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einer ausgedehnteren Arbeit beabsichtigt Hr. Baudrimont die Prüfung des Gesetzes, dafs die Schwingungsmengen elastischer Streifen (lames) sich umgekehrt wie die Quadrate der Länge verhalten.

Bei seinen Versuchen verglich er die successive Längen eines selben Streifens mit den Schwingungsmengen der verschiedenen Töne, welche der Streifen bei diesen Längen gab. So lieferte bei einer Versuchsreihe jeder der Streifen successive mehre Octaven des à der Orchester. Bei allen verschiedenartigen Streifen, welche Hr. Baudrimont untersuchte, wurden die Quadrate der vibrirenden Längen des Streifens unter sich und mit den Schwingungsmengen des a der verschiedenen Octaven verglichen, und dabei bestätigte sich das Gesetz der Proportionalität dieser Mengen mit den umgekehrten Quadraten der Längen nicht genau. Diese Quadrate nahmen rascher ab als die Schwingungsmengen zunahmen. Jedoch verringerten sich die Unterschiede zwischen den Resultaten der Theorie und denen der Erfahrung in dem Maafse als die Streifen dünner waren. Der Sinn, in welchem sich diese Abweichungen aussprechen, zeigt, dafs wenn man, wie es Hr. Baudrimont bei einer anderen Versuchsreihe gethan, den Streifen bei den Längen schwingen läfst, welche man von der Theorie zur Erlangung der successiven Octaven eines selben Tons vorgeschrieben werden, der Streifen immer einen weniger hohen Ton als den jeder Octave von ā giebt. Diefs Ergebniss zeigt, im Verein mit den übrigen, dafs der Streifen bei seinen successiv verschiedenen Längen weniger Schwingungen macht als es die Theorie verlangt.

Hr. Baudrimont hat auch gefunden, dafs das Gesetz der Dicken mangelhaft ist, d. h. dafs zwei Streifen von gleicher Natur und gleicher Länge nicht Schwingungsmengen geben, die sich genau wie die Dicken verhalten.

Was auch, bei diesen Untersuchungen, die Ursachen seyn mögen, welche die beobachteten Resultate von den Gesetzen der Theorie zu entfernen scheinen, so ist es son

derbar, dafs solche Abweichungen sich bei meinen Versuchen nicht zeigten, diese vielmehr eine fast strenge Bestätigung der beiden Gesetze ergaben. Bei so verschiedenen Resultaten habe ich mich gefragt, ob nicht das von mir angewandte Verfahren irgend eine Fehlerquelle mit sich führe, welche diese Schwingungsmenge der Stäbe verändere und so die Verringerung nahe compensire, welche diese Menge erleiden müsste, wenn das Gesetz der Längen mangelhaft wäre, wie es die Versuche des Hrn. Baudrimont anzudeuten scheinen. Obgleich es schwierig seyn mag, sich von der Beschleunigung Rechenschaft zu geben, welche, in dieser Voraussetzung, die Stahlstäbe bei meinen Versuchen hätten erleiden müssen, so tritt doch ein Umstand hinzu, der einen Einwurf gegen dieses Verfahren bilden könnte. Das ist der Widerstand, welchen der Stab, vermöge seiner raschen Rotation, in der Luft erleiden mufs, während er, wenn er in Ruhe vibrirt, keinen andern Widerstand seitens der Luft erleidet als den aus der Oscillationsgeschwindigkeit entspringenden. Dieser Widerstand hat aber keinen merklichen Einfluss auf die Dauer der Schwingungen, denn die Höhe des Tons, welchen der Streifen im letztern Falle giebt, bleibt dieselbe für jede Amplitude, obgleich deren Vergrösserung die Oscillationsgeschwindigkeit des Streifens in jedem Punkte seiner Ausbiegung erhöht.

Wenn der Stab durch die rasche Bewegung der Scheibe herumgeführt wird, so erleidet er seitens der, als unbeweglich gedachten, Luft einen steten Widerstand, der, in der Rotationsebene, winkelrecht gegen das Längen-Element der Oberfläche des Stabes liegt und in seiner Richtung der Rotation der Scheibe entgegengesetzt ist. Die Stärke dieses Drucks hängt ab von dem Abstand des Elements von der Rotationsaxe, von der absoluten Winkelgeschwindigkeit, welche die Summe oder Differenz der Rotations- und der Vibrations-Winkelgeschwindigkeit ist, und endlich von der Intensität des Drucks, ausgedrückt in Function der Geschwindigkeit. Angenommen dieser Druck sey proportio

nal dem Quadrat der Geschwindigkeit, bezeichne a den Abstand des Elements von der Rotationsaxe, e die Breite desselben oder den Durchmesser des Stabes, V die absolute Winkelgeschwindigkeit in irgend einen Augenblick einer Oscillation, und K einen von der Geschwindigkeit unabhängigen Coefficienten; dann hat der Druck auf das Flächen - Element ede zum Werth: Ke V2 x2 dx. Der totale Druck bei dieser Phase auf die Gesammtheit des gegen die Bewegung gerichteten Theils der Oberfläche des Stabes hat zum Ausdruck wo die Länge des Stabes,

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welche gleich ist der Summe der Längen da der Elemente, welche diesen Theil des Stabes bilden. Der Druck der Luft nimmt also mit der Länge des Stabes rasch zu.

Man beweist in der Mechanik, dafs bei kleinen Pendelschwingungen die Dauer einer aufsteigenden Halbschwingung um eben so viel durch den Widerstand der Luft verringert wird, als die Dauer der vorangehenden absteigenden Halbschwingung vergröfsert worden war, so dafs die ganze Schwingung in derselben Zeit erfolgt, wie wenn sie im Vacuo geschähe. Bei der doppelten Bewegung, der Oscillation und Rotation, des Stabes übt die Luft ihren Widerstand nicht unter denselben Umständen aus wie beim Pendel. Der aus der Rotationsgeschwindigkeit entspringende Theil des Luftdrucks wirkt offenbar im Sinn der Oscillation des Stabes, sobald diese, übrigens ihrer Natur nach isochrone, Oscillation im umgekehrten Sinn der Rotation geschieht, und andererseits der Oscillation entgegen, wenn diese rückgängig ist. Es ist auch zu bemerken, dafs der Widerstand der Luft den Stab aus seiner normalen Ruhelinie abzulenken sucht, so dafs, wenn der Stab eine Rotationsbewegung ohne Oscillationen besäfse, er von dieser Linie durch den Luftdruck in einem der Rotation entgegengesetzten Sinne abgelenkt werden würde.

Ein fernerer Unterschied zwischen dem Zustand des Pendels und dem des in doppelter Bewegung begriffenen Stabes besteht darin, dafs das Pendel, welches überdiefs

eine bedeutende Masse hat, in einem fast ruhenden Mittel oscillirt, während der Stab in eine Luftschicht getaucht ist, die, wegen ihrer Nähe an der Scheibe, mehr oder weniger Theil nehmen mufs an der raschen Rotation dieser letzteren.

Um allen Zweifel an dem Einflufs des Luftwiderstandes zu beseitigen, griff ich zum Versuch und variirte die Rotationsgeschwindigkeit zwischen sehr ausgedehnten Grän

zen.

Wenn, wie man voraussetzt, der Widerstand der Luft einen wahrnehmbaren Einfluss auf die Schwingungen des Stabes ausübt, so muss er sich dadurch verrathen, dafs die Anzahl derselben in einer gegebenen Zeit je nach der Rotationsgeschwindigkeit des Stabes eine verschiedene wird.

Um die Umstände für die störende Wirkung des Luftwiderstandes am günstigsten zu machen, wandte ich einen Stab von 1,91 Durchmesser an, der in seinem schwingenden Theil 0", 18 lang war, so dass er dem Luftwiderstand eine ziemlich ausgedehnte Fläche darbot. Bei jedem Versuch ist die Winkelgeschwindigkeit, wie gewöhnlich, ausgedrückt durch den Kreisbogen, den ein Punkt der Ebene der Scheibe im Abstand eines Meters von der Rotations_ axe innerhalb einer Sekunde beschreibt. Folgendes sind die Resultate von sechs Versuchen:

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Obgleich die Winkelgeschwindigkeit bei dem ersten Versuch fast doppelt so grofs ist als bei dem letzten, so sind doch die Schwingungsmengen pro Sekunde dieselben. Die geringen Unterschiede, die sich bei den übrigen Zahlen darbieten, müssen hauptsächlich den Beobachtungsfeh

lern zugeschrieben werden. Sie erklären sich, wenn man erwägt, dass, bei dem angewandten Verfahren, nur eine ganze Zahl von Schwingungen während einer Umdrehung der Scheibe gezählt werden kann. So zählte ich bei dem ersten Versuch acht Stabbilder und bei dem sechsten funfzehn. Wäre eine gebrochene Zahl von Schwingungen während der Dauer einer Rotation vollzogen, so würde man sie nicht haben wahrnehmen können, weil die erste Schwingung wieder am Punkt des Anschlags beginnt, gegen welchen das Ende des Stabes schlägt. Es ist auch zweckmäfsig die Rotationsgeschwindigkeit so einzurichten, dafs zwischen dem Stabbild am Anschlagspunkt und dem folgenden Bilde ein Winkel von gleicher Gröfse bleibt wie der zwischen dem letzten Bilde und dem Bilde am Anschlagspunkt, vor allem, wenn, bei einer Winkelgeschwindigkeit von 20 bis 30 Metern, diese Bilder weit aus einander liegen.

Da die Unterschiede, welche die bei den sechs Versuchen beobachteten Zahlen darbieten, in keinem bestimmten Sinn mit der Rotationsgeschwindigkeit des Stabes fortschreiten, so darf man aus diesen Versuchen schliefsen, dass, bei dem angewandten Verfahren, der aus der Rotation entspringende Widerstand der Luft in keiner merkbaren Weise auf die Schwingungsmengen elastischer Stäbe einwirkt..

Die Resultate des letzten Versuchs beweisen aufs Neue das Gesetz des Isochronismus der Schwingungen; denn bei jedem Versuch änderte sich nothwendig die Schwingungsweite mit der Stärke des Stofses, den der Stab vom Anschlagstück empfing; da nun aber diese Stärke zunahm mit der Rotationsgeschwindigkeit und dennoch die Anzahl der Schwingungen so gut wie gleich blieb, so ist, bei Gleichheit aller übrigen Umstände, die Dauer einer Schwingung unabhängig von ihrer Amplitude.

Nachdem der Zweifel wegen des Einflusses des Luftwiderstandes auf die Anzahl der Schwingungen des rotirenden Stabes gehoben ist, kann diese Ursache nicht mehr

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