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hervorragendes, buckel des schildes und bei Statius: grenzstein, ebenso fr. marquer vergleichen lassen. Allerdings müssen wir so das altfr. bonne, bousne etc. neuprov. bouino, welche offenbar auf mlat. bódina zurückleiten, von borne und it. borni (bei Dante Inf. 26, 14) zurückweisen, doch, sollte es nicht möglich sein, dass bis jetzt altfr. wörter mit der bdtg. grenze und der wurzel bor, bur uns bloss nicht bekannt oder ganz verloren gegangen sind? Vielleicht bildete man, zufrieden mit bonne, bousne etc. für „grenze,“ ein zweites wort derselben bdtg. aus der wurzel „bor“ für den schriftgebrauch gar nicht aus, sondern überliess ein solches wort der volkssprache, die es schliesslich, das altfranz. schriftwort verdrängend, dem neufranz. in borne und dem ital. in borni abgab. Man erwäge und richte!

2) trancher.

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Zu trancher sind zu stellen (s. D. I, 423) it. trinciare, sp. port. trinchar, cat. trinxar, pr. trencar, trinchar, pic. trinquer, altfr. trenchier, ferner wohl (nach D.) sic. trincari (steine loshauen), span. trincar (zerstücken), nfr. détrancher, prov. detrencar. Schon vielfach zu erklären versucht. Diez negirt einfach und weist ableitungen von truncare, transscindere, transsecare als formell unvereinbar zurück; für die herleitung vom dt. trennen gebricht es an dem vorhandensein einer ableitung: trennicare. Langensiepen stellt interimere, interimicare als mögliches etymon auf; näher nach D. liegt internecare (bei Prudentius: zu grunde richten), woraus prov. entrencar (lo cim, lat. culmum internecare) entstanden sein könnte. Schon die erzwungene weise, die anwendung der äussersten und letzten mittel der etymologie, die gewaltigen zusammenziehungen und verschneidungen, die in den meisten der angeführten wurzelwörter angewandt werden müssen, um zu dem resultat der obigen roman. wörter zu kommen, schrecken von der annahme einer derselben ab. Vielleicht gelingt es uns das etymon einfacher herzustellen. Ital. avanzare, sp. pr. avanzar, fr. avancer u. s. w. (vgl. Diez I, 27) sind zweifelsohne directe abkömmlinge einer (zusammengesetzten) praeposition: von ab-ante, it. avanti, ebenso devancer von devant aus de abante; (beiläufig bemerkt: wie wäre es damit, auch das ital. andare, pg. sp andar, cat. prov. anar, fr. aller etc. (s. D. I, 22), welche wortgruppe nach mannigfachen versuchen anderer, Diez mit Muratori auf ein lat. aditare verweist, auch als ausläufer dieser praepositionellen wurzel (ante, od. ad-ante) zu betrachten? vgl.

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auch Littré, hist. de 1. langue fr. I, 39 ff.). Gestützt auf dieses analogon möchte Scheler dict. étym. das franz. percer von der praep. per oder vielmehr von per-s (mit adverbialem s) herleiten, obwohl man sich dieser, an sich nicht verwerflichen conjectur (die Scheler selbst als une modeste conjecture betrachtet wissen will) verschliessen müssen, wird zu gunsten der von D. s. v. pertugiare hergestellten (nach Sch. un peu hardie) von pertusiare von pertusus, pertundere, die zwar nur durch starke contraction zu percer zu gelangen vermag, doch den stärksten zeugen die geschichte (des wortes) für sich hat. - Unter vorausstellung der analogie von avancer, devancer möchten wir den blick der etymologen für die vorliegende wortgruppe auf das goth. thairh (durch; gadh. trvinth, cymr. trwy) richten, wovon das subst. thairko (loch, oehr), (ags. thyr, ahd. derha, durchel) stammt. Doch nicht unmittelbar die goth. praep. thairh wollen wir den romanischen wörtern als wurzel unterbreiten, sondern eine verbalableitung von dem aus jener praep. entstandenen oder ihr radical verwandten subst. thairko, nämlich ein goth. thairkjan (vgl. augjan von augo, bondvjan von bandvo, wathjan aus watho), dessen dagewesensein wir wohl vermuthen können: wie sollte uns auch in den wenigen goth. fragmenten, die wir haben, der ganze goth. wortschatz vorliegen?! Aus diesem conjicirten verbum thairkjan konnte sich durch transposition des r (thraikjan, oder nun thrikjan?, vgl. das celt.) und durch nasalirung unsrer meinung nach jene romanische wörtergruppe der form nach sehr wohl heranbilden; und die bedeutung durchlöchern führt, meinen wir, auch unschwer zu der des durchhauens, trennens.

Felix Atzler.

Beurtheilungen und kurze Anzeigen.

Goethe's Egmont und Schiller's Wallenstein. Eine Parallele der Dichter von F. Th. Bratranek, Stuttgart. Cotta. 1862. 278 S. gr. 8.

Der Verfasser, der nach der Ortsunterschrift der an seinen „Freund Walther von Goethe" gerichteten Dedication: „Freihof Finsterwald bei Kremsier," wie nach dem Klange seines Namens ein Mähre zu sein scheint, veröffentlicht unter dem obigen Titel eine Studie, von der wir es nicht überflüssig halten, zumal da dieselbe noch wenig bekannt geworden zu sein scheint, auch nach so geraumer Zeit noch eine detaillirtere Notiz zu geben. Wird auch demjenigen, der eine genauere Bekanntschaft mit der hier in Betracht kommenden Goethe- und Schillerliteratur besitzt, eben nicht viel Neues geboten, so ist es doch immerhin erfreulich, dem wohlüberlegten, klaren Gedankengange des Verfassers zu folgen, und wenn es überhaupt etwas Woh!thuendes hat, zu sehen, dass eine recht eingehende Betrachtung der Werke unserer grössten Dichter auch der jüngeren Generation noch immer moglich und zu dieser gehört offenbar der Verfasser vorliegender Abhandlung, wenn gleich auch er schon „Reminiscenzen an bessere, wenigstens illusionsreichere Tage" besitzt, so nimmt man mit noch um so grösserem Interesse Theil an dem, was unter der Herrschaft des Concordats, und gewiss nicht unter begünstigenden äusseren Verhältnissen von einem nichtdeutschen Verehrer unserer Dichterheroen zu Tage gefördert worden ist.

Wir erwähnen nur deshalb, dass der Verfasser verständiger Weise auf die längst beseitigte Frage, ob Schiller oder Goethe grösser sei, sich nicht einlässt, weil er, indirect wenigstens, die Bemerkung hinwirft: es sei das ebenso, wie man heute vielleicht darüber streiten wollte, ob Oesterreich, ob Preussen natürlich in geistiger Beziehung grösser sei, oder höher stehe. Angesichts dessen, was die neuesten Zeitläufte zur Erscheinung ge bracht haben, bekommt die Frage eine gar zu sonderbare Farbung. Der Verf. geht aber im Ernst darauf aus, die beiden Dichter, wie es Schiller in einem Briefe an W. von Humboldt von einer kommenden Generation erwartete, zu „specificiren; ihre Arten einander nicht unterzuordnen, soudern unter einem höheren, idealischen Gattungsbegriff einander zu coordiniren.“ Das erste leistet er; das letztere konnte freilich nur in einer systematisch durchgeführten Aesthetik oder Poetik vollständig geleistet werden. Verf. aber giebt doch reichliche Andeutungen zur Lösung auch dieser Aufgabe.

Der

Die bisher aufgestellten charakteristischen Unterschiede beider Dichter genügen dem Verfasser nicht. Man sagt: die Natur sei Goethe's Domane, die Geschichte Schiller's eigenster Geisteskampfplatz: man sagt: Goethe sei ein objectiver, Schiller ein subjectiver Dichter; Goethe sei Realist, Schiller

Idealist; alles das sind, wie der Verfasser nachweist, nur halbwahre Bestimmungen, und es wäre so schwer nicht, auch das Umgekehrte in allen diesen Beziehungen geltend zu machen. Der Verf. will nun die wesentlichen Unterschiede beider Dichtercharaktere an zwei von ihren Werken nachweisen, und wählt dazu von Goethe den Egmont, von Schiller den Wallenstein, welche beiden Dramen er als Selbstbekenntnisse des Dichters betrachtet. Das Gemeinsame beider Poesien ist, dass an heiden die Dichter in derselben Periode ihres Lebens, und zwar grade in der Entwicklungs- und Consolidirungszeit des Mannescharakters, Goethe am Egmont vom sechsundzwanzigsten bis zum achtunddreissigsten (1775-1787), Schiller am Wallenstein vom achtundzwanzigsten bis zum beinah vierzigsten Lebensjahre (1787 -1799) gearbeitet haben. Ferner arbeitet Goethe immer dann am Egmont, wenn er aus einer Unentschiedenheit seiner innern oder äussern Lebensverhaltnisse sich zur Selbstbethätigung seines innersten Wesens aufrafft, wofür eben die Epochen seiner Uebersiedlung nach Weimar, später der Ueberwindung der Weimarer Genieperiode, und endlich der definitiven Hingabe an die Dichtkunst, mit Beendigung jedes Schwankens nach dem Gebiet der bildenden Künste hin auf der italienischen Reise entschieden sind. Und ebenso fallen die Zeiten, in welchen Schiller sich seit dem Don Carlos mit dramatischen Arbeiten, wenn auch nur vorerst mittelst Gedankenconcipirung, beschäftigte, init Entscheidung sepochen seiner Lebensrichtung zusammen. Zuerst das Jahr 1790, die Reise nach Erfurt, Erholung von der Krankheit, die seiner kaum in rechten Zug gekommenen Lehrthätigkeit beinah ein Ende machte, und vor Allem die durch seine Heirath begründete häusliche Existenz erfüllen ihn mit neuem Lebensmuth und erwecken in ihm die alte Vorliebe für dramatische Arbeiten. Die Bekanntschaft mit Goethe, die Arbeit an den Horen, der Abschluss seiner philosophischen Studien, die Xenien, bieten die Momente, um den Dichter zu einer neuen Stufe der Selbststandigkeit emporzuheben, und damit zugleich ihn zur Poesie zurückzuführen. Die Selbstentscheidung wird endlich entschieden bethätigt durch den Abschluss des Wallenstein.

Wenn nun beide Dichter immer dann an den beiden Dramen arbeiten, wenn sie aus einem Zustande innerer Schwankungen zu bestimmter Entscheidung über ihr inneres Leben und über den eigenthümlichen Grund desselben gekommen sind, so erklärt sich daraus, dass sie in beiden Dramen Helden als dem Untergange verfallend darstellen, die eben nicht zur SelbstEntscheidung gelangen können, die an der Unentschiedenheit ihres Wesens 20 Grunde gehen. Es wäre eben den Dichtern auch so wie ihren Helden gegangen, wenn sie sich nicht zur Selbstbethätigung ihres Wesens aufgerafft hatten. Der Verf. weist nun sowohl aus den Dramen, wie aus den sonstigen Aeusserungen der Dichter nach, wie diese Selbstentscheidung sich bei Schiller und Goethe verschieden gestaltet, und welche Gedankenreihen durch solche Betrachtungen entschlossen werden, lässt sich schon aus der einfachen Angabe der Resultate, zu denen er auf seinem Wege kommt, erkennen. Goethe muss seine Neigung zur bildenden Kunst überwinden, Schiller seine Vorliebe zur Philosophie, um ganz Dichter zu sein. Goethe arbeitet sich überall zum Urphänomen hindurch, Schiller zum Gesetz. Goethe erkennt als eine dunkle Lebensmacht das Dämonische an (in ganz eigenthümlicher von dem Verf. gut auseinandergesetzter Bedeutung, Schiller das Schicksal. Goethe gelangt endlich zur Selbstentscheidung durch stetiges Erleben, Schiller durch gründliches Erwägen. Der Erlebende aber muss dem Dämonischen, der Erwägende dem Schicksal unterliegen, wenn er nicht Thatkraft und den Muth zur Selbstentscheidung besitzt. So unterliegen Egmont und Wallenstein; Goethe und Schiller aber nicht, weil sie Thatkraft und den Muth der Selbstentscheidung besitzen. Beide befreien sich durch ihre Dichtungen von einem, ihrem innersten Wesen Verderben dro

henden Zustand.

Die aesthetische Analyse, auf welche der Verfasser eingeht, ergiebt ihm nun das Resultat, dass beide Dramen keineswegs als vollendete Tragödien anzusehen sind. Im Egmont überwiegt das Lyrische, im Wallenstein das Epische; das eigentlich Dramatische erscheint in keiner der beiden Tragödien rein durchgeführt. Auch dieser Abschnitt enthält der interessanten Bemerkungen genug, man könnte eine ziemlich vollständige Aesthetik der Tragödie daraus entwickeln. Manche Bemerkung reizt zum Widerspruch, der sich indess doch mehr gegen die zuweilen etwas zu abstracte Form, als gegen den in derselben enthaltenen Gedanken richtet. Einen guten Schluss des ganzen Buches gewährt die Bemerkung, dass Shakspeare mit seinem Hamlet den Egmont und Wallenstein übertroffen hat. Denn Hamlet erscheint nicht bloss um seines Inhalts, sondern auch um seiner Formvollendung willen als die Tragödie der Unentschiedenheit im eminentesten Sinne, und erst wenn man darthut (wie der Verf. es freilich in sehr abstracten Terminis vollbringt), dass darin die reichste dramatische Technik beschlossen und das Princip des passiven Egoismus zu seiner gründlichsten Entfaltung gebracht ist, fühlt man sich gerechtfertigt, Goethe's und Schiller's Unentschiedenheitsdramen die Unübertrefflichkeit abgesprochen zu haben."

Wir glauben durch das gegebene Referat hinlänglich dargethan zu haben, dass das Buch von Bratranek zu den interessanteren und erfreulichen Erscheinungen auf dem Gebiete der Goethe- und Schillerliteratur gehört: es wird keinem Verehrer unserer Dichter gereuen, demselben eine genauere Durchsicht gewidmet zu haben. Unangenehm fällt zuweilen die etwas ungenirte Ausdruckweise auf. Doch steht die Bemerkung über Brackenburg: „er ist zwar ein Waschlappen, wie man ihn kaum im Küchendienste verwenden möchte," ganz vereinzelt da. Merkel.

Goethe in den Jahren 1771 bis 1775. Von Bernhard Rudolf Abeken. Zweite Auflage. Hannover, Carl Rümpler, 1865. Dies nunmehr in zweiter Auflage vorliegende Buch ist nicht weniger wegen seines reichen Inhalts als ganz besonders wegen der ächt menschlichen und sittlichen Gesinnung, die sich in der Behandlung dieses Inhalts darlegt, eine erfreuliche und wohlthuende Erscheinung. Solche Gesinnung aber findet nun auch in der Freude, die sie selbst an dem dargestellten Gegenstande hat und die sie in Anderen an demselben hervorzurufen versteht, ihren schönsten, befriedigenden Lohn. Dies bewährt sich auch bei diesem Buche. Wir meinen dies aber so. Wenn so viele, sonst gebildete Menschen deswegen zu einem reinen Genuss der Schönheit eines Kunstwerks nicht gelangen, weil sie bei Betrachtung desselben vor Allem die Fehler desselben aufsuchen und glauben, durch das Hervorheben derselben ihre Verstandesschärfe, ihr kritisches Talent, ihre Kennerschaft dokumentiren zu müssen, so spricht sich in diesem Verfahren eine mehr oder weniger egoistische, also unsittliche Richtung des Innern aus, und dies unsittliche Verfahren rächt sich dadurch, dass eben der ächte Genuss und die rechte Freude an dem dargebotenen Vortrefflichen verloren geht. Es gehört ein viel feiner gebildetes, sittliches Gefühl dazu, um den entgegengesetzten Weg einzuschlagen, vor Allem die Schönheiten eines Kunstwerkes aufzufassen, über diese sich klar zu werden und sie anzuerkennen, und dieser Weg allein führt zu einem reinen Genuss und zur Freude an dem, was der Künstler producirt hat oder produciren wollte. Auch bei der Betrachtung der Werke der Natur, auch bei der Betrachtung eines Menschendaseins macht sich dieses Gesetz geltend; es bewährt sich auch durch das vorliegende Buch. Mit inniger und liebenswürdiger Pietät versenkt sich der Verfasser in die Voll

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