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fehlen, zeigen die Versuche von Faraday1) über das oft minutenlange Ansteigen der Kraft in grossen Elektromagneten, welche längere Zeit geruht haben.

Ueber die Schnelligkeit der Inductionsvorgänge im Momente einer plötzlichen Unterbrechung der Stromleitung geben uns die physiologischen Wirkungen in noch anderer Weise Anhaltspunkte. Es fliesse in einer Spirale ein Strom von der Intensität J, ihr Potential gegen eine andere Spirale sei Q, deren Widerstand W und Potential auf sich selbst P; so wird durch die Unterbrechung des Stromes der ersten in der zweiten ein Inductionsstrom erzeugt, dessen Grösse JQ/W ist. Von dem Augenblicke an, wo die Kraft des inducirenden Stromes 537 vollständig geschwunden ist, bestimmt sich der Verlauf des inducirten Stromes nach den oben entwickelten Principien durch die Gleichung:

[blocks in formation]

wo C die Integrationsconstante ist. Da nach den eben berichteten Versuchen die Zeit der unmittelbaren Nachwirkung des inducirenden Stromes gegen die Dauer des inducirten verschwindet, können wir im Integral des Stromes die jener ersteren angehörenden Stromtheile vernachlässigen. Darnach ist:

[blocks in formation]

Diese Gleichung sagt aus, dass im Augenblicke der Unterbrechung des inducirenden Stromes, wo t = 0, die Intensität des inducirten plötzlich auf den Werth JQ/P steigt, und dann allmählig sinkt. Ersteres wird nun in Ersteres wird nun in Wirklichkeit nicht

1) Exper. Res. 2170, 2332, 2650.

absolut plötzlich geschehen, aber doch jedenfalls mit einer Schnelligkeit, welche die des Sinkens bei weitem übertrifft. Daraus folgt, dass auch die physiologische Wirkung dieser Ströme, welche desto grösser zu sein pflegt, je schneller die Stromesschwankung, hauptsächlich von dem ansteigenden Theile herrührt. Man kann sich davon leicht überzeugen, wenn man mittels der Wippe die Leitung zum menschlichen Körper möglichst schnell nach der Unterbrechung des inducirenden Stromes unterbricht. Die physiologische Wirkung wird dadurch nicht im geringsten geschwächt, und hört bei immer grösserer 338 Verminderung der elektromagnetisch zu messenden Zwischenzeit von erster Schliessung und zweiter Lösung erst dann auf, wenn diese der Zwischenzeit der zweiten Schliessung und zweiten Lösung gleich geworden ist, wenn also beide Schliessungen und beide Lösungen gleichzeitig erfolgen. Es zeigt sich auch hier wieder, dass die Wippe nicht schnell genug unterbrechen kann, um die Unterbrechung während des Ansteigens des Stromes auszuführen.

Die physiologische Wirkung verräth uns aber noch andere Eigenthümlichkeiten der ansteigenden Phase des Stromes. Sie ist nämlich an Stärke verschieden bei verschiedenen Oeffnungsweisen. Unterbricht man den Strom dadurch, dass man einen amalgamirten Draht aus Quecksilber langsam aushebt, so ist die Wirkung am schwächsten, bei schnellerem Ausheben wird sie stärker, beträchtlich stärker aber, wenn man zwischen festen Metallen unterbricht. Bei passender Regulirung der Stromstärke kann die erstere Wirkung fast unmerklich, die letztere sehr empfindlich sein. Daraus müssen wir wohl schliessen, dass die Dauer der Ansteigung des inducirten Stromes, also die Dauer der inducirenden Kraft, wesentlich von der Zeit abhängt, während welcher sich die Metalle an der Unterbrechungsstelle von einander lösen. Dies geschieht wegen der Ueberführung glühender Metalltheile, welche den Funken bilden, stets nur allmählig, niemals absolut plötzlich, und wahrscheinlich bei lockeren Metallen, deren Theile leicht von einander gerissen werden, also namentlich bei Quecksilber, langsamer als bei festen. Daraus erklärt sich dann leicht der Unterschied in der physiologischen Wirkung. Fände dagegen eine beträchtliche Nachwirkung statt,

so würde das Ansteigen des inducirten Stromes hauptsächlich von dieser und viel weniger von der Funkendauer abhängen.

Ganz dieselben Versuche können mit einer Spirale angestellt werden, in deren Nebenleitung der menschliche Körper den Extracurrent empfängt, wobei letztere unmittelbar nach der Unterbrechung der Leitung zur Batterie ebenfalls unterbrochen 539 wird. Man findet denselben Erfolg, dieselben Unterschiede bei verschiedenen Oeffnungsweisen und kann darauf dieselben Schlussfolgen bauen.

Schliesslich mache ich noch darauf aufmerksam, dass die hier besprochenen Verzögerungen des Anfanges und Endes der elektrischen Ströme bei den Versuchen über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit derselben von dem grössten Einflusse sein müssen, was bisher nicht gehörig beachtet worden ist. Die dabei gebrauchten Leitungen enthalten stets grosse Spiralen, zum Theil selbst Elektromagnete, und haben wegen der unvollkommenen Isolation der Telegraphendrähte stets Nebenleitungen, in denen sich auch bei der Oeffnung der Hauptleitung Extracurrents bilden können. Da nun Anfang und Ende des Hauptstromes dadurch sehr verschieden verzögert werden, je nachdem kleinere oder grössere Drahtlängen (Widerstände) eingeschaltet sind, so müssen wahrscheinlich sämmtliche bis jetzt gewonnenen Resultate der Art beträchtlichen Correctionen unterliegen, über deren Grösse und Sinn bei den mangelhaften bisher veröffentlichten Beschreibungen der Versuche man aber noch kein Urtheil bilden kann. Die ersten von Walker1) angestellten Versuche sind vielleicht ganz illusorisch, weil die Extracurrents gerade dieselben Wirkungen hervorbringen konnten, welche der Fortpflanzungszeit der Elektricität zugeschrieben sind.

Es sind dabei die zeichnenden Telegraphen von Morse benutzt, deren Zeichenstift so lange auf einem bewegten Papierstreifen zeichnet, als der Strom kreiset. Wird dieser an irgend einer Stelle unterbrochen, so entfernen sich augenblicklich die zeichnenden Spitzen auf sämmtlichen Stationen von dem Papier.

1) Schuhmacher's Astron. Nachrichten Nr. 679. Astronomical Journal (Cambridge, America) Nr. 7.

Da nun den Extracurrents der Elektromagnete desto mehr Nebenleitungen zu Gebote stehen, je weiter sie von der Unterbrechungsstelle entfernt sind, so schwindet auch ihr Magnetismus und heben sich die Zeichenstifte in demselben Verhält540 nísse später, ohne dass die Fortpflanzungszeit der Elektricität dabei in Betracht zu kommen braucht. Bei den Versuchen von Mitchel) gehört der Elektromagnet, welcher den zeichnenden Stift andrückt, entweder einem kurzen oder einem sehr langen Kreise von gleicher Stromintensität an, und es werden die Zwischenzeiten zwischen Schliessung des Kreises und Anschlagen des Stiftes gemessen. Diese können aber auch, abgesehen von der Fortpflanzungszeit der Elektricität, nur dann gleich sein, wenn nicht nur die Intensitäten, sondern auch die Geschwindigkeiten der Stromansteigungen, d. h. die Grössen P/W, in beiden Kreisen gleich sind. Darüber finden sich aber gar keine Angaben. Falls in dem grossen Kreise die Elektromagnete der einzelnen Zwischenstationen eingeschaltet blieben, was wohl der Fall gewesen zu sein scheint, konnte P/W für den grossen Kreis sehr viel grösser als für den kleinen sein, und die Verspätung der Wirkung ganz allein davon herrühren. Die Geschwindigkeit der Elektricität ist in beiden Versuchsreihen dem entsprechend auch viel geringer gefunden worden als von Fizeau und Gounelle. Bei der Methode der letzteren kann wenigstens durch die besprochenen Verhältnisse keine vollständige Täuschung hervorgebracht sein; ob und wie grosse Correctionen nöthig werden sollten, lässt sich noch nicht übersehen.

1) Astron. Journ. Nr. 2. (Poggendorff's Ann. Bd. LXXX, S. 161.)

XXVI.

Telephon und Klangfarbe.

Monatsberichte der Berliner Akademie 1878, 11. Juli, S. 488-500.
Wiedemann's Annalen Bd. V. S. 448-460.

Hr. E. du Bois-Reymond hat, kurz nach Bekanntwerden des Telephons1), eine Erklärung der Wirkungen des neuen Apparates aufgestellt, namentlich der Bewahrung der Klangfarbe, bei der er sich jeden Klang in seine Partialtöne zerlegt denkt und sich darauf stützt, dass jeder dieser Partialtöne zwar in veränderter Phase, aber mit derselben Schwingungszahl und verhältnissmässiger Amplitude durch die elektrischen sinusoiden Schwingungen des Leitungsdrahtes auf das Telephon des Hörers übertragen werde. Da die Verschiebung der Phase nach meinen Untersuchungen gleichgültig für die Klangfarbe sei, könne auf diese Weise die Klangfarbe der gesprochenen Klänge bewahrt bleiben.

Gegen diese Erklärung hat Hr. L. Hermann3) Versuche geltend gemacht, welche nach seiner Ansicht die genannte 449 Theorie der Wirkung des Telephons widerlegen und mit der von mir gegebenen Theorie der Klangfarbe nur unter der Voraussetzung vereinbar sein sollen, dass das Grundgesetz der Induction für oscillatorische Potentialänderungen nicht stattfinde, was soviel heisst wie, dass meine Theorie falsch ist. Diese Versuche bestehen darin, dass die Leitung des stromerregen

1) Du Bois-Reymond, Arch. f. Physiol. 1877. S. 573. 582. — Arch. de Genève 1878. LXI. p. 120. LXII. p. 76.

2) Pflüger's Archiv. XVI. 1878. S. 264. 314.

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