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laufenden Cirkelprocesses kein Perpetuum mobile hergestellt werden.

Man hat sich bei den Untersuchungen darüber, ob das Gesetz der Erhaltung der Energie für gewisse Naturprocesse gültig sei oder nicht, meist damit begnügt zu untersuchen, ob, wenn ich das analytische Resultat praktisch ausdrücken darf, ein immer wiederholter Cirkelprocess in das Unendliche Arbeit erzeugen oder zerstören könne.

In diesem Sinne nun verletzt die Weber'sche Annahme das Gesetz von der Erhaltung der Energie nicht; aber sie thut es in anderem Sinne, und es zeigt sich hierbei, dass die eben angegebene Prüfung nicht genügt.

Wenn nämlich das Arbeitsäquivalent eines bewegten Massensystems jemals kleiner werden kann, als das desselben Massensystems im Zustande der Ruhe, und zwar desto kleiner, je grösser seine Geschwindigkeiten sind: so wird Arbeit aufgewendet werden müssen, um das betreffende System in den Ruhezustand zurückzuführen; und umgekehrt jeder Vorgang, der ihm noch weitere Arbeitskraft entzieht, wird seine Geschwindigkeiten nothwendig steigern, und also auch die weitere Gelegenheit gewähren, das Quantum der abgegebenen Arbeits- 37 äquivalente immer weiter bis in das Unendliche zu steigern. Diese Möglichkeit ist nun in der That beim Weber'schen Gesetze gegeben. In meiner früheren Untersuchung war es der Leitungswiderstand der elektrischen Leiter, der der elektrischen Bewegung Arbeitsquanta, nämlich die durch die Strömung erzeugte Wärme, entzog, und sie nach dem Weber'schen Gesetze dadurch bei gewissen Arten der Bewegung, zum Beispiel bei Radialströmen in einer Kugel, in das Unendliche steigern konnte.

Bei allen anderen bekannten physikalischen Kräften gestaltet sich das Gesetz der Energie so, dass in seinem Ausdrucke nur die lebendige Kraft der bewegten Massen von den Geschwindigkeiten abhängt; diese ist aber eine nothwendig positive Grösse, weil sie eine Summe von Quadraten der mit ausschliesslich positiven Coëfficienten behafteten Geschwindigkeiten ist; sie bildet also ein mit Steigerung der Bewegung wachsendes, immer positives Arbeitsäquivalent. Das Arbeits

äquivalent der bewegten Masse ist also nothwendig immer grösser, als das der in derselben Lage ruhenden Masse.

Mischen sich aber die Weber'schen Kräfte ein, so ist nach der Bezeichnung der Herren Weber und C. Neumann das gesammte Arbeitsäquivalent des Massensystems gleich: 1) der lebendigen Kraft der bewegten trägen Massen 2) plus der potentiellen Energie der elektrostatischen und anderweitigen mechanischen Kräfte

3) minus dem elektrodynamischen Potential.

Dieses letzte hängt auch von den Geschwindigkeiten ab, und sobald sein Werth positiv und grösser ist als der von Nr. 1), so treten die oben angegebenen Consequenzen ein. Unter welchen Bedingungen und in welchen Fällen dies nun vorkommen kann, wird unten erörtert werden.

Geschieht die Bewegung eines solchen Massensystems unter räumlichen Verhältnissen, welche die Glieder 1) und 3) sich gerade aufheben machen, so wird jede endliche Kraft, die im Sinne der vorhandenen Bewegung vorwärts treibt, diese in das Unendliche steigern müssen, weil durch endliche Zunahme der Bewegung dann das Arbeitsäquivalent nicht mehr vermehrt wird, während die Kraft doch Arbeit leistet. Unter diese Kategorie fällt einer der Einwände, die ich in meiner früheren Arbeit aufgestellt hatte.

Ich habe hiermit den Grund der physikalisch unmöglichen Folgerungen, welche Hrn. W. Weber's Annahme liefert, in möglichst genereller Form auszusprechen gesucht, und werde 38 die Gleichung, welche bei Annahme der Weber'schen Kräfte dem Gesetze von der Erhaltung der Energie entspricht, in einer Form geben, wo das Verhältniss noch klarer als in der oben gebrauchten Eintheilung der Energie heraustritt.

Die speciellen Streitpunkte sind also folgende:

A. Ich hatte aus den Differentialgleichungen der elektrischen Strömungen, wie sie von Hrn. Kirchhoff aus dem Weber'schen Gesetze hergeleitet und von Hrn. Lorberg verallgemeinert waren, gefolgert, dass die Weber'sche Annahme labiles Gleichgewicht der Elektricität in leitenden Körpern gebe. Von dieser Folgerung war mitbetroffen die frühere elektrodynamische Theorie von Hrn. C. Neumann,

wonach die Ausbreitung des elektrischen Potentials in die Ferne Zeit brauchen sollte.

B. Ich hatte an dem einfachsten Falle der Bewegung zweier elektrischer Massenpunkte in Richtung ihrer Verbindungslinie gezeigt, dass diese mit endlicher Geschwindigkeit anfangend in endlicher Entfernung unendliche Geschwindigkeit erreichen können.

Auf B. hat Hr. W. Weber im letzten Hefte seiner elektrodynamischen Maassbestimmungen1) selbst geantwortet, ohne A. zu berühren. Derselbe ist der Meinung, dass durch Annahme eines gewissen Verhältnisses zwischen den dabei in Betracht kommenden Constanten die Entfernung, in der jener unendliche Werth der Geschwindigkeit zu Stande komme, immer in das Bereich der Molecularkräfte der betreffenden Massen gebracht und dadurch verhindert werden könne, dass jener von mir als unmöglich bezeichnete Erfolg eintrete. Ich werde in § 10 dieses Aufsatzes zeigen, dass die von ihm gemachte Annahme über die Constanten dazu nicht ausreicht, wenigstens nicht, so lange wir beliebige Vermehrung der elektrischen Quanta uns vorbehalten.

Ein zweiter Einwand von Hrn. Weber beruht darauf, dass in dem von mir gewählten Beispiele die Theilchen im Anfange ihrer Bewegung eine Geschwindigkeit haben müssten, grösser als der sehr hohe Werth der von ihm gebrauchten Constante c, dass diese praktisch jedenfalls nicht herzustellen sei, und vielleicht auch der Natur der Sache nach unmöglich sein könnte. Dagegen führe ich in § 9 den Beweis, dass, wenn eine endliche Kraft die Annäherung der elektrischen Quanta zu einander dauernd unterstützt, die unendliche Geschwindigkeit auch bei beliebig kleiner Anfangsgeschwindigkeit zu Stande kommen kann.

Hr. C. Neumann hat in seiner neuesten Abhandlung 39 über Elektrodynamik 2) sich dahin ausgesprochen, dass, wie ihm

1) Abhandlungen der math. physik. Classe der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Bd. X. 1871.

2) Elektrodynamische Untersuchungen. Berichte der Königl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften vom 20. October 1871.

scheine, mein Einwand B. von Hrn. Weber in endgültiger Weise widerlegt sei. Er selbst hat, ohne auf seine frühere elektrodynamische Theorie zurückzukommen, eine neue Modification des Weber'schen Gesetzes aufgestellt, indem er eine unbestimmte Function der Entfernung eingeführt hat, die in endlichen Distanzen mit der Weber'schen zusammenfallen, in molecularen Distanzen aber davon abweichen soll. Ich darf wohl annehmen, dass dies in der Meinung geschehen ist, durch die Einführung irgend welcher Molecularkräfte könnten die von mir gemachten Einwände, namentlich B. beseitigt werden. Ich habe deshalb in § 12 die allgemeine Form des Gesetzes von der Erhaltung der Energie benutzt, um zu zeigen, dass die unzulässigen Folgerungen überhaupt gar nicht von den Wirkungen in molecularen Distanzen abhängen, sondern im Gegentheil von den Fernwirkungen.

Gegen meinen Einwand A. hat Hr. C. Neumann nur im allgemeinen geltend gemacht, die Kirchhoff'schen Differentialgleichungen seien noch auf andere, nicht genau präcisirte Hypothesen gegründet, ohne aber die ihm hypothetisch erscheinenden Punkte näher zu bezeichnen. Was ich aus diesen gefolgert hätte, gelte nicht gegen das Weber'sche Gesetz. Uebrigens hat er selbst aus seiner eigenen neuen Annahme keine Differentialgleichungen der elektrischen Bewegung hergeleitet, sondern erklärt nur auf S. 472 seines Aufsatzes, dass das zur Aufstellung dieser Gleichungen nöthige „Potentialgesetz" bisher für andere als geschlossene lineare Strömungen noch nicht eruirt worden sei. Demgemäss ist denn Hr. C. Neumann auch den Beweis schuldig geblieben, dass seine neue Modification des Weber'schen Gesetzes zu stabilem Gleichgewicht der ruhenden Elektricität in Leitern führe.

Die Urtheile von Hrn. C. Neumann hat auch Hr. Zöllner1) wiederholt, ohne irgend etwas Neues hinzuzufügen, was bei einer wissenschaftlichen Discussion zu berücksichtigen wäre.

Ich habe deshalb in § 13 die Hypothesen der angeschuldigten Kirchhoff'schen Gleichungen zusammengestellt, welche in der That keine anderen sind, als die Hr. W. Weber selbst

1) Ueber die Natur der Cometen u. s. w. Leipzig bei Engelmann. 1872.

seiner ersten Ableitung des Inductionsgesetzes zu Grunde gelegt hatte, und habe dann den Beweis hinzugefügt, dass be- 40 liebige Annahmen über die Molecularvorgänge und Molecularkräfte bei elektrischer Strömung die Möglichkeit nicht beseitigen, dass das Arbeitsäquivalent der elektrischen Strömung kleiner als das des Ruhezustandes werde, aus welchem Verhältnisse dann die übrigen vorher aufgeführten physikalisch unmöglichen Folgen fliessen.

Endlich habe ich in § 14 noch die von Hrn. J. Bertrand ausgesprochenen Bedenken gegen den Gebrauch der Potentialausdrücke in der Theorie der Induction und wegen. der Anwendung des Satzes vom Parallelogramm der Kräfte auf die inducirten elektromotorischen Kräfte zu beseitigen gesucht.

Die Nummern der Paragraphen setzen die meiner früheren Abhandlung fort.

§ 9. Bewegung zweier elektrischer Massenpunkte in Richtung ihrer Verbindungslinie.

Ich beginne mit diesem einfachsten Falle, an dem sich die wesentlichen Züge dessen, was später in allgemeinerer Form nachgewiesen werden soll, schon aufweisen lassen. Derselbe ist bereits in der Einleitung meiner früheren Arbeit und dann von Hrn. Weber besprochen worden. Ich nehme wie früher an das elektrische Quantum é liege fest, das gleichartige Quantum e sei mit der trägen Masse u verbunden und in der Entfernung r von jenem befindlich; es bewege sich in Richtung der Verbindungslinie r. Ich ändere die früheren Annahmen nur insofern, als ich noch eine zweite Kraft gewöhnlicher Art R hinzufüge, die auf die träge Masse u einwirkt, ebenfalls in Richtung der Verbindungslinie, und welche positiv genommen wird, wenn sie r zu vergrössern strebt. Die Bewegungsgleichung ist alsdann nach Weber:

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