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griffen, welcher behauptete, dass die Definition zu eng sei, und dass die Empfindung eines einzigen Tons auch durch Luft- 282 bewegungen hervorgerufen werden könnte, welche beträchtlich von der Form der einfachen pendelartigen Schwingung abwichen. Ich kann hier nicht auf eine vollständige Widerlegung der Einwürfe von Seebeck eingehen, und behalte mir vor bei einer anderen Gelegenheit darauf zurückzukommen. Ich bemerke nur, dass seine Einwürfe wesentlich auf der Schwierigkeit beruhen, die man in vielen Fällen findet, die höheren Töne wahrzunehmen. In der That muss man hier wie bei allen Sinneswahrnehmungen zweierlei von einander trennen, nämlich die unmittelbare körperliche Empfindung des Hörnerven, und die Vorstellung, welche in Folge davon durch psychische Processe entsteht, und in welcher auf das Vorhandensein eines bestimmten tönenden Körpers geschlossen wird. In der unmittelbaren Empfindung werden allerdings die einzelnen vorhandenen einfachen Töne bei gehörig angespannter Aufmerksamkeit immer von einander getrennt, während sie in der Vorstellung zusammenfliessen in den sinnlichen Eindruck, den der Ton eines bestimmten tönenden Körpers auf unser Ohr macht, und es gehört meist eine künstliche Unterstützung der Aufmerksamkeit dazu, um die einzelnen Elemente der zusammengesetzten Empfindung voneinander zu scheiden, ebenso wie es z. B. besondere Beobachtungsmethoden erfordert, um sich zu überzeugen, dass die Anschauung der Körperlichkeit eines betrachteten Gegenstandes auf der Verschmelzung zweier verschiedener Bilder desselben in beiden Augen beruhe.

Ich habe deshalb auch früher schon vorgeschlagen, die ganze zusammengesetzte Empfindung, wie sie die von einem einzelnen tönenden Körper ausgehende Luftbewegung erregt, mit dem Namen Klang zu bezeichnen, den Namen des Tons aber zu beschränken auf die einfache Empfindung, wie sie durch eine einfache pendelartige Luftbewegung hervorgebracht wird. Die Empfindung eines Klanges ist demnach in der Regel aus der Empfindung mehrerer einfacher Töne zusammengesetzt. Lässt man Alles, was Seebeck in dem Streite mit Ohm behauptet hat, vom Klange gelten, und was Ohm be- 283 hauptet hat, vom Tone, so sind beide ausgezeichnete Akustiker

mit ihren Behauptungen im Rechte, und beide Behauptungen können ungestört neben einander bestehen.

Diese Bezeichnung wollen wir im Folgenden beibehalten, und dabei festsetzen, dass unter Tonhöhe eines Klanges die Höhe des tiefsten darin enthaltenen einfachen Tones von nSchwingungen, seines Grundtones oder ersten Tones verstanden werde, während wir die übrigen als Obertöne bezeichDen Ton von 2nSchwingungen, die höhere Octave des vorigen bezeichne ich als zweiten Ton, den von 3n Schwingungen als dritten Ton u. s. w.

Ich bin nun daran gegangen die Consequenzen des Ohmschen Satzes für die Lehre von der Klangfarbe zu untersuchen, und danke der Gnade Sr. Maj. des Königs von Bayern die Geldmittel zur Anschaffung der Apparate für diese Untersuchung. In physikalischer Beziehung war man längst zu der Erkenntniss gelangt, dass dem, was unser Ohr als verschiedene Klangfarbe unterscheidet, die verschiedene Form der Luftwellen innerhalb jeder einzelnen Schwingungsperiode entspreche; aber freilich beruhte dieser Satz nur darauf, dass keine andere Möglichkeit übrig blieb, die Verschiedenheiten der Klangfarbe zu erklären, und bedurfte noch der experimentellen Bestätigung, die durch meine Versuche nun gegeben werden kann. In physiologischer Beziehung liess sich aus Ohm's Satze noch eine weitere Consequenz ziehen.

Da nämlich alle Schwingungen, die nicht der einfachen pendelartigen Bewegung entsprechen, in der Empfindung des Ohres zerlegt werden in eine gewisse Zahl einfacher Töne, so müssen Klänge von verschiedener Klangfarbe und gleicher Höhe des Grundtons für das Ohr durch verschiedene Stärke der harmonischen Obertöne verschieden sein. Wenn wir nun absehen von der verschiedenen Weise, wie die Klänge verschiedener Instrumente und Stimmen anheben oder ausklingen, ferner von den mancherlei sausenden, kratzenden, knarrenden, unregelmässigen Geräuschen, welche viele davon begleiten, und 284 die nicht eigentlich zu dem musikalischen Theile des Tones zu rechnen sind, und den Theil der Klangfarbe, der eben nicht von den genannten Nebenumständen abhängt, die musikalische Klangfarbe des Tons nennen, so war die aufzu

stellende Frage: Unterscheidet sich die musikalische Klangfarbe nur durch die verschiedene Stärke der darin enthaltenden Nebentöne?

Denkt man eine Wellenform aus den in ihr enthaltenen einfachen Wellen zusammengesetzt, so kommt es nicht nur darauf an, dass die letzteren die richtige Schwingungsweite haben, sondern auch darauf, dass die Phasenunterschiede zwischen ihnen und dem Grundtone richtig gewählt werden. Wir bekommen ganz verschiedene Wellenformen, wenn wir die Welle eines Grundtones und seiner ersten höheren Octave zusammensetzen, je nachdem wir das Verdichtungs-Maximum des Grundtones mit dem der Octave zusammenfallen lassen, oder etwa mit dem Verdichtungsminimum der Octave oder mit irgend einer dazwischen liegenden Phase der Octave, und es concentrirte sich nun jene Frage in folgende speciellere Form: Beruht die Unterscheidung der musikalischen Klangfarbe nur in der Empfindung von Obertönen verschiedener Stärke, oder unterscheidet das Ohr auch die Phasenunterschiede?

Die Entscheidung dieser Frage wurde am einfachsten gewonnen, wenn man geradezu versuchte Töne verschiedener Klangfarbe durch directe Zusammensetzung einfacher Töne, wie man sie durch Stimmgabeln erzeugen kann, herzustellen. Als eines der passendsten Objecte der Nachahmung boten sich die verschiedenen Vocale der menschlichen Sprache dar, weil diese als gleichmässig anhaltende musikalische Töne hervorgebracht und ziemlich, wenn auch nicht ganz frei von unmusikalischen Geräuschen gehalten werden können.

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Mein Apparat besteht aus einer Reihe von 8 Stimmgabeln, die dem B (in der tiefsten Octave der Männerstimmen), und seinen harmonischen Obertönen bis zum b, (in den höchsten Soprantönen) entsprechen, nämlich den Tönen B, b, f1, b1, da, ƒ1⁄2, as, und b2. Jede Stimmgabel ist zwischen den Schenkeln 285 eines kleinen hufeisenförmig gebogenen Elektromagneten befestigt, und mit einer abgestimmten Resonanzröhre verbunden. Die Oeffnungen der Resonanzröhren sind mit beweglichen Deckeln versehen, welche durch Fäden, deren Enden an einer kleinen Claviatur befestigt sind, fortgezogen werden können. Die Stimmgabeln werden in Bewegung gesetzt durch intermittirende elektrische

Helmholtz, wissensch. Abhandlungen.

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Ströme, die nach dem Princip des Neef'schen Hammers erzeugt werden, und deren Zahl in der Secunde gleich ist der Schwingungszahl der tiefsten Gabel, nämlich 112. Die Einrichtungen sind so getroffen, ich hatte dabei mit ziemlich bedeutenden Schwierigkeiten zu kämpfen dass man, nachdem der Apparat in Gang gesetzt ist, kaum ein leises Summen von den Gabeln hört, so lange die Resonanzröhren alle geschlossen sind; sobald man aber mittels der Claviatur eine oder einige der Resonanzröhren öffnet, treten die betreffenden Töne kräftig hervor. Die Stärke der Töne, welche man angeben will, kann man leicht reguliren, indem man die betreffenden Röhren mehr oder weniger vollständig öffnet.

Ich verfuhr nun so, dass ich erst die zwei tiefsten Töne allein combinirte, dann den dritten und allmählig immer mehrere hinzunahm, und die entstandenen Klänge mit der Stimme nachzuahmen suchte. So lernte ich allmählig die verschiedenen Vocalklänge mehr oder weniger vollständig nachbilden, und zwar ziemlich gut und deutlich U, O, Oe, E, etwas weniger gut J, Ue, bei welchen das Sausen der Luft in der Mundhöhle, auf dessen verschiedenen Charakter bei den Vocalen Donders aufmerksam gemacht hat, verhältnissmässig am lautesten ist, und weniger gut auch A und Ae, weil bei diesen eine sehr grosse Anzahl von Tönen zusammenwirken muss, die sich nicht alle einzeln so vollständig in ihrer Stärke beherrschen lassen, ja beim A sogar noch eine Reihe höherer Töne hinzutreten müsste, für welche ich keine Gabeln mehr hatte.

Ueberhaupt ist zu bemerken, dass die mittels Stimmgabeln 286 zusammengesetzten Vocaltöne den gesungenen Tönen der menschlichen Stimme ähnlicher waren als den gesprochenen. Bei dem trockenen Klange der gewöhnlichen Sprache wählt man eine andere Art der Intonation, wobei der Grundton viel schwächer zum Vorschein kommt, als die höheren Nebentöne und die Geräusche; dadurch eben aber werden die Unterschiede der Klangfarbe viel deutlicher als beim Singen, wo der Grundton stärker hervortritt, und die Nebentöne mehr bedeckt. Am ähnlichsten sind die künstlich zusammengesetzten Vocale denen, welche auf einem Claviere nachklingen, wenn man einen der Vocale stark hineinsingt.

Im einzelnen waren meine Resultate nun folgende:

Der einfache Grundton hat verglichen mit den zusammengesetzten Klängen die Klangfarbe des U. Noch etwas deutlicher wird der Vocal, wenn der Grundton ganz schwach vom dritten Tone begleitet wird.

Das O entsteht, wenn der Grundton kräftig von der höheren Octave begleitet wird. Eine ganz schwache Begleitung durch den dritten und vierten Ton ist vortheilhaft aber nicht nothwendig.

Das E wird namentlich durch den dritten Ton charakterisirt, bei mässiger Stärke des zweiten. Schwach kann man auch den vierten und fünften mitklingen lassen.

Der Uebergang von O zu E geschieht also dadurch, dass man den zweiten Ton abnehmen, den dritten anschwellen lässt, giebt man beide genannte Nebentöne stark an, so entsteht Oe.

Ue entsteht durch den Grundton der in mässiger Stärke von dem dritten Tone begleitet ist.

Bei J muss man den Grundton schwächen, den zweiten verhältnissmässig zum Grundton stark, den dritten ganz schwach, aber den vierten, der für diesen Vocal charakteristisch ist, stark angeben, den fünften dazu in mässiger Stärke gesellen. Man kann ohne wesentliche Aenderung des Charakters übrigens die schwachen Töne, den dritten und fünften, auch weglassen.

Bei A und Ae dagegen sind es die höheren Nebentöne, welche charakteristisch werden. Man kann den zweiten Ton 287 ganz weglassen, den dritten schwach angeben, dann aber die höheren Töne hervortreten lassen, soweit es die Stärke der Gabeltöne erlaubt, die aber für diese höchsten Töne überhaupt bei der angegebenen Erregungsweise gering ist. Beim Ae kommt es namentlich auf den vierten und fünften Ton an, beim A auf den fünften bis siebenten. Wenn man bei A den dritten Ton ganz weglässt, bekommt es einen nasalen Klang.

Uebrigens muss ich bemerken, dass die angegebenen Verhältnisse zwischen Grundton und Obertönen zunächst nur zu beziehen sind auf die Tonhöhe meiner Gabeln. Der Grundton B entspricht etwa der Tonhöhe, in welcher mässig tiefe Männerstimmen zu sprechen pflegen. Ich habe meine Untersuchungen über die Vocale in höheren Tonlagen noch nicht

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