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Betracht kommenden Thatsachen bis auf eine als bekannt voraussetzen, so wird man diese eine immer noch aus dem Gesetze von der Constanz der Energie „deduciren" können, so z. B. den Werth der Inductionsconstante. Aber als Beweismittel von thatsächlichen Wahrheiten kenne ich nur den Weg der Induction.

§ 14. Die Einwürfe von Hrn. J. Bertrand.

Hr. J. Bertrand hat aus meinem Aufsatze über die Bewegungsgleichungen der Elektricität einige Punkte hervorgehoben, welche ihm bedenklich erscheinen. 1) Ich erlaube mir dieselben hier zu beantworten, namentlich auch deshalb, da sie in der That Punkte der Theorie betreffen, die wenigstens noch nicht explicite auseinander gesetzt sind.

Zunächst findet Hr. Bertrand Schwierigkeiten in der Anwendung des Potentialbegriffs auf zwei Stromelemente über- 63 haupt. Er geht dabei von der Hypothese von Ampère aus, dass die Kraft zwischen zwei Stromelementen eine anziehende oder abstossende in der Richtung ihrer Verbindungslinie sei. Dreht man eines der Elemente um die Richtung dieser Kraft als Axe, so würde dadurch keine Arbeit geleistet werden; dennoch änderte sich der Werth des Potentials, dessen Ausdruck nach Neumann, oder in der allgemeineren von mir gegebenen Form ja auch die Winkel zwischen den Elementen ds und ds' enthält.

Hiergegen ist nun zu erwidern, dass die Existenz eines Potentials zweier Stromelemente nicht blos die Existenz einer anziehenden oder abstossenden Kraft zwischen ihnen bedingt, sondern auch an jedem der Elemente die Existenz eines Kräftepaares, welches das betreffende Element in eine bestimmte Richtung zu stellen strebt. Diese Richtung ist, wenn wir Hrn. F. E. Neumann's Form des Potentials zu Grunde legen, der Richtung des anderen Elementes parallel, nach Hrn. W. Weber's Form dagegen fällt sie in die Richtung der Verbindungslinie r.

Denkt man sich jedes dieser Kräftepaare dargestellt durch

1) Comptes Rendus de l'Académie des Sciences. T. LXXIII, p. 965.

zwei Kräfte, die an den Endpunkten von ds oder ds' angreifen, so werden diese Kräfte allerdings von der Ordnung der Grössen r/ds und r/ds' sein müssen im Vergleich mit der anziehenden oder abstossenden Kraft beider Elemente, und die Arbeit. welche geleistet werden muss, um eines der Elemente ds aus der Lage seines stabilen Gleichgewichts um einen rechten Winkel zu drehen, während das andere Element ds' fest liegen bleibt, wird ebenso gross sein müssen, als wenn man ds bei unveränderter Richtung in unendliche Entfernung brächte. Darin liegt aber durchaus kein Widerspruch und keine Unmöglichkeit, wie Hr. Bertrand sie zu finden glaubt. Denn das ist alles genau ebenso, wenn man statt der beiden Stromelemente ds und ds' zwei magnetische Linienelemente nimmt, deren Potential von der Form ist:

mm' ds ds' cos [ds,ds'] - 3 cos [r, ds] cos [r,ds']

Für zwei solche magnetische Elemente ist die Form des Potentials offenbar berechtigt, und auch hier müssen wir dieselbe Arbeit leisten, um einerseits eines der Elemente aus irgend einer gegebenen Lage in unendliche Entfernung zu bringen, oder andererseits es so zu drehen, dass das Potential gleich Null wird. Auch in diesem Falle sind die Kräfte des Kräfte64 paares, welches wirklich an den Enden eines solchen Linienelementes angreift, von der Ordnung r/ds, im Vergleich mit denen, die das Element parallel mit sich selbst zu verschieben streben.

Die Annahme eines Potentials der Stromelemente ist also nicht, wie Hr. Bertrand meint, im Widerspruch mit sich selbst, sondern nur im Widerspruch mit der Hypothese von Ampère, welche ausschliesslich eine anziehende oder abstossende Kraft für jedes lineare Stromelement annimmt. Den Thatsachen gegenüber, welche an geschlossenen Stromkreisen beobachtet werden können, ergeben beide Hypothesen gleiche Resultate und sind deshalb gleich berechtigt, wie Hr. Bertrand anerkennt.

Der zweite Einwand bezieht sich auf die Art und Weise, wie zuerst Hr. Kirchhoff und dann ich selbst das mittels

einer Potentialformel ausgedrückte Inductionsgesetz angewendet haben, um die Componenten der stromerregenden Kraft nach den Richtungen der Coordinatenaxen zu finden. Wenn Pi ds die Potentialfunction auf ein lineares Stromelement ds mit der Stromintensität i ist, so ist nach Hrn. F. E. Neumann's Inductionsgesetz die elektromotorische Kraft der Induction. dP/dt. Aber, fragt Hr. Bertrand, welches ist die Richtung dieser Kraft? Diese Richtung ist nun in dem speciellen Falle, auf den Neumann seine Ausdrücke zuerst angewendet hat, nämlich für lineare Stromelemente, jedenfalls gegeben; es ist die Richtung dieses Elementes. Ich glaube, ich bezeichne den Sinn von Hrn. Bertrand's Zweifel richtig so: Längs des Elementes ds wirkt nur eine Componente der Inductionskraft, deren Grösse das Neumann'sche Gesetz giebt. Diese ändert sich mit der Richtung von ds. Giebt es in dem Sinne eine bestimmte Richtung und Grösse der Inductionskraft, dass die Componente längs ds nach dem gewöhnlichen Verfahren der Zerlegung der Kräfte gefunden werden kann? Das von Hrn. Kirchhoff und mir eingeschlagene Verfahren für nicht lineare Leiter setzt allerdings voraus, dass die Zusammensetzung der Inductionskräfte in derselben Weise geschehen dürfe, wie bei allen anderen Kräften, nämlich nach dem Gesetze des Kräfteparallelogramms. Dies ist nicht unmittelbar klar, wenn man die gesammte Potentialfunction aller vorhandenen Stromelemente auf ein einzelnes Element ds schon durch Integration vollständig gebildet hat. Hr. Bertrand hat Recht, dass er dafür einen Beweis verlangt. Dieser Beweis ist aber so leicht mittels der in den Abhandlungen von F. E. Neumann und W. Weber oft gebrauchten Umformungen zu führen, dass darin für Hrn. Kirchhoff und mich die Entschuldigung ge- 65 funden werden wird, wenn wir ihn dem mit jenen Abhandlungen vertrauten Leser sich selbst zu ergänzen überlassen haben. Hrn. F. E. Neumann's Potential ist eine Summe von Gliedern von der Form:

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Wenn wir nun die Winkel, welche die Richtung des Elementes ds mit den positiven Coordinatenaxen macht, mit a, B, y, die

entsprechenden für das Element ds' mit d', ' und ' bezeichnen,

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und wenn man das Integral über sämmtliche Elemente ds' nimmt, so erhält man einen Ausdruck von der Form:

= iP = i. ds {A cos a + B cosẞ+Ccosy},

Sp ds =

wo A, B, C unabhängig von i, a, ß und 7 sind, d. h. unabhängig von der Richtung des Elementes ds und von seiner Stromstärke. Die elektromotorische Inductionskraft, welche durch irgend eine Aenderung in der Lage, Richtung oder Stromstärke der Elemente ds' im Elemente ds erzeugt wird, ist nach F. E. Neumann:

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d C

·ds.cosa + ε ds.cos +ε ds.cosy. (8)

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dB
dt

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(2)+(税)+(27)

dt

und betrachten wir R als eine Kraft, welche mit den positiven Coordinatenaxen Winkel macht, deren Cosinus sind:

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so ist die Inductionskraft, die im Elemente ds zur Wirkung kommt, nach Gleichung (8) gleich der Componente, welche die Kraft & Rds in Richtung des Elementes ds hervorbringt.

Die Weber'sche Form des Potentials zweier Stromelemente giebt ähnliche Resultate. Hier wird:

P1iids ds'. cos [r, ds] cos [r, ds']

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ist, so kommt auch hier wieder das Integral unter die Form:

P1 = ds {A1 cosa + B1 cos + C1 cos y},

wo A1, B1 und C, von i, a, ß, und y unabhängig sind.

Endlich führt die von mir angegebene allgemeinere Form

des Potentials:

pi.i. ds. ds'.

(1 + k) cos [ds, d s'] + (1 − k) cos [r, ds] cos [r, ds']

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Die resultirende Kraft und deren Richtung ist gerade wie im ersten Falle zu bestimmen.

Die elektromotorischen Kräfte, welche durch die von Hrn. Kirchhoff und mir angewendeten Potentialausdrücke gesetzt sind, haben also ebenso gut eine bestimmte Richtung und Grösse, wie die elektrostatischen Anziehungskräfte für strömende Elektricität, oder die die Wärme forttreibenden Temperaturunterschiede in den Problemen über Wärmeleitung, und sind also genau in gleicher Weise in Rechnung zu bringen und von uns beiden in Rechnung gebracht worden, wie es in den genannten beiden anderen Fällen geschehen muss, d. h. es ist in jedem Punkte des Leiters und für jedes durch ihn gezogene Linienelement die in dieses Linienelement fallende Componente der (durch den Widerstand des Leiters gehemmten) Strömung proportional gesetzt worden der in dasselbe Linienelement fallenden Componente der treibenden (elektrostatischen und inducirten) Kraft.

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