Page images
PDF
EPUB

bei der Bewegung derselben unter den herrschenden Druckund Temperaturverhältnissen überhaupt vorkommen kann. Da wir es hier mit einer grossen Anzahl von Malecülen zu thun haben, die fortwährend in ihre gegenseitige Wirkungssphäre treten und dieselbe verlassen, so können diese erzwungenen Schwingungen durch Superposition eine gewisse Intensität erlangen und wahrnehmbar sein, was eine Verbreiterung der entsprechenden Spectrallinie zur unmittelbaren Folge haben wird. Die Breite einer Spectrallinie ergiebt sich somit als eine nothwendige Folge der gegenseitigen Einwirkung der sich bewegenden Gasmolecule, wobei man bei diesen Betrachtungen von irgend welcher Dämpfung vollständig absehen kann.

Die hier dargestellte Theorie bietet nicht nur eine Erklärung für die Breite einer Spectrallinie, sondern sie gibt auch andere diese Erscheinung betreffende Thatsachen wieder.

Erstens, was eine Asymmetrie in der Verbreiterung der Spectrallinien betrifft, so sieht man leicht ein, dass im Allgemeinen infolge der Kleinheit von B im Vergleich zu A diejenigen erzwungenen Schwingungen, welche eine grössere Schwingungsdauer als τ haben, viel intensiver ausfallen werden, was zur Folge eine mehr hervortretende Verbreiterung der Spectrallinie im Allgemeinen nach dem weniger brechbaren Theil des Spectrums haben wird, was mit der Beobachtung in voller Uebereinstimmung steht. Es sind bekanntlich aber Ausnahmen vorhanden, wo eine Spectrallinie sich mehr nach der Seite der kleineren Wellen ausbreitet, welcher Fall von dieser Theorie ebenfalls berücksichtigt wird, da unter Umständen B grösser als 4 ausfallen kann.

In Bezug auf die Wirkung einer Temperaturerhöhung ergiebt sich ferner Folgendes. Je höher die Temperatur steigt, desto grösser wird die mittlere fortschreitende Geschwindigkeit der Molecule; bei constanter Dichte werden folglich auch die Molecüle öfters zusammentreffen, die Intensität des von den erzwungenen Schwingungen herrührenden Lichtes wird also zunehmen, und es wird ausserdem bei der höheren Temperatur auch die Energie der Strahlung grösser sein. Beide Ursachen begünstigen die wahrnehmbare Verbreiterung der Linien, denn die verschiedenen emittirten Schwingungen, welche theilweise sehr schwach sein können, nehmen jetzt an Helligkeit zu.

Ausserdem können noch bei grösseren Geschwindigkeiten die Molecule eventuell tiefer in ihre gegenseitigen Wirkungssphären hineingerathen, was schon eine directe Verbreiterung der Spectrallinien herbeiführen wird. Alle diese Folgerungen der Theorie stehen mit den Beobachtungsthatsachen in keinem Widerspruch.

Der Einfluss der Dichte ist nach dieser Theorie ebenfalls leicht vorauszusehen.

Denkt man sich um irgend ein Molecül des Gases eine Kugel vom Radius beschrieben, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein anderes Molecül in diese Kugel hineintritt, um desto grösser, je grösser der Radius ist; für sehr kleine r ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Entfernung zwischen zwei sich zusammentreffenden Molecülen unter r sinkt, ebenfalls sehr gering; da aber die Intensität in den verschiedenen Theilen einer ausgebreiteten Spectrallinie wesentlich davon abhängt, wie viel Molecule die zu diesen Theilen gehörigen Schwingungen aussenden, so muss die Helligkeit gegen die Ränder einer Spectrallinie allmählich abnehmen. Lässt man jetzt den Druck, welchem das Gas ausgesetzt ist, also die Dichte desselben grösser werden, so wird die Anzahl Molecule, welche bei ihren Bewegungen sich bis auf die Entfernung r nähern, also bestimmte Schwingungen aussenden, immer grösser werden; folglich müssen verschiedene Theile der Spectrallinie, welche früher unsichtbar waren, jetzt zum Vorschein kommen, was eine weitere Verbreiterung der Spectrallinie zur Folge haben wird in voller Uebereinstimmung mit den Beobachtungsthatsachen. Also je grösser die Dichte des Gases ist, desto breiter wird die entsprechende Spectrallinie.

Setzt man die Compression des Gases weiter fort, so können neue Erscheinungen hervortreten. Es können sich nämlich bei starken Compressionen Molecularcomplexe bilden, insbesondere bei niedrigen Temperaturen, welche das Zusammenballen der Molecüle begünstigen; auf jeden Fall wird durch Vermehrung der Dichte die Anzahl von Molecularcomplexen, welche höchst wahrscheinlich in grösserem oder geringerem Maasse immer in einem Gas vorhanden sind, jetzt in der Volumeneinheit des betrachteten Gases grösser werden. Nun muss aber, wenn zwei Molecüle sich zu einem Molecular

Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. 56.

7

complex vereinigt haben, ihre gegenseitige Entfernung recht klein sein, folglich müssen die erzwungenen Schwingungen in einem solchen Complex in recht bedeutender Weise von den Schwingungen im freien Zustand abweichen; es werden also ganz neue Linien auftreten können, welche von einer Veränderlichkeit der Molecüle selbst bedingt sind, eine Thatsache, welche nach Kayser und anderen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Entstehung des Bandenspectrums steht.

Setzt man die Compression noch weiter bis zu den äussersten Grenzen fort, so wird der mittlere Abstand benachbarter Molecule schon so klein, dass man die wechselseitige Einwirkung derselben nicht mehr vernachlässigen darf. Es müssen dann höchst complicirte Vorgänge stattfinden: die Molecule werden sich gegenseitig beeinflussen und massenhafte erzwungene Schwingungen hervorrufen; die Spectrallinien breiten sich dabei noch weiter aus, ausserdem werden neue Molecularcomplexe sich bilden und im Resultate scheint es, als ob im Spectrum alle Schwingungen vorhanden wären, d. h. wir bekommen ein continuirliches Spectrum. Nach dieser Auffassungsweise, welche freilich nichts neues enthält, muss also ein sehr stark comprimirtes Gas und aus denselben Gründen ein glühender fester Körper ein continuirliches Spectrum aussenden.

Wir sehen also, dass die verschiedenen Erfahrungsthatsachen bezüglich der Verbreiterung der Spectrallinien durch diese Theorie der molecularen Resonatoren in ganz befriedigender Weise wiedergegeben werden. 1)

Diese ganze Theorie muss jedoch offenbar nur gewissermaassen als eine erste Annäherung an die Wirklichkeit angesehen werden, da wir der Einfachheit wegen von vornherein vorausgesetzt haben, dass unser freier molecularer Resonator nur Schwingungen von einer einzigen Periode = 2л √ CL auszusenden vermag; in der That aber senden auch verdünnte Gase mehrere Linien aus. Diese Vereinfachung hat jedoch keine wesentliche Bedeutung, so dass sie die Allgemeinheit der hier dargelegten Betrachtungen kaum beeinträchtigt,2) da es uns hauptsächlich nur darauf ankam, die Erscheinung der

1) Man sehe auch Ebert, Wied. Ann. 34. p. 89 u. 90. 1888.
2) Vgl. Lommel, Wied. Ann. 3. p. 267. 1878.

Verbreiterung irgend einer, aber doch völlig bestimmten Spectrallinie und die diese Verbreiterung bedingenden Umstände theoretisch etwas näher zu verfolgen.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung lassen sich in folgender Weise zusammenfassen:

1. Von den verschiedenen zur Erklärung der Verbreiterung der Spectrallinien vorgeschlagenen Theorien ist die Moleculartheorie vorzuziehen, denn gegen die Theorien, welche sich auf das Doppler-Fizeau'sche Princip, auf die Kirchhoff'schen Gesetze und auf die Dämpfung der Strahlung stützen, können erhebliche Einwände gemacht werden.

2. Die Moleculartheorie gestattet eine Ausbildung auf electromagnetischer Grundlage (Theorie der molecularen Resonatoren).

3. Die Verbreiterung der Spectrallinien ist eine Folge der erzwungenen Schwingungen, welche bei dem Zusammentreffen der beweglichen Molecüle wachgerufen werden.

4. Die verschiedenen, auf die Verbreiterung der Spectrallinien sich beziehenden Thatsachen, wie: 1. die asymmetrische Verbreiterung der Linien, 2. der Einfluss der Temperatur und 3. der Einfluss des Druckes, lassen sich aus der angeführten Theorie unmittelbar folgern und zwar in voller Uebereinstimmung mit den Resultaten der directen Beobachtungen.

7. Gestalt und Gleichgewicht der Meereswellen; von Willy Wien.

Die folgenden Untersuchungen schliessen sich unmittelbar an die von Helmholtz gegebene Theorie1) von Wind und Wellen an. In den dort ausgeführten numerischen Rechnungen hatten sich Fehler gezeigt, so dass Helmholtz mir eine Prüfung dieser Zahlen auftrug. Es ergaben sich hierbei auch in den analytischen Entwickelungen einige Rechenfehler, welche die Ergebnisse in einzelnen Punkten veränderten. Diese Abweichungen von seinen Resultaten erkannte Helmholtz an, als ich ihm die Ergebnisse meiner Rechnungen vorlegte und er beabsichtigte in seinen gesammelten Abhandlungen einen berichtigenden Zusatz aufzunehmen, da der Druck der Abhandlung selbst bereits vollendet war. Diese Aufnahme. musste dann unterbleiben, als Helmholtz bald darauf erkrankte und sie nicht mehr selbst besorgen konnte.

Indessen bleibt die wesentliche Folgerung der Helmholtz'schen Untersuchung richtig, dass es Wellen gibt, die bei genügender Windstärke eine grössere Stabilität besitzen als die Strömung bei ebener Grenzfläche, denn wir können in der That Wellenformen finden, die einen geringeren Energievorrath besitzen, als bei ebener Grenzfläche vorhanden sein würde, wenn wir auf die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen Rücksicht nehmen.

Ausser den Entwickelungen, die zu diesen Schlüssen nothwendig sind, gebe ich noch diejenigen, welche die Abhängigkeit der Wellenformen von den Geschwindigkeiten der Luft und der Wellen und den Einfluss geringer Wassertiefe auf die Ausbildung der Wellen ergeben. Ein Theil dieser Untersuchungen ist bereits früher in etwas anderer Form veröffentlicht. 2) Nicht nur in der Frage nach den bei den Wasser

1) Helmholtz, Ueber atmosphärische Bewegungen. Sitzungsber. ́d. Berl. Akad. p. 761–780. 1889. Ges. Abh. 3. p. 309. Die Energie der Wogen und des Windes. Sitzungsber. d. Berl. Akad. p. 853-872. 1890. Ges. Abh. 3. p. 333.

2) Sitzungsber. d. Berl. Akad. 14. Juni 1894; 4. April 1895.

« ՆախորդըՇարունակել »