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sich die Zunge dem Winde entgegen nach der Windlade zu bewegt, oder wenn sie sich mit ihm gegen das Ansatzrohr bewegt. Die ersteren nenne ich einschlagende Zungen, die letzteren ausschlagende. Die Zungen der Clarinette, Oboe, des Fagotts, der Zungenwerke der Orgel sind alle einschlagende Zungen. Die menschlichen Lippen in den Blechinstrumenten repräsentiren dagegen ausschlagende Zungen. Die von mir gebrauchten Kautschukzungen kann man einschlagend und ausschlagend stellen.

Die Gesetze für die Tonhöhe der Zungenpfeifen ergeben sich vollständig, wenn man die Bewegung der Zunge unter dem Einflusse des periodisch wechselnden Luftdruckes im Ansatzrohr und Windrohr bestimmt, und berücksichtigt, dass das Maximum des Ausströmens der Luftmenge nur erreicht werden kann, wenn die von der Zunge gedeckte Oeffnung ihre grösste Weite erreicht hat.

1) Zungen mit cylindrischem Ansatzrohr ohne Windrohr. Die Zunge wird betrachtet als ein Körper, der durch elastische Kräfte in seine Gewichtslage zurückgeführt wird, und durch den, wie der Sinus der Zeit periodisch wechselnden, Druck im Ansatzrohre wieder daraus entfernt wird. Die Bewegungsgleichungen 1) zeigen, dass der Augenblick stärksten Druckes in der Tiefe des Ansatzrohres fallen muss zwischen eine grösste Elongation der Zunge nach aussen, die ihm voraufgeht, und eine grösste Elongation nach innen, welche nachfolgt, und wenn man sich die Schwingungsdauer gleich der Peripherie eines Kreises in 360 Grade abgetheilt denkt, ist der Winkel ɛ, um welchen das Maximum des Druckes nach dem Durchgange der Zunge durch ihre Mittellage eintritt, gegeben durch die Gleichung:

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wo L die Wellenlänge des Tones der freien Zunge in der Luft bezeichnet, 2 die des wirklich eingetretenen Tones und 3 eine Constante ist, welche bei Zungen von leichtem Material 323

1) Aehnlich zu behandeln wie Seebeck's Theorie des Mittönens. Repertorium der Physik. VIII. 60-64.

und grösserer Reibung grösser ist als bei schwerem nnd vollkommen elastischem Material. Der Winkel ist zu nehmen zwischen 90° und + 90o.

In derselben Weise muss nun bestimmt werden die Zeit, um welche der grösste Druck in der Tiefe des Ansatzrohres abweicht von der grössten Geschwindigkeit, welche letztere wieder zusammenfallen muss mit derjenigen Stellung der Zunge, wo die Oeffnung am weitesten ist. Die Berechnung dieser Grösse ergiebt sich aus meinen Untersuchungen über die Luftbewegung im Innern eines offenen cylindrischen Rohres. 1) Das Maximum der nach der Oeffnung gerichteten Geschwindigkeit geht dem Maximum des Druckes voraus um einen Winkel 8 (die Schwingungsdauer als Peripherie eines Kreises betrachtet), der gegeben ist durch die Gleichung:

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worin den Querschnitt, die Länge des Ansatzrohres bezeichnet und a eine von der Form der Oeffnung abhängige Constante, welche bei cylindrischen Röhren vom Radius o ist, gleich /4 o ist. Der Winkel & ist wieder zwischen - 90° und 90° zu nehmen.

Da nun Luft in das Ende des Ansatzrohres nur eintreten kann, wenn die Zunge geöffnet ist, so muss bei einschlagenden Zungen das Maximum der nach aussen gerichteten Strömungsmenge der Luft zusammenfallen mit der grössten Elongation der Zunge nach innen; es muss also sein:

ε = 8+ 90°

und sowie müssen negativ sein.

Bei ausschlagenden Zungen dagegen muss das Maximum der Luftausströmung zusammenfallen mit der grössten Elongation der Zunge nach aussen, es muss sein:

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bei der die Zungen beziehlich einschlagen oder ausschlagen müssen, je nachdem die auf beiden Seiten der Gleichung 1 stehenden Grössen positiv oder negativ ausfallen.

Da Q und sehr kleine Grössen sind, kann sin [47 (l+a)/2] nur in dem Falle einen erheblichen Werth annehmen, wenn 22-L2 sehr klein ist, also der Ton der Pfeife dem der freien Zunge nahe kommt, wie das bei den metallenen Zungen meist der Fall ist. Wenn aber der Unterschied beider Töne - L gross ist, muss im Gegentheil sin [47 (l + a)/2] sehr klein sein, also nahehin :

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worin a eine beliebige ganze Zahl bezeichnet.

Der Druckwechsel in der Tiefe des Ansatzrohres ist nun proportional sin [2π (l + a) /λ], also ein Maximum, wenn:

und ein Minimum, wenn:

1+ a = 2a

1+ a = (2a + 1) 4

Im ersten Fall ist die Kraft des Luftdruckes nicht ausreichend, um die Zunge zu bewegen, im zweiten Falle genügt sie bei nicht zu schweren und widerstehenden Zungen. Daher sprechen gut an die Töne, bei welchen nahehin:

1 + a = (2a + 1) —

bei denen also die Luftsäule des Ansatzrohres wie die einer gedackten Pfeife schwingt. Gleichzeitig sieht man, dass diese Töne fast unabhängig sind von der eigenen Tonhöhe der Zunge.

Von dieser Art sind die Töne der Clarinette; auch mem- 325 branöse einschlagende Kautschukzungen an Glasröhren bis zu 16 Fuss Länge sprechen leicht an, und lassen verschiedene Obertöne hervorbringen, die der Gleichung 1 gut entsprechen. Ausschlagende Zungen müssen sehr tief gestimmt sein, um reine

Töne des Rohres zu geben, daher die menschlichen Lippen dazu geeignet sind, in denen die elastischen Faserzüge mit einer grossen Masse wässerigen unelastischen Gewebes belastet sind. Cylindrische Glasröhren können leicht wie Trompeten angeblasen werden und geben die Töne einer gedackten Pfeife. Von diesen sind die höheren, in denen die Differenz L2- ¿2 gross ist, fest anzugeben, und rein gestimmt, die unteren dagegen nicht ganz unabhängig vom Werthe von L, d. h. der Spannung und Dicke der Lippen, daher unsicher und veränderlich.

2) Zungen mit kegelförmigem Ansatzrohr ohne Windrohr. Es findet ein sehr merkwürdiger Unterschied statt zwischen cylindrischen und kegelförmigen Ansatzröhren. Die Luftbewegung im Innern der letzteren lässt sich nach denselben Grundsätzen bestimmen, welche ich für die cylindrischen Röhren gebraucht habe, indem man innerhalb des Rohres das Potential der Luftbewegung setzt gleich:

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worin

der Abstand eines beliebigen Punktes von der Spitze des Kegels ist, R der Werth von r für die weite Mündung der Röhre. Man erhält, wenn man B/A vernachlässigt:

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worin r auf den Ort der Zunge zu beziehen ist. Auch hier ist zu setzen:

cotang tang ɛ.
& = -

Es interessiren uns hier hauptsächlich die von dem Zungen326 ton stark abweichenden Töne der Pfeife, für welche also (L2) gross, tang & daher ebenfalls sehr gross ist, und tang sehr klein. Für diese muss also entweder nahehin sein:

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was aber keine Töne giebt, weil hierbei der Druckwechsel in der Tiefe des Ansatzrohres zu schwach ist, oder:

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Diess ist die Gleichung für die kräftig ansprechenden höheren Töne der Röhre.

Ich gebe hier folgend die Reihe der aus Gleichung 2 berechneten Töne für eine kegelförmige Röhre aus Zink, welche folgende Maasse hatte:

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Durchmesser der Oeffnungen 5,5 und 0,7 ctm.
Reducirte Länge +a, berechnet 124,77 ctm.

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Die Töne vom 2 ten bis 9 ten konnten beobachtet werden, und fanden sich vollständig übereinstimmend mit der Rechnung. Man sieht aus den beiden letzten Rubriken, dass die hohen Töne sich fast genau denen einer gedackten Pfeife anschliessen, deren Länge der reducirten Länge der Röhre 124,7 gleich ist; die tieferen schliessen sich näher an die einer offenen Pfeife, 327 deren Länge bis zur Spitze des Kegels reichte. Die reducirte Länge einer solchen wäre Ra = 142,6 ctm. Gewöhnlich werden die Töne der Blechinstrumente den Tönen einer offenen Pfeife gleich gesetzt, aber die oberen sind verhältnissmässig zu tief gegen die unteren, in unserem Falle um mehr als einen halben Ton. Bei den Trompeten und Hörnern wird dieser Fehler vielleicht einigermassen durch den Schallbecher an der Mündung corrigirt. Bei den Posaunen helfen die Auszüge nach.

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