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unveränderlichen Bewegungskräften, welche nur von den räumlichen Verhältnissen abhängig sind.

Bewegung ist Aenderung der räumlichen Verhältnisse. Räumliche Verhältnisse sind nur möglich gegen abgegrenzte Raumgrössen, nicht gegen den unterschiedslosen leeren Raum. Bewegung kann deshalb in der Erfahrung nur vorkominen als Aenderung der räumlichen Verhältnisse wenigstens zweier materieller Körper gegen einander; Bewegungskraft, als ihre Ursache, also auch immer nur erschlossen werden für das Verhältniss mindestens zweier Körper gegen einander, sie ist also zu definiren als das Bestreben zweier Massen, ihre gegenseitige Lage zu wechseln. Die Kraft aber, welche zwei ganze Massen gegen einander ausüben, muss aufgelöst werden in die Kräfte aller ihrer Theile gegen einander; die Mechanik geht deshalb zurück auf die Kräfte der materiellen Puncte, d. h. der Puncle des mit Materie gefüllten Raums. Puncte haben aber keine räumliche Beziehung gegen einander als ihre Entfernung, denn die Richtung ihrer Verbindungslinie kann nur im Verhältniss gegen mindestens noch zwei andere Puncte bestimmt werden. Eine Bewegungskraft, welche sie gegen einander ausüben, kann deshalb auch nur Ursache zur Aenderung ihrer Entfernung sein, d. h. eine anziehende oder abstossende. Dies folgt auch sogleich aus dem Satz vom zureichenden Grunde. Die Kräfte, welche zwei Massen auf einander ausüben, müssen nothwendig ihrer Grösse und Richtung nach bestimmt sein, sobald die Lage der Massen vollständig gegeben ist. Durch zwei Puncte ist aber nur eine einzige Richtung vollständig gegeben, nämlich die ihrer Verbindungslinie; folglich müssen die Kräfte, welche sie gegen einander ausüben, nach dieser Linie gerichtet sein, und ihre Intensität kann nur von der Entfernung abhängen.

Es bestimmt sich also endlich die Aufgabe der physikalischen Naturwissenschaften dahin, die Naturerscheinungen zurückzuführen auf unveränderliche, anziehende und abstossende Kräfte, deren Intensität von der Entfernung abhängt. Die Lösbarkeit dieser Aufgabe ist zugleich die Bedingung der vollständigen Begreiflichkeit der Natur. Die rechnende Mechanik hat bis jetzt diese Beschränkung für den Begriff der Bewegungskraft nicht angenommen, einmal weil sie sich über den Ursprung ihrer Grundsätze nicht klar war, und dann, weil es ihr darauf ankommt, auch den Erfolg zusammengesetzter Bewegungskräfte berechnen zu können in solchen Fällen, wo die Auflösung derselben in einfache noch nicht gelungen ist. Doch gilt ein grosser Theil ihrer allgemeinen Principien der Bewegung zusammengesetzter Systeme von Massen nur für den Fall, dass dieselben durch unveränderliche anziehende oder abstossende Kräfte auf einander wirken; nämlich das Princip der virtuellen Geschwindigkeiten, das von der Erhaltung der Bewegung des Schwerpuncts, von der Erhaltung der Hauptrotationsebene und des Moments der Rotation freier Systeme, das von der Erhaltung der lebendigen Kraft. Für irdische Verhältnisse finden von diesen Principien hauptsächlich nur das erste und letzte Anwendung, weil sich die anderen nur auf vollkommen freie Systeme beziehen, das erste ist wieder, wie wir zeigen werden, ein specieller Fall des letzteren, welches deshalb als die allgemeinste und wichtigste Folgerung der gemachten Herleitung erscheint.

Die theoretische Naturwissenschaft wird daher, wenn sie nicht auf halbem Wege des Begreifens stehen bleiben will, ihre Ansichten mit der aufgestellten Forderung über die Natur der einfachen Kräfte und deren Folgerungen in

Einklang setzen müssen. Ihr Geschäft wird vollendet sein, wenn einmal die Zurückleitung der Erscheinungen auf einfache Kräfte vollendet ist, und zugleich nachgewiesen werden kann, dass die gegebene die einzig mögliche Zurückleitung sei, welche die Erscheinungen zulassen. Dann wäre dieselbe als die nothwendige Begriffsform der Naturauffassung erwiesen, es würde derselben alsdann also auch objective Wahrheit zuzuschreiben sein.

1.

Das Princip von der Erhaltung der lebendigen Kraft.

Wir gehen aus von der Annahme, dass es unmöglich sei, durch irgend eine Combination von Naturkörpern bewegende Kraft fortdauernd aus nichts zu erschaffen. Aus diesem Satze haben schon Carnot und Clapeyron *) eine Reihe theils bekannter, theils noch nicht experimentell nachgewiesener Gesetze über die specifische und latente Wärme der verschiedensten Naturkörper theoretisch hergeleitet. Zweck der vorliegenden Abhandlung ist es, ganz in derselben Weise das genannte Princip in allen Zweigen der Physik durchzuführen, theils um die Anwendbarkeit desselben nachzuweisen in allen denjenigen Fällen, wo die Gesetze der Erscheinungen schon hinreichend erforscht sind, theils um mit seiner Hülfe, unterstützt durch die vielfältige Analogie der bekannteren Fälle auf die Gesetze der bisher nicht

*) Poggendorff's Annalen LIX 446. 566.

vollständig untersuchten weiterzuschliessen, und dadurch dem Experiment einen Leitfaden an die Hand zu geben.

Das erwähnte Princip kann folgendermassen dargestellt werden: Denken wir uns ein System von Naturkörpern, welche in gewissen räumlichen Verhältnissen zu einander stehen, und unter dem Einfluss ihrer gegenseitigen Kräfte in Bewegung gerathen, bis sie in bestimmte andere Lagen gekommen sind: so können wir ihre gewonnenen Geschwindigkeiten als eine gewisse mechanische Arbeit betrachten, und in solche verwandeln. Wollen wir nun dieselben Kräfte zum zweiten Male wirksam werden lassen, um dieselbe Arbeit noch einmal zu gewinnen, so müssen wir die Körper auf irgend eine Weise in die anfänglichen Bedingungen durch Anwendung anderer uns zu Gebote stehender Kräfte zurückversetzen; wir werden dazu also eine gewisse Arbeitsgrösse der letzteren wieder verbrauchen. In diesem Falle fordert nun unser Princip, dass die Arbeitsgrösse, welche gewonnen wird, wenn die Körper des Systems aus der Anfangslage in die zweite, und verloren wird, wenn sie aus der zweiten in die erste übergehen, stets dieselbe sei, welches auch die Art, der Weg oder die Geschwindigkeit dieses Uebergangs sein mögen. Denn wäre dieselbe auf irgend einem Wege grösser als auf dem andern, so würden wir den ersteren zur Gewinnung der Arbeit benutzen können, den zweiten zur Zurückführung, zu welcher wir einen Theil der so eben gewonnenen Arbeit anwenden könnten, und würden so ins Unbestimmte mechanische Kraft gewinnen, ein perpetuum mobile gebaut haben, welches nicht nur sich selbst in Bewegung erhielte, sondern auch noch im Stande wäre, nach aussen Kraft abzugeben.

Suchen wir nach dem mathematischen Ausdruck dieses

Princips, so finden wir ihn in dem bekannten Gesetz von der Erhaltung der lebendigen Kraft. Die Arbeitsgrösse, welche gewonnen und verbraucht wird, kann bekanntlich ausgedrückt werden als ein auf eine bestimmte Höhe h gehobenes Gewicht m; sie ist dann mgh, wo g die Intensität der Schwerkraft. Um senkrecht frei in die Höhe h emporzusteigen braucht der Körper m die Geschwindigkeit v = √/2gh; und erlangt dieselbe wieder beim Herabfallen. Es ist also

mv2 = mgh; folglich kann die Hälfte des Products mv2, welches in der Mechanik bekanntlich „,die Quantität der lebendigen Kraft des Körpers m" genannt wird, auch an die Stelle des Maasses der Arbeitsgrösse gesetzt werden. Der besseren Uebereinstimmung wegen mit der jetzt gebräuchlichen Art, die Intensität der Kräfte zu messen, schlage ich vor, gleich die Grösse mo2 als Quantität der lebendigen Kraft zu bezeichnen, wodurch sie identisch wird mit dem Maasse der Arbeitsgrösse. Für die bisherige Anwendung des Begriffs der lebendigen Kraft, der nur auf das besprochene Princip beschränkt war, ist diese Abänderung ohne Bedeutung, während sie uns im Folgenden wesentliche Vortheile gewähren wird. Das Princip von der Erhaltung der lebendigen Kraft sagt nun bekanntlich aus: Wenn sich eine beliebige Zahl beweglicher Massenpuncte nur unter dem Einfluss solcher Kräfte bewegt, welche sie selbst gegen einander ausüben, oder welche gegen feste Centren gerichtet sind: so ist die Summe der lebendigen Kräfte aller zusammen genommen zu allen Zeitpuncten dieselbe, in welchen alle Puncte dieselben relativen Lagen gegen einander und gegen die etwa vorhandenen festen Centren einnehmen, wie auch ihre Bahnen und Geschwindigkeiten in der Zwischenzeit gewesen sein mögen. Denken wir die lebendigen

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