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trische Polarisation des Mediums, Fortströmen derselben einen elektrischen Strom; Rotation der elastischen Kugeln entspricht der Magnetisirung des Mediums, die Rotationsaxe ist die Richtung der magnetischen Kraft.

Wenn nun auch die Vorstellung eines solchen molecularen Baues des raumfüllenden Aethers unserer Einbildungskraft als zu künstlich widerstreben mag, so scheint mir doch die Hypothese von Maxwell deshalb sehr wichtig zu sein, weil sie den Beweis führt, dass in den elektrodynamischen Erscheinungen nichts liegt, was uns zwänge sie auf eine ganz abweichende Art von Naturkräften zurückzuführen, auf Kräfte, die nicht blos von der Lage der betreffenden Massen, sondern auch von ihrer Bewegung abhängen. In der That lässt sich aus der Annahme derjenigen gegenseitigen Reactionen der Volumenelemente des Aethers gegen einander, welche Hr. Maxwell angenommen hat, eine vollständige und mathematisch sehr elegante Theorie der sämmtlichen elektrischen, magnetischen, elektrodynamischen und Inductionserscheinungen entwickeln, und dieselbe Theorie giebt auch noch von den Erscheinungen des Lichtes Rechenschaft.

Die Theorie von Hrn. Weber dagegen leitet die Erklärung 250 der elektrodynamischen Wirkungen aus Fernkräften eigenthümlicher Art ab, welche zwischen den elektrischen Massenpunkten wirken, und gleichzeitig von den Entfernungen, den relativen Bewegungen und den relativen Beschleunigungen je zweier Punkte gegen einander abhängen sollen. Diese Theorie giebt verhältnissmässig einfache Erklärungen der elektrodynamischen Anziehungen und der Inductionswirkungen in linearen Leitern, und ihre analytischen Folgerungen stimmten für alle an linearen geschlossenen Strömen zu beobachtenden Erscheinungen vollständig mit den Folgerungen des von Hrn. F. E. Neumann aus den Erscheinungen abgeleiteten Potentialgesetzes. Die Theorie von Weber, welche älter als die erwähnte von Cl. Maxwell ist, wurde deshalb auch, namentlich von den deutschen Physikern, in sehr günstiger Weise aufgenommen. Sie hatte und behält übrigens entschieden das Verdienst eines jeden scharfsinnigen und originellen Gedankens, welcher neue Bahnen in der Wissenschaft zu betreten strebt, wenn die alten Pfade

in unentwirrbares Dickicht zu führen scheinen. Ich brauche hier wohl nicht hervorzuheben, dass der Werth eines solchen Versuches neue Wege zu eröffnen, wenn er dem Stande der Wissenschaft zu der Zeit genügte, wo er aufgestellt wurde, nicht geschmälert wird, wenn sich nach 25jährigen weiteren Fortschritten der Wissenschaft die Unmöglichkeit herausstellen sollte ihn durchzuführen. Auch dann ist ein solcher Versuch

nicht fruchtlos gewesen. Eine Recognoscirung unbekannten Terrains, was neben der bisher eingehaltenen Strasse liegt, wenn sie sorgfältig und scharfsinnig durchgeführt ist, behält ihren Werth, auch wenn sie nur lehren sollte, dass ausser der grossen Strasse kein Weg existirt.

Es war durch die Weber'sche Hypothese eine für die Principien der Naturwissenschaft höchst bedeutende Frage zum ersten Male zur Prüfung an thatsächlichen Problemen gelangt, nämlich die, ob elementare, nicht weiter zerlegbare Kräfte angenommen werden müssen, die nicht blos von der Lage, sondern auch von der Bewegung der wirkenden Punkte abhängig sind. Ich selbst hatte schon in meiner Schrift: ,,Ueber die Erhaltung der Kraft" hervorgehoben, dass Kräfte, die nur von der Entfernung und den Geschwindigkeiten, d. h. also von den Coordinaten der Punkte und von deren ersten Differentialquotienten abhängen, das allgemeine Naturgesetz von der Er251 haltung der Energie, welches sich auch in den elektrodynamischen Erscheinungen durchaus bestätigt, nothwendig verletzen müssen. Dagegen diesen noch complicirteren Fall, welchen das Weber'sche Gesetz aufstellt, wo die Kräfte von den Coordinaten und von den ersten und zweiten Differentialquotienten derselben nach der Zeit abhängen, hatte ich damals nicht berücksichtigt, und dieser Fall ist mit einer etwas erweiterten Form des Gesetzes von der Erhaltung der Energie allerdings vereinbar. Nennen wir lebendige Kraft oder actuelle Energie, wie es immer bisher geschehen ist, die Summe der bewegten trägen Massen, jede multiplicirt mit dem halben Quadrate ihrer Geschwindigkeit, so ist in der gewöhnlichen Form des Gesetzes die Grösse, welche ich Quantität der Spannkräfte, die englischen Physiker potentielle Energie genannt haben, eine Function der Coordinaten der be

wegten Punkte allein, und das Gesetz von der Erhaltung der Energie sagt aus, dass die Summe der actuellen und potentiellen Energie bei jeder von aussen her nicht beeinflussten Bewegung eines Massensystems constant bleibe.

Findet aber unter Einwirkung äusserer Kräfte ein in sich selbst zurücklaufender Cirkelprocess statt, an dessen Ende sämmtliche Punkte des Massensystems genau dieselbe Lage, und das Ganze dieselbe lebendige Kraft wie im Anfang hat, so muss die Summe der dabei von aussen empfangenen und nach aussen abgegebenen Arbeit gleich Null sein, so dass durch keine Wiederholung des Cirkelprocesses dauernd Arbeit gewonnen oder vernichtet werden kann. Wäre ersteres der Fall, so wäre dadurch ein ewig fortlaufender Gewinn von Arbeit ohne fortschreitende Veränderung des betreffenden Massensystems möglich, und ein Perpetuum mobile construirbar.

Die Weber'sche Erweiterung des Gesetzes von der Energie macht nun auch den Werth der potentiellen Energie zu einer Function nicht blos der Lage, sondern auch der Geschwindigkeiten der Massenpunkte. Auch unter dieser Annahme wird durch keinen Kreisprocess, der die sämmtlichen Massen des Systems nicht blos in die anfänglichen Lagen, sondern auch alle einzeln in die anfänglichen Geschwindigkeiten zurückführt, mehr Arbeit nach aussen abzugeben als von aussen aufzunehmen sein, weil eben jene Grössen der actuellen und potentiellen Energie, welche das Maass der Arbeit bilden, zu Ende jedes solchen Kreisprocesses dieselben sind, wie zu Anfang.

Unter diesen Umständen werden aber die Werthe der 252 Kräfte nothwendig zweite Differentialquotienten der Coordinaten enthalten müssen, weil die Summe der den einzelnen Punkten und einzelnen Coordinataxen entsprechenden Kraftcomponenten, jede multiplicirt mit der entsprechenden Geschwindigkeitscomponente, dem Differentialquotienten der potentiellen Energie nach der Zeit genommen gleich sein muss, und letzterer unter der gemachten Voraussetzung nothwendig auch die zweiten Differentialquotienten der Coordinaten nach der Zeit enthält.

In Bezug auf die vollkommenen Kreisprocesse hat Hr.

Helmholtz, wissensch. Abhandlungen.

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W. Weber1) den Beweis geführt, dass seine Annahme über den Werth der elektrischen Kräfte keine Erzeugung von Arbeit ohne entsprechenden Verbrauch arbeitsfähiger Kräfte zulasse.

Andererseits hatten mich Anwendungen, die ich von den aus Weber's Annahme von Kirchhoff hergeleiteten Differentialgleichungen zu machen suchte, zu der Entdeckung geführt, dass diese einem labilen Gleichgewichtszustande der Elektricität in Leitern entsprächen, und dass danach Strömungen sich entwickeln könnten, die zu unendlichen Stromstärken und unendlichen elektrischen Dichtigkeiten führten.

Entgegnungen von Hrn. W. Weber und Hrn. C. Neumann haben mich zu einer Wiederaufnahme und Verallgemeinerung dieser Untersuchungen geführt, von denen ich der Akademie hier kurz die Resultate vorlegen will.2)

Wenn man eine Anzahl von beliebig vielen Massenpunkten hat, deren träge Masse mit u, bezeichnet werden mag, welche alle oder zum Theil auch Quanta von Elektricität enthalten, die, nach elektrostatischem Maass gemessen, mit en bezeichnet werden mögen, wenn ferner ram die Entfernung der Punkte n und m ist, und an die resultirende Geschwindigkeit des Punktes 253 n, nm der Winkel, den sie mit der über n hinaus verlängerten Richtung der Linie ram macht, so ist der Werth:

1) des elektrostatischen Potentials:

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1

Q = 1 ΣΣ

ΣΣ

сс

en

m

· ·• In・ Im • COS (Inm) • COS (I'm n)

- · rnm

Wir setzen ferner die Grösse:

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1) Elektrodynamische Maassbestimmungen, insbesondere über das Princip der Erhaltung der Energie im X. Bande der Abh. d. math.-phys. Classe der Königl. Sächsischen Ges. der Wissenschaften 1871. Den Werth des Potentials hat derselbe Autor schon in Poggendorff's Annalen 1848 Bd. 73 S. 229 gegeben.

2) Die ausführliche Veröffentlichung der betreffenden Untersuchung wird im Journal f. reine u. angew. Mathematik geschehen. (S. unten Nr. XXXV.)

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und bezeichnen die potentielle Energie der übrigen Kräfte, welche auf die trägen Massen wirken, mit V. Dann wird die Gleichung, welche in Hrn. Weber's Sinne die Erhaltung der Kraft ausdrückt:

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} = [(un − Pn en) qå ] + P + V— Q = Const.

Die hier vorkommende Summe, welche die Stelle der lebendigen Kraft vertritt, und die wir mit L bezeichnen wollen, unterscheidet sich von der gewöhnlichen Form dieses Ausdruckes dadurch, dass die nothwendig positiven Quadrate der In nicht allein mit den nothwendig positiven trägen Massen Un multiplicirt sind, sondern dass statt dieser letzteren die Differenzen (un- en pn) als Coëfficienten der Quadrate eintreten. Diese Differenzen können aber auch negativ werden, da μn jedenfalls reducirt werden kann bis auf die auch von den Herren Weber und C. Neumann doch immer als ausserordentlich klein angesehene träge Masse des elektrischen Quantums en, die Grösse pn aber eine nach Art der Potentialfunctionen gebildete Function ist, die von beliebig grossen elektrischen Massen herrühren kann. Wenn nun en Pn > Un, so besässe der Punkt en gleichsam negative Masse. Beschleunigung seiner Bewegung würde einer Verminderung der lebendigen Kraft entsprechen. Bestände die lebendige Kraft L aus einer Anzahl positiver und negativer Glieder dieser Art, so würde sie einen unveränderten endlichen Werth erhalten können, während ihre negativen, wie ihre positiven Glieder in das 254 Unendliche wachsen.

Pn

Am einfachsten stellen sich diese Verhältnisse dar, wenn man nur eine der Massen u sich bewegt denkt und die übrigen auf einer die Masse u umgebenden Kugelfläche gleichmässig ausgebreitet und festhaftend (etwa an der Fläche eines Isolators). Dann werden p und P Constanten, die von der Lage des Punktes u in der Kugel unabhängig sind, ferner ist Q=0 und die Gleichung reducirtt sich auf:

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Ist nun das Quantum der Elektricität auf der Kugel gross genug, dass ep >u, so müssen q2 und V gleichzeitig wachsen

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