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motorischer Kräfte im Innern der Muskeln behandeln, sich vielfältig mit scharfsinnig combinirten Analogien und Wahrscheinlichkeitsgründen begnügen musste, um zum Ziele zu ge

langen.

Unsere Theoreme setzen uns jetzt in den Stand. strengere und kürzere Ableitungen für die Hauptpunkte seiner theoretischen Betrachtungen zu geben, welche in allen wesentlicheren Punkten mit den von ihm aufgestellten Sätzen übereinstimmen. Dass in einigen weniger wesentlichen Punkten Abweichungen vorkommen, ist unter diesen Umständen nicht zu verwundern, und kann dem Lobe, welches du Bois' Scharfsinn gebührt, keinen Abbruch thun, um so weniger als diese Punkte solche sind, in denen die Versuche an den Kupferzinkschematen seine Schlüsse zu bestätigen schienen.

Die Versuche ergeben unmittelbar, dass jedes Stück einer 372 einzelnen Muskelfaser in einem angelegten unwirksamen leitenden Bogen Ströme erregt, welche von ihrer prismatischen oder cylindrischen Oberfläche (ihrem Längsschnitte) zu ihren Endflächen (Querschnitten) hingehen. Denken wir uns also die elektromotorische Oberfläche eines solchen Faserstückes an die Stelle seiner inneren Kräfte gesetzt, so muss diese am Längsschnitt nach aussen positiv, an den Querschnitten negativ sein. Mit einer kleinen Erweiterung der von du Bois angewendeten Bezeichnungsweise wollen wir eine solche Anordnung elektromotorischer Kräfte, welche eine elektromotorische Oberfläche giebt, an der zwei unter sich gleichartige Pole der Aequatorialgegend entgegengesetzt sind, die peripolare nennen. Die Muskelprimitivfasern sind nun allerdings die kleinsten Theile des Muskels, welche wir mechanisch abtrennen, und allenfalls noch auf ihr elektromotorisches Verhalten untersuchen können, auch zeigt selbst das Mikroskop keine weiteren Unterabtheilungen im Innern von frischen Fasern); indessen machen doch andere elektrische Erscheinungen, namentlich die ungeheure Schnelligkeit, mit der in der negativen Stromesschwankung und im elektrotonischen Zustande die elektromotorischen Kräfte der Muskeln und Nerven ihre Stärke und Richtung wechseln können, es wahrscheinlich, dass die kleinsten elektro

1) Diese sind später gefundea worden. (1881.)

motorischen Elemente noch viel kleiner als der Durchmesser der Muskel- und Nervenfasern sind, und eine grosse Beweglichkeit besitzen. Deshalb führt du Bois die elektrischen Wirkungen der thierischen Theile auf peripolar elektromotorische Molekeln von verschwindend kleiner Grösse zurück. welche, umgeben von einer indifferenten leitenden Substanz, im Inhalt der Fasern in gleichen Abständen regelmässig vertheilt sind, so dass ihre Axe der Axe der Faser parallel ist. Mögen wir nun bis auf die Primitiv-Fasern oder bis auf die hypothetischen elektromotorischen Molekeln zurückgehen, jedenfalls müssen wir uns den ganzen Muskel aus unzähligen, sehr kleinen, regelmässig geordneten Theilen zusammengesetzt denken, deren 373 innere elektromotorische Kräfte wir für unseren Zweck durch eine elektromotorische Fläche mit peripolarer Anordnung, positivem Aequator und negativen Polen ersetzen können. Die elektrischen Ströme, welche der ganze Muskel erregt, sind nun aus den Wirkungen dieser elektromotorischen Flächen herzuleiten.

Legen wir zwei gleiche peripolare Elemente mit zweien ihrer Polflächen aneinander, so stossen daselbst zwei gleich starke elektromotorische Flächen, aber in entgegengesetzter Richtung, die negative Seite an die negative, zusammen, und heben deshalb ihre Wirkungen gegenseitig auf. Legen wir zwei solche Elemente mit ihrem Längsschnitt aneinander, so stossen wieder gleich starke Theile der elektromotorischen Oberflächen, und wieder in entgegengesetzter Richtung, dieses Mal aber mit den positiven Seiten zusammen, und heben wiederum ihre Wirkungen gegenseitig auf. Setzen wir also einen ganzen Muskel oder Nerven regelmässig aus solchen Elementen zusammen, indem wir immer Querschnitt an Querschnitt, und Längsschnitt an Längsschnitt fügen, so heben sich im Innern des Ganzen alle elektromotorischen Flächen gegenseitig auf, und es bleiben nur diejenigen bestehen, welche der Aussenfläche des Ganzen angehören. Wir bekommen also dadurch unmittelbar die elektromotorische Oberfläche des Ganzen, welche nach aussen hin alle Kräfte der inneren Theile ersetzt. Sie ist überall, wo nur Querschnitte der Fasern zu Tage liegen (am natürlichen und künstlichen Querschnitte des Ganzen) aus den negativen Polarflächen der Elemente, im natürlichen oder

künstlichen Längsschnitt des Ganzen dagegen aus den positiven Aequatorialflächen der Elemente zusammengesetzt. Deshalb muss, wie der Versuch bestätigt, jede Stelle des Längsschnittes, durch einen angelegten Bogen mit einer des Querschnittes verbunden, im Bogen einen Strom geben, der von jener zu dieser geht.

So ergiebt sich also sehr einfach die Erklärung der Ströme zwischen Längsschnitt und Querschnitt. Anders ist es mit denjenigen, welche du Bois zwischen verschiedenen Punkten des 374 Querschnittes, und ebenso zwischen verschiedenen Punkten des Längsschnittes gefunden hat; sie erklären sich nicht aus den bisher angenommenen theoretischen Grundlagen. Diese Ströme haben dieselbe Richtung wie die bisher besprochenen, d. h. sie sind im ableitenden Bogen von der Mitte des Längsschnittes zu seinem Rande und vom Rande des Querschnittes zu seiner Mitte gerichtet, sind aber sehr viel schwächer als die zwischen Längsschnitt und Querschnitt. Wir wollen für unsere Erörterung annnehmen, ein cylindrisches Bündel paralleler Fasern habe durch zwei senkrecht gegen seine Axe geführte Schnitte zwei reine Querschnitte erhalten, in denen nur die negativen Polarflächen der Elemente zu Tage liegen, ebenso wie der Cylindermantel ganz aus den positiven Aequatorialflächen zusammengesetzt ist. Jede Polarfläche eines einzelnen Elementes kann nun zwar Flächenelemente von verschieden intensiver elektromotorischer Kraft darbieten, muss aber in jeder Beziehung jeder anderen gleich sein, so dass die mittlere elektromotorische Kraft des Gesammtquerschnittes an allen Stellen dieselbe sein muss. Ebenso verhält es sich mit dem Längsschnitt des Ganzen. Innerhalb der elementaren Aequatorialflächen können wohl verschiedene Grössen der elektromotorischen Kraft vorkommen, die mittlere Grösse derselben muss aber überall dieselbe sein. Ist nun die Breite der an den Muskel gelegten Endflächen des leitenden Bogens so gross, dass sie eine sehr grosse Menge von elementaren Abtheilungen des Muskels gleichzeitig berühren, und werden sie beide entweder an reinen Querschnitt oder an reinen Längsschnitt angelegt, so kann kein Strom entstehen, weil die mittlere elektromotorische Kraft jeder Berührungsfläche gleich gross ist, und

beide entgegengesetzte Ströme im Bogen hervorzurufen streben, sich also gegenseitig vollständig im Gleichgewicht halten müssen.

Es könnte hierbei zweifelhaft erscheinen, ob es erlaubt sei, die mittlere elektromotorische Kraft für die verschiedenen Grössen dieser Kraft zu substituiren, welche sich in jeder einzelnen Elementarabtheilung der Begrenzungsfläche vorfinden, 375 selbst wenn diese Elementarabtheilungen gegen die Grösse des ganzen Muskels verschwindend klein sind. Deshalb lasse ich noch eine zweite Ableitung desselben Resultates folgen, welche aus dem Theorem von der gleichen gegenseitigen Wirkung elektromotorischer Flächenelemente hergenommen ist, und jenem Einwurfe nicht unterliegt. Man denke sich wiederum die elektromotorische Oberfläche des ganzen Faserbündels construirt. A und B mögen die Berührungsflächen der Galvanometerleitung mit zwei verschiedenen Stellen des Längsschnittes sein. Wir denken uns diese Flächen so breit, wie sie es in der That bei den Versuchen sind, dass sie unzählbar viele von den Aequatorialfeldern der Elementarabtheilungen des Muskels umfassen. Die Begrenzungsfläche eines jeden Elementes sei in zwei Abtheilungen getheilt, deren eine alle diejenigen Punkte dieser kleinen Fläche in sich begreift, deren elektromotorische Kraft stärker als eine gewisse bestimmte Grösse ist, die andere alle anderen Punkte, in denen das Gegentheil stattfindet. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein willkürlich gewählter Punkt der Fläche A in eine der Abtheilungen von stärkerer elektromotorischer Kraft falle, ist dann offenbar überall in der ganzen Fläche A, auch an deren Rändern, dieselbe, und genau ebenso gross wie dieselbe Wahrscheinlichkeit in der Fläche B. Nehmen wir nun die Wirkungen der elektromotorischen Kräfte des Muskels suspendirt an, und dafür in dem Galvanometerdrahte eine solche Kraft angebracht, welche einen durch den Muskel sich vertheilenden Strom erregt, so folgt aus dem Theorem des Abschnittes IV, dass, wenn hierbei mehr Elektricität durch die Abtheilungen stärkerer Kraft in der Fläche A, als durch dieselben der Fläche B fliesst, der Muskel im Galvanometer einen Strom von A nach B geben muss, im umgekehrten Falle umgekehrt. Nun hat aber jeder Stromesfaden, durch welche Stelle der Fläche A er auch in den Muskel eintreten, und durch welche von B er

auch austreten mag, in der einen die gleiche Wahrscheinlichkeit 376 eine Abtheilung stärkerer Kraft zu treffen, wie in der anderen. Daraus folgt, dass durch die Abtheilungen stärkerer Kraft in A so viel Elektricität fliessen muss, wie in B, und daraus wieder, dass der Muskel im Galvanometerdrahte keinen Strom erregen kann.

Eine Ausnahme würde nur dann eintreten, wenn in einer der Flächen A oder B die Grenze des Längsschnittes läge, weil unmittelbar an dieser auch nur Grenztheile der Elementarfelder, d. h. Abtheilungen geringerer Kraft liegen würden, und daher die Wahrscheinlichkeit, in ein Feld stärkerer Kraft zu fallen, für die Punkte der Grenze gleich Null wird. Unter diesen Umständen muss, gemäss der eben gemachten Auseinandersetzung der Muskel im Galvanometer einen Strom erregen, welcher nach dem die Grösse des Längsschnittes berührenden Ende hingeht, ähnlich als wenn dieses schon den Querschnitt zu berühren anfinge.

Da diese Folgerungen mit den Versuchen an den Muskeln selbst in Widerspruch stehen, so ist daraus zu schliessen, dass noch Einflüsse hier in Betracht kommen, welche bisher nicht. beachtet sind. Zwei Fragen, welche sich in dieser Hinsicht zunächst aufdrängen, sind folgende: Erstens ob die oberflächlichen Theile der thierischen Gebilde, welche der Eintrocknung, der Berührung der Luft und fremdartiger Flüssigkeiten ausgesetzt sind, ihre elektromotorischen Kräfte wohl ungeschwächt erhalten. Zweitens beziehen sich alle in dieser Abhandlung aufgestellten Theoreme nur auf solche elektromotorische Kräfte, welche von der Stromstärke unabhängig sind. Es fragt sich, ob dies bei denen der Muskeln der Fall ist. Natürlich können erst für diesen Zweck besonders angestellte Versuche entscheiden, ob eine und welche von diesen Möglichkeiten stattfinde. Ich bemerke noch, dass auch die aus Kupfer und Zink in Schwefelsäure zusammengesetzten schematischen Nachahmungen der Muskeln, welche du Bois-Reymond untersucht hat, ähnliche Abweichungen von der Theorie zeigten, wie die Muskeln. Aber diese haben inconstante elektromotorische Kräfte, und entsprechen deshalb nicht den Voraussetzungen unserer Theoreme.

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