicher Länge 7,5 cm inneren, 8 cm
äusseren Durchmesser hat. Zwischen diesen ist durch Hart-
gummistückchen isolirt der mittlere Cylinder befestigt. Er
ist bei 6,4 cm innerem, 6,9 cm äusseren Durchmesser, 1,6 cm
kürzer, als die beiden anderen. Die Art der coaxialen Befestigung ·
geht aus den beiden Zeichnungen, Fig. 5 und 6, Maassstab 1:4,
hervor.

Dieser Apparat sitzt in einem schmiedeeisernen cylindrischen Gefäss, welches unten durch einen ebenen Boden verschlossen, oben mit einem Flansch zum Aufschrauben des Deckels versehen ist. Der Cylinder ist 25 cm lang und im Lichten 9 cm weit bei einer Wandstärke von 0,8 cm, während Flansch und Deckel einen Durchmesser von 20 cm, eine Dicke von 1,5 cm haben. Ersterer ist mit einer Nute, letzterer mit einem in diese passenden erhöhten Ring versehen, welche mit Hülfe eines in die Nute gelegten Bleiringes die Dichtung be

sorgen.

Der äusserste und innerste Cylinder des Condensators sind durch das Einsetzen in das zur Erde abgeleitete Gefäss ebenfalls abgeleitet. Der Sicherheit halber wird noch eine Feder aus blankem Kupferdraht zwischen den äusseren Cylinder und die Gefäss wand geklemmt. An den mittleren, isolirten Cylinder ist ein kurzer, dicker Kupferdraht angelöthet; ein Klemmschräubchen verbindet diesen mit einem dünnen Kupferdraht, welcher mit Siegellack in eine Glascapillare gekittet ist. Letztere ist in die Durchbohrung eines in der Gefässwand verschraubten und verlötheten Bolzens gesteckt und durch einen Gummiring, welcher sich an eine Verdickung am Ende der Capillare anlegt, gedichtet (vgl. Fig. 6). Hierdurch wird der Draht isolirt aus dem Gefäss heraus zu dem mit dem Electrometer verbundenen Ende der secundären Spule geführt.

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