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ganze Luftsäule mitschwingen zu lassen und dadurch tiefe Töne zu erzeugen; dagegen traten diese sicher und viel stärker auf, wenn ich die Wand dadurch verdickte, dafs ich einen niedrigen Ring von Metall oder Kork über die Oeffnung legte. Besonders sicher entstanden diese tiefen Töne, wenn die Oeffnung des Ringes sich nach oben konisch erweiterte.

17. Um die Gränzen dieser Abhandlung nicht zu überschreiten, muss ich es mir versagen, auf diese Tonerzeugung noch genauer einzugehen; ich kann aber nicht unterlassen, von dem durch die vorangehende Untersuchung gewonnenen Standpunkte aus einige Blicke auf ein Paar längst bekannte akustische Erscheinungen zu werfen. Zunächst liefsen sich jetzt die Umstände genauer angeben, unter welchen der Druck des Windes in Gebäuden die bekannten pfeifenden und heulenden Töne erzeugt. Die mit dem doppelten Blasebalg und dem beschriebenen Apparat erzeugten Töne erinnerten auch oft, wenn der Druck der Luft allmälig gesteigert oder ermäfsigt wurde, an das Pfeifen und Heulen des Windes. Es würde aber eine müfsige Beschäftigung seyn, die Gestalt der Ritze und Spalten zu beschreiben, durch welche die eindringende Luft pfeifend hindurchgehen müsste. Ich begnüge mich daher blofs mit der Andeutung, dafs bei dem im Zimmer bemerkten Heulen des Windes die offenen Schlüssellöcher eine Hauptrolle spielen und dafs man mit Recht auf Verstärkung des Windes schliefst, wenn der durch ihn erzeugte Ton höher wird.

Von gröfserem Interesse ist die Betrachtung der pfeifenden Töne, welche man mit dem gespitzten Munde hervorbringen kann, das sogenannte Pfeifen mit dem Munde. Nach meiner Ansicht entstehen diese Töne nicht durch ein Erzittern der Lippen, sondern auf dieselbe Weise, wie in dem zuletzt beschriebenen Apparate. Die Röhre ist die Mundhöhle und die Ausflufsöffnung wird von den zusammengeprefsten Lippen gebildet. Die Geschicklichkeit im Pfeifen besteht darin, dafs man den Lippen die gehörige Stellung giebt, die Mundhöhle durch die Haltung der Zunge

zur Erzeugung der verschiedenen Töne gehörig verengt und erweitert und den Luftstrom init dem erforderlichen bald stärkeren bald schwächeren Drucke durch den von den Lippen gebildeten Kanal hindurchtreibt. Beobachtet man die Haltung, welche man zur Erzeugung der Pfeiftöne den Lippen geben mufs, genauer, so bemerkt man, dass der Musculus orbicularis oder Sphincter oris dabei so zusammengezogen wird, dafs die Lippen dadurch ordentlich steif und hart werden und dafs an ihnen nach der inneren Seite ein hart anzufüblender Rand hervortritt. Schon hierdurch dürfte der Einwand, dafs die Lippen zu weich sind, entkräftet werden; doch lehrt auch noch die Erfahrung, dafs obige Apparate ihren Ton noch sehr gut erzeugen, wenu die Platte, welche die Ausflussöffnung enthält, aus ziemlich weicher Substanz, wie Kork, Leder, Gutta - Percha oder Gummi elasticum besteht.

Dafs das Pfeifen mit dem Munde auf dieselbe Weise wie in jenen Apparaten entsteht, läfst sich auch vorzüglich aus dem ähnlichen Verhalten der erzeugten Töne schliessen. Man kann nämlich auch die Pfeiftöne mit dem Munde sowohl beim Ausstofsen als auch beim Einsaugen der Luft erzeugen. Ferner ist hier gleichfalls zur Erzeugung von höheren Tönen ein stärkerer unter gröfserem Drucke erzeugter Luftstrom erforderlich und endlich vergröfsert man durch Zurückziehen der Zunge den Raum der Mundhöhle, wenn man tiefere Töne erzeugen will, schiebt dagegen die Zunge nach vorn, wenn höhere Töne hervorgebracht werden sollen. Durch die gemeinschaftliche Anwendung dieser Mittel d. h. durch Anwendung eines stärkeren oder schwächeren Druckes beim Ausstofsen der Luft und durch Verengung und Erweiterung des Raumes im Munde, in welchem die Luft mitschwingt, ist man im Stande innerhalb zwei bis drei Octaven Töne von beliebiger Höhe hervorzubringen und rasch zu verändern. Die Gränze für die tiefen Töne ist durch die Gröfse der Mundhöhle von selbst gegeben, während sich der Umfang des Pfeifregisters nach obenhin durch Uebung eher erweitern läfst. Die mit dem Munde

hervorzubringenden Töne liegen etwa zwischen c2 und c3 bis d3.

Zum Schlufs bemerke ich noch, dafs die Resultate der vorstehenden Untersuchung auch über die Erzeugung der Töne in Labialpfeifen manche Aufklärung versprechen, denn einige hier auffallende und unerklärliche Erscheinungen treten auch bei den von mir untersuchten Tönen auf und dürften auf dieselbe Weise zu erklären seyn. Es ist beim Anblasen der Orgelpfeifen wie bei der Entstehung der hier untersuchten Töne wesentlich, dafs der Luftstrom gegen eine Kante stofse; die Stärke des Luftstromes hat in beiden Fällen denselben Einfluss. Setze ich eine Orgelpfeife mittelst einer von den oben erwähnten Blechfassungen auf den als Luftreservoir dienenden Glascylinder und blase dieselbe unter verschiedenem Luftdrucke an, so entstehen, aufser den Normaltönen und den durch Ueberblasen erhaltenen Flageolettönen, bei schwächerem Luftdrucke noch mehrere Reihen von Tönen, die den von mir untersuchten Tönen ähnlich sind. Der Abstand der Kante der Aufschnittsöffnung von der Ausflufsspalte hat bei den Labialpfeifen einen ähnlichen Einflufs wie die Plattendistanz bei meinem Apparate.

Ich muss mich, um die Gränzen dieser Abhandlung nicht zu überschreiten, mit diesen Andeutungen begnügen und werde bei einer anderen Gelegenheit auf diese Erscheinungen genauer eingehen.

IV. Erwiederung auf die Bemerkungen von Hrn. Clausius; von H. Helmholtz.

Herr Clausius greift in diesen Annalen Bd. LXXXIX,

S. 568 einige Stellen meiner Schrift über die Erhaltung der Kraft an. Bei dem ersten Punkte, den er behandelt, die Ableitung des Gesetzes der Wärmeentwickelung bei elektrischen Entladungen aus dem Principe von der Erhaltung der Kraft betreffend, ist seine Polemik durch ein vollständiges Mifsverständnifs dessen, was ich gemeint und ausgesprochen habe, bedingt.

Ich soll nämlich von der irrigen Ansicht ausgegangen seyn, das, was ich Potential einer Masse auf sich selbst genannt habe, sey gleich der gethanen Arbeit, während es doch in Wahrheit doppelt so grofs ist, und als Beleg dafür citirt Clausius auf S. 569 seines Aufsatzes eine Stelle aus S. 39 meiner Schrift so, als hätte ich diese Stelle allgemeingültig hingestellt, während ich ihr vielmehr besondere Annahmen vorausgeschickt habe, welche Bedingungen ihrer Gültigkeit sind. Wenn aber auch meine Worte in jener Stelle vielleicht einen Zweifel erregen konnten, so habe ich doch auf der folgenden Seite den auch von Clausius citirten mathematischen Ausdruck für die durch zwei elektrisirte Körper repräsentirte Arbeit gegeben, aus der meine Ansicht über diesen Punkt jedenfalls ganz unzweideutig zu entnehmen war. Man braucht nur den einen der beiden Körper als unendlich grofs und unendlich entfernt anzunehmen, so erhält man die Arbeit, welche der elektrischen Vertheilung in dem anderen Körper entspricht, gleich dem halben Potentiale seiner Elektricität auf sich selbst, also übereinstimmend mit Clausius gleich dem, was dieser ganzes Potential genannt hat. Ich habe diese Folgerung an jener Stelle nicht ausdrücklich ausgesprochen, weil wir es, streng genommen, nie mit einem elektrischen Körper allein zu thun haben, sondern stets minPoggendorff's Annal. Bd. XCI.

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destens mit zweien, von denen der zweite die Erde seyn kann. Doch findet sich die genannte Folgerung für ganz analoge Verhältnisse bei Magneten auf S. 63 meiner Schrift, wo ausdrücklich das halbe Potential eines Magneten auf sich selbst als Maafs der Arbeit anerkannt wird.

Meine Beweisführung geht nicht von einer falschen Annahme über das Arbeits-Aequivalent des genannten Potentials aus, sondern hat im Gegentheile den Zweck, diefs ArbeitsAequivalent erst zu finden. Bei einer Bewegung zweier elektrisirten Körper ohne Aenderung der Vertheilung ist, wie ich unmittelbar vorher gezeigt habe, der Gewinn an Arbeit der Differenz des Potentials der elektrischen Massen auf einander gleich. Jetzt musste auch der Arbeitsgewinn bei Aenderung der Vertheilung gefunden werden. Diefs geschah durch die Betrachtung eines Falls von Entladung, wobei ich die wirkende Elektricität so in vier elektrische Massen eintheilte, dass die Arbeit, welche bei der Entladung durch Vertheilungsänderungen dieser vier Massen entstand, gleich Null war, indem nämlich zwei von diesen vier Massen ihren Platz und ihre Vertheilung behielten, zwei andere von gleicher Gröfse und entgegengesetztem Zeichen beides vertauschten, wodurch offenbar keine Arbeit gewonnen oder verloren wird. Es wurde dadurch also ein Fall von Bewegung mit Vertheilungsänderung auf einen ohne Vertheilungsänderung zurückgeführt, und es konnte deshalb die gewonnene Arbeit gleich der Differenz der Potentialsumme gesetzt werden. Allerdings habe ich den Grund, warum letzteres geschehen konnte, dem Leser zu ergänzen überlassen. Wenn Herr Clausius meinen Beweis in diesem Sinne ansieht, wird er ihn, denke ich, richtig finden.

Zweitens nimmt Clausius Anstofs daran, dass ich eine von Vorsselman de Heer aus den Versuchen von Riefs gezogene Folgerung aufgenommen habe, welche eine unerlaubte Verallgemeinerung der durch die Versuche gewonnenen Resultate enthalte. Er hat nicht bemerkt, dafs ich dabei selbst auf den Aufsatz von Riefs verwiesen

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