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Hierin bedeuten k die Dämpfungsconstante und r = (2π/τ), wenn die Periode der gedämpften Schwingung ist. Bedeute noch 7' die Periode, welche dem Atom, im Falle es ohne Widerstand schwingen könnte, eigen wäre, und ist dabei p = (2π/T), so ergiebt sich

also

r2 = p2 — k2,

τ > Τ.

Das heisst, die dieser Schwingungszahl entsprechende Wellenlänge findet sich etwas gegen das rothe Ende des Spectrums verschoben.

Gedämpfte sinusartige Schwingungen, d. h. pendelartige Schwingungen mit veränderlicher Amplitude sollen kein homogenes Licht darstellen; deshalb zerlegt Lommel vermittelst des Fourier'schen Satzes diese gedämpfte Schwingung in ein unendliches Continuum von ungedämpften pendelartigen Schwingungen von allen möglichen Schwingungszahlen von +∞, und gelangt zum folgenden Ausdruck:

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∞ bis

Aus dieser Formel würde unmittelbar folgen, dass das von einem unter dem Einflusse eines Widerstandes schwingenden Körperatom ausgestrahlte Licht nicht mehr homogen ist, sondern durch das Prisma in ein continuirliches Spectrum ausgebreitet wird, welches sich von der der Hauptschwingungszahlr entsprechenden Stelle aus nach beiden Seiten hin um so weiter ausdehnt, je grösser der Widerstandscoefficient k ist.

Für den vollkommenen Gaszustand nimmt Lommel k =0 an, folglich muss das diesem Falle entsprechende Spectrum eine scharfe helle Linie enthalten. Mit wachsender Dichte des Gases soll k merklich werden, infolge dessen erleidet die helle Spectrallinie eine Verbreiterung nach der weniger brechbaren Seite hin.

Gegen die angeführte Theorie möchte ich folgende Einwände machen.

Um eine Verbreiterung der Spectrallinien unter der Einwirkung eines stärkeren Druckes zu erklären, ist man, wie Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. 56.

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gesagt, genöthigt anzunehmen, dass k mit wachsender Dichte ebenfalls wächst, dass also der Widerstand, welchen ein Körperatom bei seinen Bewegungen erfährt, grösser wird. Stellt man sich auf den Standpunkt der kinetischen Gastheorie, so wird man jedoch kaum sich vorstellen können, wie eine solche Einwirkung des Druckes stattfinden kann; man wird wohl eher geneigt sein anzunehmen, dass, wenn man den Fall beträchtlicher Verdichtungen ausschliesst, bei grösseren Drucken die Körperatome ebenso frei schwingen können, wie im ideellen Gaszustande, wenigstens so lange das Boyle-Mariotte'sche Gesetz seine Gültigkeit behält. Was weiter den Einfluss der Temperatur betrifft, so giebt die Lommel'sche Theorie dafür keine Erklärung.

Die ganze Theorie stützt sich auf die Bewegung der Körperatome selber. Nun müssen dieselben, um überhaupt Lichtschwingungen erregen zu können, nach der erwähnten Theorie ungeheuer rasche Schwingungen ausführen, was doch schwerlich mit dem Begriffe von der Trägheit der Materie sich vereinigen lässt. Diese Schwierigkeit ist jedoch leicht zu beseitigen: man dürfte nur annehmen, das nicht das Atom oder Molecül selbst, sondern etwas in ihnen schwingt, eine Ansicht, welche in der electromagnetischen Lichttheorie wohl vertreten wird.

Stellt man sich auf den Standpunkt der letzterwähnten Theorie, so wird man wohl erkennen, dass der Grundsatz Lommel's, nämlich dass Lichtschwingungen gedämpfte Sinusschwingungen sind, als vollständig richtig anzusehen ist, da ein electromagnetisches Schwingungssystem infolge der Strahlung unbedingt eine gewisse Dämpfung erfahren soll. Nun würde aber in diesem Falle eine Dämpfung eben so bei einem Gase im ideellen, wie auch im stark verdichteten Zustande stattfinden, was jedoch der Annahme, dass k für ideelle Gase gleich Null sei, offenbar widersprechen würde.

Ausserdem möchte ich auf die folgende Schwierigkeit aufmerksam machen. Jedes körperliche Atom würde nach der erwähnten Theorie, wenn es sich selbst überlassen bliebe, in der That eine gedämpfte Lichtschwingung aussenden. Denkt man sich aber ein Gas im thermischen Gleichgewicht, indem der Verlust an Energie infolge der Strahlung immer durch

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eine entsprechende Energiezufuhr ersetzt wird, was thatsächlich beim Leuchten der Gase in einer Geissler'schen Röhre stattfinden muss, so wird die Energie jedes einzelnen strahlenden Atoms im Mittel doch als constant anzunehmen; infolge dessen wird die Amplitude der Schwingung keine dauernde Schwächung erleiden können, d. h. die wahrnehmbare Strahlung müsste dieselben Eigenschaften besitzen, als ob sie wirklich von ungedämpften Schwingungen herstammte. Mit anderen Worten, beim thermischen Gleichgewicht müssen die Lichtschwingungen doch als ungedämpft betrachtet werden.

Wenn man

Weiter wäre noch folgendes zu bemerken. auch eine Dämpfung zugeben würde, so fragt es sich noch, ob die Zerlegung einer gedämpften Schwingung in eine unendliche Anzahl ungedämpfter nach dem Fourier'schen Satze eine wirkliche physikalische Bedeutung besitzt; möglicherweise ist das nur ein mathemathischer Kunstgriff, eine mathematische Umformung, welche man nicht weiter physikalisch interpretiren darf. Auf jedem Falle ist eine Zerlegung von an nicht gestattet, da negative Schwingungsperioden überhaupt keine physikalische Bedeutung haben können.1)

Zum Schlusse sei noch bemerkt, dass, obgleich die Lommel'sche Theorie unmittelbar auf eine Asymmetrie in der Verbreiterung der Spectrallinien führt, dieselbe doch, wegen des Einflusses der Dämpfungsconstante k auf die Schwingungsperiode 7, immer zu Gunsten der weniger brechbaren Seite des Spectrums ausfallen wird, eine Thatsache, welche, obgleich sie meistens zutrifft, doch nicht mit allen Beobachtungen in Uebereinstimmung steht. 2)

In jüngster Zeit hat Jaumann selbständig eine Theorie der Verbreiterung der Spectrallinien aufgestellt3), die jedoch in ihren Hauptzügen mit der Lommel'schen identisch ist. Die Grundannahme Jaumann's besteht darin, dass die Lichtemission unter starker Dämpfung erfolge. Diese gedämpfte Schwingung zerlegt er ebenfalls nach dem Fourier'schen Satze

1) Vgl. weiter unten Jaumann.

2) Vgl. Müller, Pogg. Ann. 150. p. 311. 1873; Ebert, Wied. Ann. 34. p. 68. 1888; Kayser, Wied. Ann. 42. p. 316. 1891; Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik. 4. Aufl. 2. p. 307 und andere.

3) Jaumann, Wied. Ann. 53. p. 832. 1894 und 54. p. 178. 1895.

in ein unendliches Continuum ungedämpfter Sinusschwingungen von veränderlicher Amplitude; ein wesentlicher Unterschied gegen die Lommel'sche Behandlungsweise besteht jedoch darin, dass Jaumann die erwähnte Zerlegung nur für positive Schwingungsperioden ausführt, was ohne Zweifel physikalisch viel mehr begründet ist. Folglich ist auch der Einwand, welchen Jaumann in dieser Beziehung gegen die Lommel'sche Theorie erhebt, völlig berechtigt. Nun wird aber bei dieser neuen Zerlegung das Maximum der Amplitude nicht mehr wie bei Lommel bei der Periode der gedämpften Schwingung liegen, sondern zwischen dieser und der Periode der ungedämpften Schwingung sich befinden.

Da diese Theorie ebenso wie die Lommel'sche sich unmittelbar auf die Grundannahme einer gedämpften Sinusschwingung stützt, so wären die Einwände, welche gegen die Lommel'sche Theorie erhoben sind, auch auf die Jaumann'sche Erklärungsweise sofort auszudehnen, freilich mit Ausnahme derjenigen Bemerkung, welche sich auf die Unzulässigkeit negativer Schwingungszahlen bezieht.

Zum Schlusse sei noch erwähnt, dass Jaumann den absoluten Werth der Dämpfungsconstante für einige Fälle berechnet hat und für dieselbe eine relativ sehr grosse Zahl findet. Die emittirten Lichtschwingungen würden also sehr rasch verklingen, was jedoch mit der Möglichkeit, Interferenzen bei grossen Gangunterschieden herzustellen, im Widerspruch stehen würde. Um ähnliche Schwierigkeiten zu beseitigen, ist Jaumann in der That genöthigt, eine besondere Excitationsursache zu betrachten, welcher er eine bestimmte Periode zuschreibt. Diese Hypothese steht in nahem Zusammenhang mit dem, was ich früher gesagt habe, nämlich, dass bei Herstellung des Gleichgewichtszustandes durch beständige Zufuhr von Energie die gedämpften Schwingungen doch als ungedämpft erscheinen werden; ein Verklingen derselben wäre folglich nicht zu befürchten und hohe Interferenzen doch völlig herstellbar.

Wir haben schon gesehen, dass eine Erklärung der Erscheinung der Verbreiterung der Spectrallinien, nämlich die, welche von Lippich herrührt, sich auf die Anwendung des Doppler-Fizeau'schen Princips stützt. Dieselben Ansichten

wurden auch von Lord Rayleigh1) und Pfaundler) vertreten. Nun hat sich Ebert3) die Aufgabe gestellt, die Resultate dieser Theorie mit den Beobachtungen zu vergleichen. Bedeute u die mittlere Geschwindigkeit der leuchtenden Gasmolecule, die Geschwindigkeit des Lichtes, so erkennt man leicht, dass die Breite b einer zur Wellenlänge λ gehörigen Spectrallinie sich unter Anwendung des Doppler-Fizeau'schen Princips durch folgende Formel darstellen lässt:

b = 21.

Diese Formel gibt einen unteren Werth für die Ausbreitung einer Spectrallinie, erstens, weil u die mittlere aus der kinetischen Gastheorie sich ergebende Geschwindigkeit der Molecule bedeutet, in der That aber auch grössere Geschwindigkeiten unter den Molecülen vorkommen werden; zweitens, weil die wechselseitige Einwirkung benachbarter Molecüle, die sich in ihrer gegenseitigen Wirkungssphäre befinden, bei diesen Betrachtungen vernachlässigt wird. Diese Wechselwirkung muss jedoch die Periode, welche jedem Theilchen im Freien zukommt, beeinflussen, abändern und folglich eine weitere Verbreiterung der Linien herbeiführen. Diese Bemerkung Ebert's ist von besonderer Wichtigkeit, und ich komme auf dieselbe bald wieder zurück. Ausserdem hat Ebert bei der Berechnung der Spectralbreiten für die Temperatur des leuchtenden Gases, von welcher u unmittelbar abhängt, relativ kleine Werthe genommen: so z. B. die Temperatur des leuchtenden Wasserstoffes einfach gleich 0° C. gesetzt.

Um näheren Aufschluss über die thatsächliche aus den Beobachtungen sich ergebende Breite einer Spectrallinie zu haben, hat Ebert die Methode der hohen Interferenzen angewandt. Bei Vergleichung der beobachteten und aus der Theorie berechneten Spectralbreiten ergiebt sich, dass obgleich nach dem Vorhergesagten die berechneten Breiten nur untere Grenzen darstellen sollten, dieselben doch viel grösser aus

1) Lord Rayleigh, Nature 8. p. 474, 1873.
2) Pfaundler, Wien. Ber. 76 (II). p. 852. 1877.
3) Ebert, Wied. Ann. 36. p. 466. 1889.

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